Wie die Medizintechnik nachhaltiger werden kann

In den deutschen Krankenhäusern fallen jährlich mehrere Millionen Tonnen Abfall durch gebrauchte Schutzmasken, Testutensilien, Spritzen, Handschuhe oder Operationskittel an.
Aus sortenrein getrennten Kunststoffabfällen wird das Granulat zur Herstellung hochwertiger neuer Kunststoffe gewonnen. Allerdings ist eine aufwändige händische Mülltrennung im Klinikalltag nicht leistbar. Copyright: Miguel Malo/iStock

Der Großteil dieser Einwegartikel wird thermisch verwertet, also verbrannt. Ein Forscherteam am Fraunhofer IWU möchte sich damit nicht abfinden: Es schlägt in seinem Whitepaper »ReMed« Lösungen vor, die die Recyclingquote bei Kunststoffprodukten im Gesundheitssektor Schritt für Schritt anheben helfen, ohne pflegendes Klinikpersonal mit zusätzlichen Aufgaben zu belasten.

Einwegprodukte aus Kunststoff wegzuwerfen oder zu verbrennen, ist das genaue Gegenteil von Ressourceneffizienz. Doch bei stationären und ambulanten Behandlungen kommen viele Einwegprodukte zum Einsatz, die für ein erhebliches und weiter steigendes Abfallaufkommen sorgen. Dabei gilt auch für den Gesundheitssektor die Vorgabe, zur Jahrhundertmitte klimaneutral zu sein und geschlossene Stoffkreisläufe aufzuweisen.

Die Forschenden am Dresdner Institutsteil des Fraunhofer WU sind überzeugt: Dieses Ziel ist zu schaffen. Im neuen Whitepaper »ReMed« (Recyling für eine nachhaltige Medizintechnik) zeigen sie Strategien für eine kurz-, mittel- und langfristige Erhöhung des Recyclinganteils von Kunststoffen aus Medizinprodukten auf. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Abfällen in Kliniken; eine wichtige Basis für das Paper sind die Ergebnisse einer Umfrage zu aktuellen Entsorgungsprozessen und Möglichkeiten für mehr Recycling bei Kunststoffen, an der insgesamt 27 sächsische Klinken teilnahmen.

Erfolgreiche Strategien, so die Fraunhofer-Forschenden, müssen Antworten auf Kernfragen zur Zusammensetzung des Abfalls, zu den Beteiligten innerhalb der Prozesskette, Regularien, Materialströmen und Verarbeitungsmöglichkeiten von Rezyklaten geben. Das Team unterzog seine Vorschläge zu Sammlung, Trennung, Aufbereitung, Verwertung und Recycling der Kunststoffabfälle abschließend einem »Realitätscheck« durch Expertinnen des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden. Denn im Klinikalltag darf der nachhaltige Umgang mit Einwegmedizinprodukten weder viel Fläche beanspruchen – dies gilt ganz besonders für die Operationssäle –, noch zu nennenswerter Mehrarbeit führen.

Unsicherheit bei der Sortierung der Abfälle führt häufig zu Fehlern bei der Zuordnung, eigentlich unbedenkliche Kunststoffe werden so dem Recyclingkreislauf entzogen und »vorsorglich« verbrannt. Abhilfe könnte ein einheitliches, vereinfachtes und einrichtungsübergreifendes System für die Kennzeichnung der Abfallbehälter schaffen. Farben oder verständliche Symbole würden die Wahl des richtigen Behälters erleichtern.

Für einen geringeren CO₂-Fußabdruck sollte die Beimischung biobasierter Kunststoffe bei der Aufbereitung von Mischrezyklaten stärker in Betracht gezogen werden, unterstreicht das IWU-Team. Da sie aus Stärke und zuckerhaltigen Pflanzen gewonnen werden, gelten Biokunststoff-Compounds als Kohlenstoffsenke – bei der Müllverbrennung setzen sie kaum fossilen Kohlenstoff frei. Werden außerdem Materialien aus einer Kunststoffgruppe gesondert gesammelt, entstehen weniger Mischrezyklate, was die Herstellung neuer, hochwertiger Kunststoffe erleichtert. Dazu müsste zunächst lediglich ein weiterer Abfallbehälter in den Kliniken aufgestellt werden.

Medizinprodukte werden nach besonders hohen Qualitätsstandards gefertigt. Ein Zwischenziel auf dem Weg zum geschlossenen Materialkreislauf innerhalb des Medizinsektors sollte sein, das aufbereitete Material aus benutzten Gütern anderen Branchen zugänglich zu machen, die weniger stark reguliert sind.

Langfristig könnten automatisierte Trennverfahren für weitere Kunststoffe oder Kunststoffgruppen erarbeitet werden. Neu entwickelte Anlagen sollten dann in einer geschlossenen Prozesskette Abfall in seine Bestandteile trennen und dekontaminieren. Auf dem Klinikgelände installiert, würden diese Anlagen eine händische Sortierung des Abfalls ersetzen. Dem Weiterverkauf der aus dem Prozess generierten Rezyklate stünde nichts im Wege. Allerdings setzt dieser Ansatz weitere Werkstoffforschung voraus.

Die Rückführung gebrauchter Kunststoffe in den Werkstoffkreislauf ist auch mittels rohstofflicher (chemischer) Recyclingverfahren möglich. Dabei wird der Kunststoff in seine einzelnen Bestandteile zerlegt, wodurch die Monomere bzw. Basischemikalien für eine neuerliche Produktion von Kunststoffen zur Verfügung stehen. Voraussetzung für die Weiterverarbeitung solcher Materialien zu Medizinprodukten ist jedoch eine erneute Zulassung. Diese künftig zu erleichtern, ist ein wichtiger Schritt in Richtung geschlossener Wertstoffkreisläufe. Auch für viele weitere Vorschläge gilt: Soll die Recyclingquote bei Einweg-Kunststoffen im Medizinsektor deutlich steigen, muss der rechtliche Rahmen angepasst werden. Denn hoher Infektionsschutz, nach heutiger Rechtslage ein »Treiber« für Plastikmüll in Kliniken, muss nicht in Widerspruch zu einem ressourcenschonenden Umgang mit Kunststoffprodukten stehen.

Zum Whitepaper

Kommentar schreiben

Please enter your comment!
Please enter your name here

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.