Die Jahrestagung der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV) findet in diesem Jahr bereits das zweite Mal voll digital statt. Die ursprünglich als Präsenzveranstaltung geplante Jahrestagung mit sehr guten Anmeldezahlen wurde aufgrund der aktuellen Lage kurzfristig auf komplett digital umgestellt. Auch diesmal standen den Mitgliedern diverse Möglichkeiten der Interaktion ähnlich wie bei einer Präsenzveranstaltung zur Verfügung.
Anlässlich der heutigen Jahrestagung äußerten sich die Spitzenvertreter der BDSV zur aktuellen Lage der Branche, stellten die neue Fraunhofer-IMW-Studie „Schrottbonus Konkret“ (PDF) vor und berichtete über weitere Umweltthemen. Zur Vermittlung der Inhalte der Studie haben Verband und Institut auch ein Video veröffentlicht, das das Thema allgemeinverständlich illustriert. Im Rahmen der ordentlichen Mitgliederversammlung wurden die BDSV Vorstandsmitglieder Präsident Andreas Schwenter, der stellvertretende Präsident Stephan Karle und Schatzmeisterin Stefanie Gottschick-Rieger für die nächsten drei Jahre in ihren Ämtern bestätigt.
Konjunkturelle Rahmenbedingungen der Stahlrecyclingbranche
Nach dem gravierenden, pandemiebedingten Einbruch der Konjunktur im Frühjahr 2020 sorgten im dritten und vierten Quartal 2020 vor allem die Dynamik in der Industrieproduktion und im Baugewerbe für eine rasche Erholung der Wirtschaftsleistung, während die Wertschöpfung im Dienstleistungsbereich durch das Wiederaufflammen des Pandemiegeschehens weiter zurückgegangen ist. Insbesondere das exportorientierte Verarbeitende Gewerbe profitierte von der fortschreitenden Erholung der Weltkonjunktur. In der ersten Hälfte des Jahres 2021 setzte sich die Erholung in der Industrie fort. Diese Zweiteilung der Konjunktur hat sich inzwischen umgekehrt. Weltweite Engpässe bei Vorleistungsgütern lassen die heimische Industrie trotz starker Nachfrage aus dem In- und Ausland nicht richtig in Gang kommen. Die Probleme zeigen sich besonders stark bei Herstellern von Autos und Autoteilen, die zu einem großen Teil des Neuschrottaufkommens beitragen. Die sich weiter zuspitzenden Lieferkettenprobleme der Industrie und die daraus resultierenden Produktionskürzungen z. B. in der Automobilindustrie haben sich bisher jedoch nicht in den Auftragsbüchern der Stahlindustrie niedergeschlagen. Die Rohstahlproduktion in Deutschland ist weiterhin aufwärtsgerichtet. Im Oktober 2021 nahm die Stahlerzeugung im Vergleich zum Vorjahresmonat um 7% auf rund 3,7 Mio. t zu. Im bisherigen Jahresverlauf ist die Produktion um 15% auf 33,6 Mio. t gestiegen und führte zu einem entsprechend höheren Schrottbedarf. Zusätzlich setzten die Stahlwerke aufgrund der steigenden Kosten für CO2-Zertifikate und zur Kompensation der ebenfalls stark gestiegenen Eisenerzpreise mehr Schrott ein. Der hohe Schrottbedarf traf auf ein insbesondere im Neuschrottbereich sehr knappes Angebot. Denn anhaltende Lieferengpässe bei Vorprodukten und Stahl führte teilweise zu Produktionsstopps in der Industrie und damit zu einem verringerten Neuschrottaufkommen. In der Folge ging die Schere zwischen Neuschrott- und Altschrottpreisen weiter auseinander.
Doch während Lieferengpässe den Aufschwung der deutschen Wirtschaft eher vorübergehend dämpfen sollten, drohen die anziehenden Energiepreise und Rohstoffpreise zum Wachstumsrisiko zu werden. Die führenden Wirtschaftsinstitute haben ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr auf 2,4% abgesenkt, im Frühjahr waren sie noch von 3,1% ausgegangen. Die Erwartungen fürs kommende Jahr sind laut BDSV Branchenumfrage auch verhaltener als im letzten Jahr. 40% der befragten Unternehmen gehen von einer Verschlechterung der Geschäftslage aus, während 14% eine Verbesserung erwarten. Zu den drängendsten Problemen zählen die hohen Energiekosten und der Mangel an Fachkräften und Lkw-Fahrern.
Handelshemmnisse durch die Revision der EU-Abfallverbringungsverordnung
Auch Handelshemmnisse durch die Revision der Abfallverbringungsverordnung machen der Branche Sorgen. Die EU-Kommission unterscheidet in ihrem neuen, am 17.11.2021 veröffentlichten Vorschlag nicht zwischen gemischten oder gefährlichen Abfällen und Rohstoffen aus dem Recycling. Daher müssen für den klimafreundlichen Rohstoff Stahlschrott hohen Auflagen bei der Ausfuhr in Drittländer eingehalten werden, wodurch Wettbewerbsnachteile sowohl gegenüber Primärrohstoffen entstehen, die mit einem hohen CO2-Fußabdruck importiert werden. Gravierende Wettbewerbsnachteile sind auch gegenüber Mitwettbewerbern aus Ländern in denen Sekundärmetalle nicht dem Abfallregime unterliegen zu erwarten, wie z. B. den USA, dem zweitgrößten Exporteur weltweit nach der EU. Derzeit werden jährlich über 20 Mio. t Stahlschrott aus der EU in Drittländer verkauft. Um diese Mengen in Europa einsetzen zu können, müssen Kapazitäten erweitert und Herstellungsprozesse verändert werden. Auch wie dies neben der Konzentration auf den Ausbau der Wasserstofftechnologie funktionieren könnte, untersucht die Studie „Schrottbonus konkret“.
Einen ausführlichen Bericht über die Jahrestagung der BDSV lesen Sie in Ausgabe 12/2021 des RECYCLING magazins.