Etwa ein Viertel der im Elektroschrott enthaltenen Materialien sind Kunststoffe. Der Anteil, der wiederverwertet werden kann, ist vergleichsweise gering – der Großteil wird schlichtweg verbrannt. Die Herausforderung beim Recycling besteht in der Identifizierung der Polymertypen, um sie anschließend selektiv sortieren und funktionserhaltend aufbereiten zu können. Forschenden des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF), einem Institut des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), ist es gelungen, durch die Kombination verschiedener Sensoren die spezifische Charakterisierung des jeweiligen Kunststoffs zu bestimmen. Angewendet im Industriemaßstab können so mehr Kunststoffe optimal aufbereitet und dem Kreislauf wieder zugeführt werden.
Nahezu alle elektronischen Altgeräte enthalten auch Kunststoffe, also Polymere. Diese Kunststoffe sind für bestimmte Funktionen spezialisiert. Ziel ist es, sie so zu recyceln, dass sie für gleichwertige Anwendungen wiederverwendet werden können. Dafür müssen sie zunächst identifiziert werden. Die entsprechende typenreine Sortierung stellt eine große Herausforderung für Recyclingunternehmen dar, insbesondere wegen des hohen Anteils an schwarzen Polymeren. Der grob zerkleinerte Elektroschrott landet in den Sortieranlagen der Recycler auf Förderbändern und wird von Infrarotsensoren gescannt. Dabei werden schwarze Kunststoffe nicht erkannt, da die Farbe schwarz die vom Infrarotsensor ausgegebenen Wellenlängen absorbiert. Folglich werden insbesondere die schwarzen Kunststoffe oft verbrannt. Ein weiteres Problem stellt das Downcycling dar, das heißt eine Verschlechterung der Qualität des wiederaufbereiteten Abfalls im Vergleich zum ursprünglichen Material. Ein erfolgreiches Recyclingverfahren muss sicherstellen, dass die polymerspezifischen Funktionalitäten erhalten bleiben, um den Einsatz bei gleichbleibender Qualität zu ermöglichen.
Wissenschaftler*innen des HIF haben 23 Polymere mit bildgebenden und punktuell messenden Spektralsensoren untersucht und die entscheidenden Parameter zur sicheren und robusten Unterscheidung der Typen identifiziert. Eine zusätzliche Herausforderung stellt die hohe Geschwindigkeit dar, mit der sich die Polymere auf dem Förderband bewegen. Die Sensoren müssen die Bestandteile entsprechend schnell erfassen und charakterisieren, um den Weg für die optimale Weiterverarbeitung zu finden. „Um das Leistungspotenzial der Sensoren bewerten zu können, müssen sie unter den in Recyclinganlagen herrschenden Betriebsbedingungen eingesetzt werden. Am HIF haben wir eine Förderband-Teststrecke, auf der sich die Materialien mit bis zu einem Meter pro Sekunde bewegen und von den verschiedenen Sensoren gescannt werden“, erläutert HIF-Wissenschaftlerin Dr. Andréa de Lima Ribeiro das Untersuchungsverfahren.
Auf die richtige Kombination kommt es an
Gearbeitet wurde mit hyperspektralen Bildsensoren (HSI), die Bilddaten mit mehreren hundert Farbkanälen erfassen. Außerdem wurde Raman-Spektroskopie eingesetzt, bei der das Material mit einem Laser bestrahlt wird, um eine materialspezifische Lichtstreuung zu erzeugen. Das resultierende Spektrum lässt Rückschlüsse auf das untersuchte Material zu. Weiterhin wurde ein FTIR-Spektrometer (Fourier-Transformations-Infrarotspektrometer) eingesetzt, welches sich durch hohe spektrale Auflösung und den weiten Detektionsbereich auszeichnet. Der FTIR-Detektionsbereich wurde durch ein hochauflösendes Spectroradiometer im sichtbaren bis kurzwellen-Infrarot ergänzt. Beide manuelle Punktsensoren erlaubten die erfolgreiche Validierung der Ergebnisse aus den bildgebenden Sensoren. „Die Untersuchung hat gezeigt, dass keiner der Sensoren allein in der Lage ist, alle Kunststoffverbindungen zu identifizieren und gleichzeitig die betrieblichen Anforderungen der Industrie zu erfüllen. Die Ergebnisse belegen die gute Eignung von HSI Sensoren für die spezifische Identifizierung von transparenten und hellen Kunststofftypen. Die Raman-Spektroskopie ermöglichte die Identifizierung aller Polymere und repräsentativen Messpunkte, unabhängig von dem Vorhandensein von schwarzen Pigmenten. Die Experimente zeigten zudem die erfolgreiche Typenbestimmung auch bei kurzen Signal-Integrationszeiten von 500 Millisekunden. Die optimale Charakterisierung der Kunststoffe wird mit der Kombination aus Bildgebung und Punktmessungen erreicht“, fasst de Lima Ribeiro die Ergebnisse zusammen.
Verfahren wird bereits beim Recycling von Automobilteilen angewendet
Anwendung findet die sensorbasierte Kunststoffcharakterisierung bereits im Projekt Car2Car, an dem das HIF beteiligt ist. Ziel des Projekts ist es, für die wichtigsten Werkstoffgruppen im Automobil (Stahl, Aluminium, Glas, Kunststoff und Kupfer) automatisierte Materialerfassungskonzepte zu entwickeln, um eine sortenreine Trennung und Aufbereitung dieser Sekundärrohstoffe voranzubringen. „Metalle und Kunststoffe kommen in Altprodukten oft eng miteinander verbunden vor. Daher haben wir die Sensorik so weiterentwickelt, dass sie Metalle und Polymere zum einen voneinander unterscheidet und zum anderen die prozessrelevante Differenzierung in Typen ermöglicht. Für die Wiederverwendung der in Altfahrzeugen enthaltenen Rohstoffe ist das von wesentlicher Bedeutung“, erläutert Dr. Margret Fuchs, Wissenschaftlerin im Bereich optische Sensoren und Sensorsysteme am HIF. Grundlage für die Anwendung der spezifischen Sensoren sind die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt RAMSES-4-CE, bei dem Multisensorsysteme für die schnelle Identifizierung kritischer Verbindungen hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit und Genauigkeit untersucht wurden.