Nachhaltiges Wirtschaften ist (nicht nur) für Bayern Auftrag

Knapp ein Jahr nach Inkrafttreten der EBV beschäftigt die Baustoffrecyclingbranche immer noch viele Fragen zu deren regelkonformer Umsetzung.
Foto: Manfred Antranias-Zimmer; pixabay.com

Nicht zuletzt aufgrund unterschiedlicher Auslegungen im Vollzug. Aktuelle Entwicklungen und Hilfestellungen hierzu sowie neue Ansätze, um die nach wie vor überwiegend Sekundärbaustoff-benachteiligende Ausschreibungspraxis der öffentlichen Hand endlich in die richtige Richtung zu lenken, gehörten zu den Schwerpunktthemen auf dem Baustoff Recycling Forum am 17. Juli in Ingolstadt.

Nach der Begrüßung der über 200 Teilnehmenden durch den am Vortrag wiedergewählten ersten Präsidenten des Baustoff Recycling Bayern, Matthias Moosleitner, ging MDgn Dr. Monika Kratzer vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz in ihrem Vortrag zunächst auf aktuelle gesetzliche Initiativen und Entwicklungen der Branche mit besonderem Blick auf den Freistaat Bayern ein.

Bayern setzt auf pragmatische Regelungen über FAQ

Die über die EBV angestrebte Harmonisierung im Vollzug innerhalb eines Bundeslandes und auch zwischen den Bundesländern hat bislang leider nicht stattgefunden. Zum Verordnungstext der EBV gibt es oft sehr unterschiedliche Auslegungen, so Kratzer. In Bayern werde man, um einen möglichst einheitlichen, klaren und praktikablen Vollzug der Verordnung zu unterstützen, die bestehenden FAQ zur EBV weiter fortschreiben. Auch die auf Bundesebene umstrittene bayerische Lösung zum Abfallende habe sich als sehr pragmatisch herausgestellt und funktioniere, hob Kratzer hervor. Allerdings werde man in Bayern die LAGA M 23 in der derzeitigen Form nicht einführen, sondern Regelungen zum Thema Asbest in FAQ formulieren, die voraussichtlich schon im Herbst veröffentlicht werden. Zudem strebe man in Bayern die Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren zur Genehmigung von BImSchV-Anlagen an. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass die bestehenden BIMSch-Verordnungen zunächst entschlackt werden, machte Kratzer deutlich.

Nachhaltigkeitsauftrag – auch für die öffentliche Vergabepraxis

Auch auf die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand zur Förderung des Einsatzes von Sekundärbaustoffen ging Dr. Kratzer ein, für die zum 01.09.2024 ein Positionswechsel als künftige Präsidentin des Bayerischen Landesamtes für Umwelt ansteht: „Nachhaltiges Wirtschaften ist für Bayern Auftrag“, erklärte Kratzer. Es gäbe bereits einige erfolgreich umgesetzte Beispiele, die zeigten, dass in Bayern langsam ein Umdenken in der Ausschreibungspraxis der Öffentlichen Hand beginne. Das sei aber noch nicht genug: „Alle Akteure müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen endlich anerkennen und ihr Handeln danach ausrichten“, lautete Kratzers Appell.

Ausschreibungstexte für Entsorgungsleistungen, die den im Abfallrecht festgelegten Verwertungsvorrang nicht berücksichtigen, sind nicht rechtmäßig, führte Rechtsanwalt Gregor Franßen zum rechtlichen Hintergrund aus. „Bei der Beschaffung von Leistungen, insbesondere auch von Baustoffen, ist die Öffentliche Hand über das Kreislaufwirtschaftsgesetz und die länderspezifischen Abfallgesetze verpflichtet, Sekundärbaustoffen den Vorzug zu geben“, hob Franßen hervor. In der Praxis scheitere die Wirksamkeit dieser Verpflichtung in fast allen Bundesländern aber vor allem daran, dass diese nicht von Dritten einklagbar sei. Die einzige Ausnahme bilde hier das bayerische Abfallgesetz, mit einer justiziablen und damit einklagbaren Vorgabe, bei Ausschreibungen möglichst Erzeugnisse einzusetzen, die aus Abfällen hergestellt wurden.

Dass in puncto nachhaltiger öffentlicher Ausschreibungsunterlagen noch viel Handlungsbedarf besteht, bestätigte zudem Dipl.-Ing. Thomas Hölzl vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bauen und Verkehr. Mit den bautechnischen Regelungen und den umwelttechnischen Anforderungen in der EBV seien zwar alle formalen Voraussetzungen für den Einsatz von Ersatzbaustoffen geschaffen. Jedoch müsse noch viel Informations- und Überzeugungsarbeit in den Beschaffungsämtern geleistet sowie organisatorische Strukturen und Verfahrensweisen angepasst werden, um die Umsetzung der EBV und die Sekundärbaustoff-freundliche öffentliche Ausschreibungspraxis weiter voranzutreiben.

Neue Impulse für Sekundärbaustoff-freundliche Ausschreibungen in Bayern

In Bayern wolle man künftig mit dem zusätzliches Wertungskriterium „Wiederverwertung von Baustoffen“ in Ausschreibungsunterlagen einen weiteren Impuls zur Förderung des Einsatzes von Sekundärbaustoffen setzen, erklärte Hölzl. Damit soll die Punktzahl und entsprechende Gewichtung für eine Angebotsbewertung steigen, je höher der prozentuale Anteil der eingesetzten Ersatzbaustoffe ist. Zudem sollen künftig Sanktionierungen möglich sein, wenn angebotene Leistungen bei der späteren Bauausführung hinsichtlich des Recyclinganteils aus Gründen, die der Auftragnehmer zu verantworten hat, nicht erfüllt werden. Auch Nebenangebote sollen zugelassen werden, um die Innovationskraft der Unternehmen zu stärken, informierte Hölzl.

Rechtssichere Mustertexte der Verbände zur Unterstützung der ausschreibenden Stellen

„Narrative über Sekundärbaustoffe wie „schlechte Qualität“ oder „mangelnde Verfügbarkeit“ sind schlichtweg falsch. QUBA-zertifizierte Sekundärbaustoffe sind den Primärbaustoffen aus bau- und umwelttechnischer Sicht vollkommen gleichwertig, deutschlandweit verfügbar, und können in Bayern darüber hinaus über alle Materialklassen hinweg als Produkte in Verkehr gebracht werden“, erklärte QUBA-Geschäftsführer Thomas Fischer. Um die ausschreibenden Stellen bei der Formulierung rechtssicherer Ausschreibungsunterlagen zu unterstützen, werden die Partnerverbände Baustoff Recycling Bayern und bvse in Kürze Mustertexte zur Baubeschreibung und, orientiert am Standard-Leistungskatalog, für die einzelnen Leistungspositionen im Straßen und Erdbau veröffentlichen, kündigte Stefan Schmidmeyer, Geschäftsführer der beiden Partnerverbände Baustoffrecycling Bayern und bvse, an.

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