„Während sich in anderen Wirtschaftsbereichen das Gründungsgeschehen abgekühlt hat, ist die Dynamik der Start-up-Szene in der Umwelttechnologiebranche ungebrochen hoch“, freut sich Stefan Rummel. Der Geschäftsführer der Messe München führt dies hauptsächlich auf die langfristige, existentielle Bedeutung der bearbeiteten Themenfelder zurück. „Die Lösung der globalen Umweltprobleme – wie der Klimawandel und seine Folgen, verschmutzte Meere und Wassermangel oder wachsende Abfallberge und schwindende natürliche Ressourcen – gehört zu den großen Menschheitsaufgaben und bietet einen geradezu unbegrenzten Raum für innovative Ideen und neue Geschäftsmodelle“, ist sich Rummel sicher.
Start-up Area für internationale Jungunternehmen
Folgerichtig erhalten Jungunternehmen auf der IFAT Munich 2024 erneut ein breites Forum. So weist die Weltleitmesse für Umwelttechnologie zwischen dem 13. und 17. Mai dieses Jahres in Halle C4 wieder eine Start-up-Area aus. In dem gesonderten Ausstellungsbereich stellen sich rund 50 Nachwuchsfirmen aus über 15 Nationen vor. Dazu gehört etwa das norwegische Unternehmen Renasys, das mit einer neuartigen mechanischen Filtration die Abwasseraufbereitung revolutionieren will. „Unser Verfahren bietet beispiellos hohe Durchflussraten für Filtrationsstufen von 40 bis 5 Mikrometer“, erläutert Christopher Sveen, Mit-Gründer und Geschäftsführer bei Renasys, und fährt fort: „Damit erreichen wir nicht nur eine überragende Effizienz bei der Partikelentfernung, sondern leisten auch Pionierarbeit bei der Rückgewinnung von Ressourcen, zum Beispiel von organischen Stoffen aus kommunalen Abwässern oder von Mineralien aus dem Bergbau.“ Sein Ziel ist es, auf der IFAT weitere langfristige Partnerschaften zu schmieden, um gemeinsam einige der weltweit dringendsten ökologischen Herausforderungen anzugehen.
Die IFAT 2024 markiert ferner den Markteinstieg von Solar Materials. Das Magdeburger Start-up hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit seiner patentierten Technologie Solarmodule vollständig zu recyceln. „Dabei werden nicht, wie bisher branchenüblich, nur Glas, Aluminium und Kupfer zurückgewonnen, sondern auch der kritische Rohstoff Silizium und das Edelmetall Silber“, beschreibt Mit-Gründer Dr.-Ing. Jan-Philipp Mai. Nach seinen Worten sinken durch diese Wertschöpfung die Recyclinggebühren für Kunden wie Solarparkbetreiber und Modulhersteller. Aktuell verfügt das Unternehmen über eine jährliche Recyclingkapazität von bis zu 150.000 Modulen, die bereits im Jahr 2025 auf 500.000 Module ausgebaut werden soll.
Der „weltweit effizienteste und vertrauenswürdigste Marktplatz für Sekundärmetalle“ zu werden, ist derweil der Plan des im Jahr 2022 in Köln gegründeten Jungunternehmens Metycle. Die digitale Plattform ermöglicht Verkäufern und Käufern den Handel mit allen Arten von Metallen und Mischmetallen. Metycle managt dabei die gesamte Handelskette, sodass Schrotthändler und Metallsammler nicht selbst in Kontakt mit Recyclingunternehmen und Schmelzhütten treten. Die jeweiligen Parteien des Geschäfts können die Lieferkette in Echtzeit online verfolgen.
Vier Vortragsblöcke auf der Green Stage
Als weiteres Informations- und Networkingangebot ist in die Start-up-Area unter dem Namen „Green Stage“ eine Aktionsfläche für Ausstellervorträge, Präsentationen von Verbänden und Partnerinstitutionen sowie wissenschaftlich orientierte Diskussionsrunden integriert. An den Vormittagen der vier ersten Messetage stehen hier jeweils rund zweistündige Vortrags- und Diskussionsblöcke zu für die Gründerszene besonders relevanten Themen auf dem Programm. So werden am Beispiel der automatisierten Demontage das Ende der linearen Wirtschaft und die Chancen von Industrie-Kollaborationen beleuchtet, während anhand des Bausektors aktuelle Ansätze für eine optimierte Kreislaufwirtschaft präsentiert und diskutiert werden. Weitere Schwerpunkte sind die technischen Umsetzungsmöglichkeiten aus der Bioökonomie sowie die Zusammenarbeit von Start-ups mit dem öffentlichen Sektor.
Weitere Start-ups auf dem übrigen Messegelände
„Mit der Start-up Area erleichtern wir Jungunternehmen den Marktzugang und bieten einen ‚Verdichtungsraum der Gründerszene‘ an, aber selbstverständlich finden sich auch unter den sonstigen Ausstellern unserer 18 Hallen und des Freigeländes viele weitere spannende Newcomer“, betont Philipp Eisenmann, Exhibition Director der IFAT.
Erstmalig und direkt als Hauptaussteller in Halle B5, Stand 124 dabei ist WeSort.AI. Innerhalb von nur zweieinhalb Jahren entwickelte sich das im Jahr 2021 gegründete Würzburger Unternehmen von einer vielversprechenden Idee zu einem beachteten Akteur in der Recyclingbranche. Spezialisiert auf die granulare Analyse und Sortierung von Abfallobjekten mittels Künstlicher Intelligenz (KI) und Objekterkennung, revolutioniert WeSort.AI die Abfallwirtschaft. „Mit unserer Lösung erschließen wir neue Fraktionen und erreichen bislang unerreichte Reinheiten“, erklärt Co-Founder Nathanael Laier und fährt fort: „Ein Highlight unserer Technologie, das Produkt ‚BatterySort‘, leistet einen wesentlichen Beitrag zur Brandprävention in Sortieranlagen. Wir werden dieses auf der IFAT auch auf der Green Stage in einem Vortrag vorstellen.“ Die Technologie ist bereits erfolgreich bei verschiedenen Recyclern in Deutschland im Einsatz; 2024 werden weitere KI-Analyse- und Sortiermaschinen installiert.
Welche hervorragenden Entwicklungen ehemalige Nachwuchsfirmen nehmen können, zeigt das Beispiel von Greyparrot. Das britische Unternehmen präsentierte schon bei der letzten IFAT 2022 – damals noch als Teil der Start-up-Area – sein innovatives System, das mittels KI und maschinellem Lernen den Abfallsortierungsprozess optimiert. Auch in diesem Jahr ist Greyparrot wieder in München dabei, dieses Mal jedoch als „regulärer“ Aussteller in Halle B4, Stand 137. „In den vergangenen zwei Jahren ist es bei uns auf vielen Feldern massiv vorangegangen – von der Erweiterung unserer Abfallerkennungsbibliothek auf mehr als 70 Kategorien über die Installation von über 100 Greyparrot-Analyzers in 14 Ländern bis hin zu unserer kürzlich angekündigten strategischen Partnerschaft mit Bollegraaf, dem weltweit größten Hersteller von Recyclinganlagen“, berichtet Mikela Druckman. Und die CEO von Greyparrot blickt weiter nach vorn: „Fortschritte bei der Bewältigung der globalen Abfall- und Ressourcenkrise können nur erzielt werden, wenn wir zusammenarbeiten. Wir freuen uns daher erneut auf die IFAT, um herauszufinden, wie unser System die internationalen Hauptakteure des Recyclingsektors noch weitgreifender unterstützen kann.“