Frau Edl, welche Bedeutung hat das chemische Recycling für die OMV?
Chemisches Recycling hat für uns vor allem als Ergänzung zum mechanischen Recycling einen hohen Stellenwert und ist Bestandteil der OMV-Strategie 2030. Wir begegnen damit der wachsenden Nachfrage nach recycelten Polyolefinen. Wir haben schon 2009 ein Verfahren im Labormaßstab entwickelt, das mittlerweile patentiert ist. Seit 2018 ist unsere Pilotanlage ReOil 100, welche in unsere Raffinerie in Schwechat integriert ist, in Betrieb. Wir werden dort noch in diesem Jahr mit unserer nächstgrößeren Anlage ReOil 2000 in Betrieb gehen. Diese Anlage hat eine Verarbeitungskapazität von 16.000 Tonnen Altkunststoff pro Jahr, was dem 20-fachen der Pilotanlage entspricht. Der nächste Schritt wird das Upscaling zu einer kommerziellen Anlage auf eine Kapazität von bis zu 200.000 Tonnen pro Jahr sein. Darüber hinaus haben wir auch im vorigen Jahr mit dem Technologieanbieter Wood eine Absichtserklärung für die kommerzielle Lizensierung unserer ReOil-Technologie unterzeichnet, um auch den weltweiten Einsatz für zukünftige Kreislauflösungen zu ermöglichen.
Für welche Altkunststoffe eignet sich diese Recyclingmethode besonders?
Wir konzentrieren uns auf Polyolefine. Konkret auf Polyethylen, Polypropylen und Polystyrol. Das sind jene Kunststoffe mit dem höchsten Marktanteil. Da wir keinesfalls in Konkurrenz zum mechanischen Recycling treten wollen, beschäftigen wir uns mit den Altkunststoffen, die mit den bestehenden Verfahren im mechanischen Recycling nicht verarbeitet werden können, weil sie beispielsweise einen zu hohen Verschmutzungsgrad aufweisen. Diese Stoffe gehen heute in die thermische Verwertung. Wir haben im chemischen Recycling auch noch den Vorteil, dass wir keine sortenreinen Ströme benötigen, sondern auch Mischkunststofffraktionen verarbeiten können. Mit unseren ReOil-Anlagen fokussieren wir uns bei diesen Mischkunststoffen auf Folienmaterial.
Welchen ökologischen Nutzen hat das chemische Recycling?
Wir haben im vorigen Jahr ein Lifecycle-Assessment durchgeführt und dabei das chemische Recycling der thermischen Verwertung gegenübergestellt. Dieses LCA hat für das Jahr 2030 gezeigt, dass 34 Prozent der Treibhausgasemissionen eingespart werden können, wenn die beschriebenen Abfallströme, welche aktuell in die Verbrennung gehen, mit der ReOil-Technologie chemisch recycelt würden. Das beweist, dass chemisches Recycling, als zusätzliche Technologie zu den bestehenden Verfahren, einen wertvollen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten kann. Die OMV-Gruppe hat auch mechanische Recyclinganlagen in ihrem Portfolio – wir sehen den Mehrwert in dem komplementären Einsatz von unterschiedlichen Recyclingtechnologien. Mit dem chemischen Recycling wollen wir die Lücke in der Kreislaufwirtschaft schließen, die derzeit besteht, da nicht alle Abfallströme mechanisch sinnvoll recycelt werden können und somit einer thermischen Verwertung zugeführt werden.
Wo bekommt die OMV die nötigen Stoffströme her?
Bei der Feedstock-Beschaffung arbeiten wir mit Abfallunternehmen sowohl in Österreich als auch im benachbarten Ausland zusammen. Warum auch im Ausland? Wir wollen, wie gesagt, nicht in Konkurrenz zu mechanischen Recyclern treten. Dies und die Größe der künftigen Anlage erfordert es, dass wir den Radius bei der Beschaffung von Kunststoffabfall erweitern.
Welche Herausforderungen sind noch zu überwinden?
Aus unserer Sicht ist die größte Herausforderung die Zusammensetzung des Feedstock, welche sehr heterogen ist. Wir reden von Abfallströmen mit hohem Verschmutzungsgrad, der aber je nach Quelle auch variieren kann. Die Herausforderung ist, zu verstehen, wie sich diese unterschiedlichen Feedstock-Zusammensetzungen auf den chemischen Recyclingprozess, aber auch die daraus entstehenden Pyrolyseöle auswirken. Mit diesem Verständnis können wir Prozessverbesserungen entwickeln, um vor allem die Ausbeute zu erhöhen. Denn die Erhöhung des Outputs ist wichtig, damit wir sicherstellen, dass ein Großteil des Ausgangsmaterials zu neuem Kunststoff verarbeitet wird und der Prozess wirtschaftlich tragfähig ist.
In welchem Verhältnis sollten mechanisches und chemisches Recycling idealerweise stehen?
Es ist schwer, ein bestimmtes Verhältnis anzugeben. Klar ist aber, dass man eine Kombination aus verschiedenen Recyclingtechnologien braucht, um zukünftig eine Kreislaufwirtschaft etablieren zu können. Die EU gibt überdies klare Recyclingziele vor: Bis 2025 soll die Recyclingquote für Kunststoffverpackungen auf 50 Prozent und bis 2030 auf 55 Prozent gehoben werden. 2020 wurden im EU-Schnitt rund 38 Prozent der Plastikverpackungen recycelt. Um diesen Gap zu schließen, ist es notwendig, die Technologie des chemischen Recyclings komplementär zu bestehenden Recyclingtechnologien einzusetzen – vor allem dort, wo mechanische Verfahren nicht mehr zur Anwendung gebracht werden können.
Warum integriert die OMV ihre Anlage zum chemischen Recycling am Raffineriestandort Schwechat?
Aus einer wirtschaftlichen Sicht, sowie aus einer ökologischen Sicht ist es sinnvoll chemische Recyclinganlagen in vorhandene Raffinerie- und Petrochemiestandorte zu integrieren. Einerseits um bestehende Assets bestmöglich weiter nutzen zu können und andererseits um die dort bereits implementierten hohen Sicherheitsstandards auch auf neue Anlagen leicht ausweiten zu können. Sicherheitsstandards sind für uns als OMV ganz wesentlich und dadurch, dass unsere ReOil Anlagen in die Raffinerie eingebettet sind, unterliegen auch sie höchsten Sicherheitsstandards.