Nur noch Mittelmaß?

Innovationen sind notwendig, um Wachstum zu generieren. Gleichzeitig sind sie notwendig, um zentrale Zukunftsaufgaben wie die Dekarbonisierung zu lösen.
Foto: jorono; pixabay.com

Der „Innovationsindex 2023“ von BDI, Fraunhofer ISI, Roland Berger und ZEW zeigt, wie es um Innovationen in 35 Volkswirtschaften bestellt ist. Klar ist: Deutschland gehört bei Innovationen nicht zur Weltspitze.

Der Index wurde für 2023 angepasst, um aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen Rechnung zu tragen. Eine direkte Vergleichbarkeit mit früheren Zahlen ist daher nicht mehr gegeben. Drei Aspekte stehen im Mittelpunkt: Innovationen hervorbringen, Zukunftsfelder mit Schlüsseltechnologien erschließen und nachhaltig wirtschaften.

Innovationsfähigkeit

Der Indikator soll abbilden, wie Innovationen generiert, eingeführt und produktiv genutzt werden. Demnach ist die Schweiz mit einem Indexwert von 71 Punkten das Land mit der höchsten Innovationsfähigkeit. Es folgen Singapur mit 65 und Dänemark mit 60 Punkten. Auch die weiteren Plätze werden von eher kleineren Volkswirtschaften belegt. Erst auf den Plätzen 9 und 10 folgen mit Südkorea (48 Punkte) und Deutschland (45 Punkte) größere Volkswirtschaften. „Die hohe Bewertung kleinerer Volkswirtschaften zeigt, dass es ihnen leichter fällt, einen größeren Teil der verfügbaren personellen und finanziellen Ressourcen für die Schaffung und wirtschaftliche Nutzung neuen Wissens einzusetzen“, heißt es in dem Bericht. Die drei Länder an der Spitze des Index würden sich durch hohe Investitionen in ein leistungsfähiges Wissenschaftssystem auszeichnen. Zudem gebe es enge Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.

Deutschland weist im Vergleich zu vielen anderen Staaten eine geringere Dynamik auf. Der Indexwert habe sich in den vergangenen 15 Jahren kaum verändert. „Dies deutet auf ein stabiles Innovationssystem hin, das in einem sich rasch wandelnden und durch verschiedene Krisen gekennzeichneten globalen Umfeld seine Standortvorteile verteidigen konnte, jedoch wenig Dynamik entfaltet hat“, heißt es im Bericht.

Die wirtschaftlichen Erträge von Innovationen seien in Deutschland gut, Probleme gebe es bei den Fachkräften. Schwach sei Deutschland auch bei Risikokapitalinvestitionen. „Hierin spiegelt sich, dass in Deutschland nur sehr wenige Unternehmen Grundlagenforschung betreiben. Die FuE-Aktivitäten der Wirtschaft sind stark auf umsetzungsnahe Projekte ausgerichtet.“

Dies sichert eine gute Position bei der Umsetzung in Markterfolge, erschwert aber den Einstieg in neue Innovationsthemen.

Um die Innovationsstärke Deutschlands zu erhalten, sei eine gleichmäßige Entwicklung des Innovationssystems wichtig. Dies solle unter anderem durch mehr Mittel für Forschung und Entwicklung erreicht werden. Insgesamt müsse die Effizienz gesteigert werden. Konkret wird empfohlen, das Fachkräftepotenzial optimal zu nutzen und auszubauen. Da das Fachkräftepotenzial in Deutschland nicht ausreiche, sei die Zuwanderung von Fachkräften unverzichtbar. Die zweite Forderung betrifft Existenzgründungen, die mit geeigneten Instrumenten unterstützt werden sollen. Und schließlich müssten der Wissenstransfer und die Verbreitung von Technologien gestärkt werden.

Schlüsseltechnologien

Unter Schlüsseltechnologien werden Technologien verstanden, die in vielen Wirtschaftszweigen die Grundlage für neue Produkte bilden, den technologischen Wandel ermöglichen und die großen Herausforderungen der Gegenwart adressieren. Konkret sind dies: digitale Hardware, digitale Vernetzung und softwarebasierte Anwendungen, neue Produktionstechnologien, Energietechnologien, neue und fortgeschrittene Werkstoffe, Biotechnologie und Kreislaufwirtschaft.

Spitzenreiter ist Finnland mit 47 Punkten, gefolgt von der Schweiz und Japan (jeweils 45 Punkte) sowie Dänemark, China und Singapur (jeweils 44 Punkte). Deutschland liegt mit 43 Punkten auf Platz 7, droht aber in einigen Schlüsseltechnologien zurückzufallen, weil andere Länder mehr investieren und sich stärker engagieren. „Vor allem scheint es Deutschland nicht zu gelingen, die Schwächen im Schlüsseltechnologieportfolio zu verbessern. Dies gilt insbesondere für die Biotechnologie.“ Insgesamt sei die deutsche Dynamik nicht zufriedenstellend.

Bei der digitalen Hardware führt Japan (59 Punkte) vor China und Singapur (jeweils 50 Punkte). Deutschland liegt mit 43 Punkten auf Platz 6. „Deutschland kann als vielleicht wichtigster verbliebener Produktionsstandort in Europa (zum Beispiel Silicon Saxony) einmal mehr durch einen positiven Handelsbilanzsaldo auch bei digitaler Hardware, durch nennenswerte Indexwerte im Bereich der wissenschaftlichen Publikationen sowie im Bereich Markenanmeldungen punkten.“

Kritisiert werden die Patentintensität und die absolute Zahl der Patente. Diese sind jedoch die zentrale Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Technologiefeld.

Bei der digitalen Vernetzung führt China (50 Punkte) vor Finnland und der Schweiz (jeweils 49 Punkte). Deutschland liegt hier mit 41 Punkten auf Platz 10. Lediglich bei der absoluten Größe der Exporte konnte ein Spitzenplatz erreicht werden. „Insgesamt müsste Deutschland vor dem Hintergrund seiner Faktorausstattung und Wirtschaftsgröße im Bereich der digitalen Vernetzung deutlich mehr investieren, wenn es in diesem Technologiefeld an der Weltspitze mitspielen will.“

Besser sieht es bei den neuen Produktionstechnologien aus. Hier liegt Deutschland mit 57 Punkten an der Spitze, gefolgt von der Schweiz (56 Punkte) sowie Japan und Finnland (jeweils 52 Punkte). Dies sei vor allem auf Stärken bei Patenten, Außenhandel und Marken zurückzuführen. Schwächen sieht der Bericht vor allem bei Softwarepatenten, wo es noch Verbesserungspotenzial gebe.

Mit 48 Punkten liegt Deutschland bei den Energietechnologien an dritter Stelle hinter Dänemark (65 Punkte) und China (49 Punkte). China hat sich in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich aus dem Mittelfeld nach oben gearbeitet.

Bei den neuen Werkstoffen liegt Japan mit 62 Punkten an der Spitze, gefolgt von Finnland (50 Punkte), Südkorea und China (jeweils 49 Punkte) und Deutschland mit 44 Punkten. Der deutsche Gesamtwert ergibt sich aus positiven Werten bei allen Einzelindikatoren, allerdings wird bei keinem Indikator ein Spitzenwert erreicht.

Deutlich schlechter sieht es bei der Biotechnologie aus, wo Deutschland mit 27 Punkten nur Rang 14 erreicht. Spitzenreiter ist Dänemark (61 Punkte), gefolgt von Singapur (56 Punkte) und der Schweiz (53 Punkte). Seit 2015 hat Deutschland hier deutlich an Boden verloren. Der relativ niedrige Indexwert würde normalerweise nur für eine schlechtere Platzierung ausreichen. In der Biotechnologie hätten sich die führenden Volkswirtschaften jedoch deutlich von den anderen Ländern abgesetzt. Die Position Deutschlands sei daher nicht auf eine zufriedenstellende technologische Leistungsfähigkeit zurückzuführen. „Keiner der betrachteten Indikatoren hat sich in Deutschland nennenswert positiv entwickelt“, heißt es.

In der Kreislaufwirtschaft erreicht Deutschland mit 53 Punkten immerhin Platz 2 hinter Finnland (54 Punkte). Auf Platz drei folgt Dänemark mit 48 Punkten. Allerdings lag Deutschland seit 2014 auf dem ersten Platz. „Die deutsche Position an der Spitze begründet sich über Stärken bei Patenten und Marken, aber auch beim Handel mit Kreislaufwirtschafts-Technologien. Bei wissenschaftlichen Publikationen in diesem Bereich kann Deutschland hingegen weder absolut noch relativ punkten. Auch bei computer-implementierten Erfindungen unter den Patentanmeldungen ist Deutschland gegenüber anderen Ländern zurückgefallen“, heißt es im Bericht.
Schlüsseltechnologien seien entscheidend für neue Technologien und Innovationen in vielen Branchen.

Sie seien oft auch die Basis für neue Märkte, heißt es weiter. Als eine Maßnahme wird die Stärkung der Technologiesouveränität zum Aufbau von Wertschöpfungsnetzwerken empfohlen. Außerdem soll die Förderung von Schlüsseltechnologien ausgebaut werden – auch auf europäischer Ebene. Schließlich soll eine gezielte Technologiefokussierung durch Bottom-up-Prozesse sichergestellt werden.

Nachhaltig wirtschaften

Die Schweiz (Rang 11, 40 Punkte) und Singapur (Rang 23, 27 Punkte), die beim Indikator Innovationsfähigkeit vorne liegen, schneiden hier relativ schlecht ab. Deutschland erreicht zwar bei keinem der Indikatoren einen Spitzenwert, weist aber auch keine Ausreißer nach unten auf. „Das unterstreicht, dass das deutsche System in seiner Breite auf Nachhaltigkeitsthemen ausgerichtet ist.“ Bei einigen wichtigen Indikatoren gebe es aber deutliches Verbesserungspotenzial.

Nachhaltigkeit sei eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und auch wirtschaftlich relevant. Deshalb wird empfohlen, Nachhaltigkeit mit neuen Technologien zu fördern. Es sollen zirkuläre Geschäftsmodelle aufgebaut werden, die sowohl auf neuen Technologien basieren, als auch den Umbau ganzer Wertschöpfungsketten erfordern können. Schließlich sollen nachhaltigkeitsorientierte Märkte geschaffen werden. Hier sieht der Bericht vor allem die öffentliche Beschaffung in der Pflicht.

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