Herr Schofer, welchen Beitrag kann das chemische Recycling zur Kreislaufwirtschaft leisten?
Grundsätzlich wohl einen großen. Aber es geht nur zusammen mit dem mechanischen Recycling. Und es geht nur dann, wenn sich die Kreislaufwirtschaft nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern in der ganzen Welt durchsetzt. In vielen Teilen der Welt gibt es aber bislang keine oder nur fragmentarische Abfallsammelsysteme, Pfandsysteme und dergleichen, um überhaupt einen hinreichenden Abfallstrom für das Recycling zu bekommen. Momentan springen immer mehr große Konzerne auf den Zug des chemischen Recyclings auf. Die sind alle international aufgestellt. Da gibt es Hoffnung, dass diese viel zur Durchsetzung der notwendigen Infrastruktur in allen Teilen der Welt beitragen werden.
Das chemische Recycling hat ein Riesenpotenzial. Die Ergebnisse, die man bis jetzt erzielt hat, sind sehr vielversprechend. Dennoch steckt das chemische Recycling noch in den Kinderschuhen, während das mechanische schon etabliert ist. Chemisches Recycling hat insbesondere deshalb Potenzial, weil es viele Kunststoffe gibt, die man mechanisch nicht mehr aufbereiten kann, und es werden immer mehr hinzukommen. Beispielsweise im Baubereich, wenn man an die vielen gemischten Kunststoffe denkt, die bei einem Häuserabriss zutage treten. Oder an die Automobilindustrie. Und deshalb muss das chemische Recycling einen großen Teil zur Kreislaufwirtschaft beitragen.
Wo ist das chemische Recycling dem mechanischen überlegen?
Der große Vorteil von chemischem Recycling gegenüber dem mechanischen ist, dass man damit alle Arten von Kunststoff recyceln kann. Man braucht keine sortenreinen Stoffströme mehr, wie beim mechanischen Recycling – etwa ausschließlich Polyethylen oder Polypropylen. So können mit chemischem Recycling auch Verbundstoffe recycelt werden. Voraussetzung ist aber, dass man einen großen Stoffstrom hat, denn nur dann kann das Verfahren wirtschaftlich betrieben werden. Es sind bereits einige große Anlagen für das chemische Recycling mit Durchsätzen von bis zu 25 Tonnen pro Stunde in der Planung.
Auf welche Recycling-Methode setzt der Maschinenbauer Coperion vorrangig?
Wir als Maschinenbauer haben es uns zum Ziel gesetzt, die Kunststoffindustrie auf ihrem Weg zur Kreislaufwirtschaft bestmöglich zu unterstützen. Wir entwickeln Lösungen für das chemische Recycling, mechanische Recycling und sogar noch für viele weitere Verfahren, wie beispielsweise für das lösemittelbasierte Recycling. Hier werden zwei unterschiedliche Polymere voneinander getrennt und das Lösemittel im Extruder entgast. Wir bieten Technologien zur Verarbeitung aller Kunststoff-Stoffströme, für gut sortierte ebenso wie für schlecht sortierte. Aber es ist die Frage, ob man die Energie in die Vorsortierung steckt oder im Fall von chemischem Recycling nachher in die Aufbereitung der Ölqualität. Denn je schlechter das Produkt ist, das aus dem Reaktor herauskommt, desto stärker muss es aufbereitet werden. Auch hier dreht es sich am Ende um die Wirtschaftlichkeit. Weil der chemische Recyclingprozess energetisch sehr aufwändig ist, empfiehlt es sich bei hohen Durchsätzen den Fokus mehr auf die vorgeschalteten Schritte zu legen. Bei kleineren Anlagen kann es vielleicht auch wirtschaftlich Sinn ergeben, in die Aufbereitung des gewonnenen Öls zu investieren.
Gab es technologische Herausforderungen?
Als Pioniere in der Aufbereitungstechnologie für Virgin-Kunststoffe haben wir unsere Produktpalette so modifiziert, dass wir den Recycling-Markt ebenfalls mit innovativen Lösungen bedienen können. Beim Recycling haben wir es mit verschmutzten Materialien zu tun, mit leichten Schüttgewichten, hohen Feuchtigkeiten. Deshalb haben wir viele Entwicklungen, Anpassungen und Optimierungen an unseren Technologien vorgenommen. Speziell für das chemische Recycling haben wir zum Beispiel eine Neuentwicklung gemacht, die es ermöglicht, Chloride direkt im Extruder zuverlässig zu entgasen.
Wird die Müllproblematik durch Kreislaufwirtschaft gelöst werden?
Beide Systeme, mechanisches und chemisches Recycling, sind keine Wunderwaffen. Beide leisten einen großen Beitrag, um unsere Müllproblematik zu lösen. Es muss aber noch deutlich mehr unternommen werden. Vor allem sollte im Produktdesign auf schlecht recycelbare Kunststoffe komplett verzichtet werden. Denn wenn immer mehr schlecht recycelbarer Kunststoff in den Markt kommt, droht er am Ende verbrannt, anstatt recycelt zu werden. Ein großer Beitrag wäre es also, die schlecht recycelbaren Kunststoffe einfach gar nicht erst zu produzieren und zu verwenden. Das müsste unser erstes Ziel für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft sein.