Wichtige Ansätze zur Planbarkeit und damit zur Investitionssicherheit werden aus dem Entwurf deutlich. Automobilhersteller, die Zu-lieferkette ebenso wie die Recycler sind nun dazu aufgerufen, sich bis Ende Septem-ber 2023 eine Position zu erarbeiten, mit der es gelingen kann, den Rezyklatanteil in Fahrzeugen zu erhöhen. Diese Positionierung dient dann als Grundlage für weitere Gespräche mit der Kommission.
Dazu hat TecPart mit seinem Netzwerk zu interessierten Fachkreisen der OEMs, TIERs, Unternehmen der Kunststoff- und Kreislaufwirtschaft sowie mit seinen Mitgliedern in ersten Treffen eine Analyse durchgeführt, um die Durchführbarkeit des Kommissionsentwurfs konstruktiv zu prüfen.
Plangröße bei der beispielhaften Überlegung sind 400 kg Kunststoffe, die in jedem Neufahrzeug verbaut werden. Davon fließen derzeit rund 200 kg aus den Materialien PE, PP, PA und ABS in die Kunststoffprodukte ein. Die andere Hälfte der Produkte entsteht aus mehr als 100 Kunststofftypen. Damit ist aus dieser Hälfte je Kunststofftype weniger als 2 kg im Auto verbaut.
Die Forderung der neuen EU-Autoverordnung, die Kunststoffbauteile in Neufahrzeugen mit einem höheren Rezyklatanteil auszustatten, ist nachvollziehbar und wird begrüßt. Die vorgeschlagene Rezyklateinsatzquote von 25 % je Neufahrzeug bis 2030 für Kunststoffprodukte, die schon im Gebrauch waren, scheint im Moment aus den folgenden Gründen zu ambitioniert.
Zusammen werden ca. 2,1 Mio. Tonnen Kunststoffe in der Automobilindustrie (1,2 Mio. t) und der Elektroindustrie (0,9 Mio. t) in Deutschland verarbeitet. Rund eine Million Tonnen sind Materialien, die auch für kurzlebige Wirtschaftsgüter wie Verpackungen eingesetzt, verarbeitet und gesammelt werden. Die restlichen 1,1 Millionen Tonnen der in E+E- und Fahr-zeuganwendungen verarbeiteten, meist technischen Kunststoffe haben keinen großen Abfallstrom nach ihrer Nutzung, auch weil die Einzelteile einer Baugruppe oft aus einem funktionalen Materialmix bestehen.
Der Abfallstrom wird bei den Fahrzeugen zudem limitiert, da ein Großteil der hier produzierten Fahrzeuge (2022: 3,5 Mio. Stück) zur Weiterverwendung in andere Länder exportiert wird und nur rund 10 % in Deutschland einer Verwertung zugeführt werden. Die Rezyklate für den Fahrzeugbau dürfen nach dem Verordnungsentwurf der EU zukünftig nicht mehr aus der gemischten Schredderleichtfraktion der Altauto- und Altelekrogeräteverwertung gewonnen werden. Dies eliminiert eine wertvolle Quelle für hochwertige Kunstststoffrezyklate. Darüber hinaus sind die bisher häufig in Einsatz gebrachten Post-Industrial-Rezyklate (PIR), die aus sortenreinen Abfallströmen der Kunststoffverarbeitung für die Rezyklatherstellung verwendet wurden, auf die nun geforderte Rezyklatquote nicht anrechenbar.
Schließlich sollen in den 100 kg der ab 2030 in jedem Neufahrzeug verbauten Rezyklate 25 kg aus dem „Closed loop“ alter Fahrzeuge stammen. Bezogen auf die 400 kg verbaute Kunststoffe je Fahrzeug und einem Rücklauf von nur 10 % müssen aus den dann noch zur Verfügung stehenden „40 kg Kunststoff“ 25 kg Rezyklat gewonnen werden! Oder anders formuliert: Aus den Kunststoffabfällen der Altfahrzeuge sollen 63 % wieder als Kunststoffrezyklate ins Auto fließen – sofern nicht andere Länder die Rezyklate für die deutsche Quotenerfüllung zur Verfügung stellen können.
Nachgefragt bei TecPart, ob die entsprechenden Mengen auch zur Verfügung stehen, antwortet der Geschäftsführer Michael Weigelt:„Technologisch ist das mit den heute verfügbaren Verwertungssystemen nicht möglich! Zu hoffen ist, dass die sich häufig ändernde Chemikaliengesetzgebung in 2030 die Materialien, die 2010 auf die Straße gebracht und in den Fahrzeugen 20 Jahre genutzt und kontaminiert wurden, dann noch vollumfänglich für eine Wiederverwendung zulässt.“
Fakt ist, dass die angedachten Quoten für die Fahrzeuge bezogen auf die 400 kg, die im Beispiel eingesetzt wurden, von 20 kg PCR und PIR-Materialien auf künftig 25 kg Rezyklaten aus alten Autos und 75 kg aus PCR-Materialien gesteigert werden sollen.
Die Vorstellung, dass dies bereits bis 2030 gelingt, orientiert sich im Entwurf der EU-Kommission nicht an den bisherigen Entwicklungszyklen der Automobilindustrie. Mindestens zwei Jahre vor Serienstart rollen in der Regel bereits die Prototypen auf der Straße zur Erprobung der neuen Komponenten. Zwei Jahre davor müssen die Materialien festgelegt und qualifiziert worden sein, ebenso wie die gesicherte Materialversorgung. Damit sind die Material- und Rezyklaterzeuger bereits heute gefordert, sich entsprechende Abfallströme gleichbleibender Qualität aus Post-Consumer-Abfällen zu sichern.
Darüber hinaus müssen die Zuliefer-, wie auch die Automobilindustrie, schnellstmöglich Bauteile so konstruierten, dass sie auch unter dem Einfluss von potenziellen Schwankungen von Rezyklaten funktionieren. Multimaterialsysteme müssen reduziert und die Demontierfähigkeit erhöht werden, um qualitativ und quantitativ bessere Abfallströme für die Wiederverwendung in Zukunft zur Verfügung zu haben.
Da die Rezyklateinsatzquoten auch für andere Branchen bis 2030 ansteigen werden (wie zeitgleich in den Verpackungsanwendungen diskutiert) und nach dem Entwurf der Kommission PIR nicht mehr als „quotenfähiges“ Rezyklat zählen soll, ist eine drastische Steigerung der Kunststoffverwertung von Post-Consumer-Abfällen in Deutschland und Europa erforderlich. Aus den heute in Deutschland jährlich anfallenden rund 5,4 Mio. t Kunststoffabfällen nach Gebrauch müssten rechnerisch nicht wie bisher 1,3 Mio. t (24 %), sondern 3,8 Mio. t (70 %) Rezyklate (PCR-Verwertungsquote) hergestellt werden.
Für die im TecPart organisierten Kunststoffrecycler wären solche Rezyklatmengen der dafür erforderlichen Abfallströme im aktuellen Preiskampf zwar wünschenswert; realistisch sind sie aber nicht. Vielmehr stellt sich die Frage, wenn PIR nicht mehr als Rezyklat für die Quote gezählt wird, was dann mit den sortenreinen Industrieabfällen passiert, insbesondere in einer Situation, wie wir sie derzeit erleben, wo Originalware günstiger ist als das Pendant aus Rezyklat.
Weigelt ist irritiert ob des Ausschlusses von PIR. „Es darf nicht passieren, dass wertvolle und sortenreine Industrieabfälle, die zudem häufig aus den dringend erforderlichen technischen Kunststoffen sind, künftig nicht mehr zur Rezyklatquote für Fahrzeuge gezählt werden sollen. Damit gehen rund 600.000 t Rezyklate verloren, insbesondere dann, wenn die Neuware unter dem Preis des Rezyklats liegt. Bereits heute stellen daher einige Recycler, die schon jetzt unter dem hohen Strompreis leiden, ihr Geschäftsmodell infrage.“
Die automobile Wertschöpfungskette ist aufgerufen, sich bewusst zu machen, was im vorgelegten Entwurf der europäischen Altfahrzeugverordnung steht. Nur mit einer in sich geschlossenen Argumentation zu den Zielen des Entwurfs der EU-Kommission werden Kunststoffe auch künftig noch ihre wichtige Rolle bei der Gewichts-, Emissions- und Verbrauchsreduzierung im Fahrzeug spielen können.
Der vorliegende Entwurf wird bei TecPart mit interessierten Stakeholdern gemeinsam kommentiert und konstruktiv bis zu einem harmonisierten Branchenstatement zum Entwurf der EU-Altfahrzeugverordnung begleitet. Das Ziel von TecPart ist es, sich für realistische und umfassende (PIR und PCR) Rezyklat- und Zeitvorgaben einzusetzen, die dann auch die erforderlichen Sicherheitsaspekte im Fahrzeug besser würdigen, als dies eine pauschale Quote leisten könnte. Auch gilt es deutlich zu machen, dass Autos keine Verpackung sind! Soll heißen, dass die fünf wesentlichen Materialien, wie sie in der Verpackung mit rund 4,4 Mio. t/Jahr verarbeitet werden, gut nutzbare und große Abfall-Stoffströme erzeugen, anders als die 1,2 Mio.t Kunststoffe pro Jahr, die im Fahrzeugbau mit über 100 Materialien eingesetzt werden.