Ein neues Regelwerk, das die Europäische Kommission letzte Woche zur Überarbeitung der EU-Altautorichtlinie vorgeschlagen hat, soll die Kreislaufwirtschaft im Automobilsektor stärken. Empa-Forschende waren im Rahmen einer «Science-for-Policy»-Studie maßgeblich an der Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen beteiligt.
Eine kürzlich durchgeführte Überprüfung bestehender EU-Rechtsvorschriften in diesem Bereich hat gezeigt, dass erheblicher Verbesserungsbedarf besteht, um den Automobilsektor in eine Kreislaufwirtschaft zu überführen und dadurch die mit Herstellung und Entsorgung von Fahrzeugen verbundenen Umweltauswirkungen zu verringern und die Nachhaltigkeit der Automobil- und Recyclingindustrie zu erhöhen.
Neufahrzeuge in der EU sind für rund zehn Prozent des Kunststoffbedarfs und neun Prozent des Kupferbedarfs verantwortlich. Zudem ist die Automobilindustrie auf insgesamt mehr als 60 verschiedene Rohstoffe angewiesen. Die Umstellung auf Elektroautos bringt zusätzliche Herausforderungen mit sich, da sie den Bedarf an Palladium und anderen Edelmetallen für eingebettete Elektronik sowie an Kupfer und Seltenerdelementen, die in Permanentmagneten der meisten Elektromotoren verwendet werden, erhöhen wird. Nach Schätzungen der EU wird die Nachfrage nach den Seltenerdelementen Neodym und Dysprosium in Neuwagen auf etwa 4.025 Tonnen und 620 Tonnen ansteigen, ein Anstieg um das Zehn- bzw. Siebenfache gegenüber 2020.
Andererseits werden derzeit weniger als 20 Prozent der aus Altfahrzeugen gewonnenen Kunststofffraktionen recycelt; kritische Rohstoffe wie Seltenerdelemente in Elektromotoren oder Palladium in eingebetteter Elektronik werden größtenteils gar nicht zurückgewonnen. Die Herausforderung besteht daher darin, die Rückgewinnung kritischer Rohstoffe und anderer Materialien zu erhöhen, bevor die Altfahrzeuge geschreddert werden, wie es derzeit gängige Praxis ist.
Seit mehreren Jahren unterstützen Forschende der Empa-Abteilung Technologie und Gesellschaft in St. Gallen unter der Leitung von Patrick Wäger das Bundesamt für Umwelt (BAFU) bei der Verbesserung des Auto- und Elektronik-Recyclings durch verschiedene „Science-for-Policy“-Projekte. Ein kürzlich abgeschlossenes Projekt untersuchte etwa die Möglichkeit, eingebettete elektronische Geräte aus Altfahrzeugen zu entfernen und separat zu recyceln, und zwar unter technischen, ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
Die Ergebnisse dieser sowie früherer Studien dienten als Grundlage, um zu bestimmen, welche Geräte im Rahmen der kürzlich revidierten schweizerischen Verordnung über Rückgabe, die Rücknahme und die Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte (VREG) separat entfernt und recycelt werden sollten. Die neuen Bestimmungen sehen vor, dass elektronische Geräte in Altfahrzeugen separat ausgebaut und wiederverwertet werden sollen, falls dies wirtschaftlich tragbar und ökologisch sinnvoll ist. Während die konkreten Vorgaben noch in Ausarbeitung sind, ist die Schweiz damit Vorreiterin bei der Anpassung der Gesetzgebung zur Förderung des Recyclings von elektronischen Geräten.
Aufgrund ihres Knowhows und ihrer Erfahrung wurden die Empa-Forschenden vom „Joint Research Center“ (JRC) der Europäischen Kommission angefragt, zusammen mit dem deutschen Öko-Institut und der schwedischen Chalmers University an einer Analyse ausgewählter Maßnahmen zur Verbesserung der Kreislauffähigkeit kritischer Rohstoffe und anderer Materialien in Personenwagen mitzuwirken. Das Ergebnis ist ein im Juni veröffentlichter gemeinsamer Bericht, der eine sozioökonomische und ökologische Bewertung jeder dieser Maßnahmen sowie eine Reihe von Empfehlungen enthält.
Den Empfehlungen des Berichts folgend, veröffentlichte die Europäische Kommission dann am 13. Juli einen Vorschlag für eine neue Altfahrzeugrichtlinie. Der Vorschlag enthält unter anderem Bestimmungen, die darauf abzielen, das Recycling und die Wiederverwertung von Bauteilen, die kritische Rohstoffe wie Seltenerdelemente, Kupfer oder Palladium enthalten, in Neufahrzeugen zu erhöhen, und zwar sowohl bei Konstruktion und Herstellung als auch in der «End-of-Life»-Phase.
Nach diesen Bestimmungen
- müssen Elektrofahrzeuge so konstruiert sein, dass ihr Elektromotor ausgebaut werden kann, um ihn zu reparieren und wiederzuverwenden.
- müssen die Hersteller die Verwerter über die in ihren Fahrzeugen verwendeten kritischen Rohstoffe informieren und bestimmte Bauteile, die diese Materialien enthalten, kennzeichnen.
- muss der Elektromotor vor der Verschrottung eines Elektrofahrzeugs ausgebaut werden.
- müssen bestimmte elektronische Komponenten (wie Infotainmentsysteme und Wechselrichter) vor dem Schreddern eines Fahrzeugs entfernt werden, entsprechend dem in der revidierten Verordnung über die Rückgabe, die Rücknahme und die Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte festgelegten Grundsatz.
„Eingebettete Elektronik aus Altfahrzeugen auszubauen und sie in Elektroschrott-Recyclinganlagen wiederzuverwerten, bietet einen zweifachen Vorteil für die Umwelt“, sagt Empa-Wissenschaftler Charles Marmy, der die JRC-Studie mitverfasst und Projekte zum getrennten Recycling von eingebetteter Elektronik geleitet hat. „Es erhöht nicht nur die Rückgewinnung von Metallen und Kunststoffen zur Gewinnung von Sekundärrohstoffen erheblich, sondern begrenzt auch die Abfallmengen, die verbrannt werden müssen, und senkt so die damit verbundenen CO₂-Emissionen.“