Der Motor der Energiewende

Um Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, müssten weitere Anstrengungen unternommen werden, so die Autor*innen des Berichts „Circular Savings – Business perspectives on energy savings through circular practices“ der Universität Cambridge und CLG Europe.
Foto: PIRO; pixabay.com

Ohne einen Systemwechsel könne das Ziel nicht erreicht werden. Es sei davon auszugehen, dass 55 Prozent der Emissionen durch energiepolitische Maßnahmen eingespart werden. Die restlichen 45 Prozent könnten durch Kreislaufmaßnahmen eingespart werden. Letztere hätten zudem den Vorteil, dass der Materialverbrauch gesenkt werde, was wiederum den Energiebedarf reduziere.

Die aktuelle Situation mit dem Krieg in der Ukraine und den daraus resultierenden Krisen zeigt, wie notwendig es ist, nicht nur die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren, sondern auch eine widerstandsfähige Materialversorgung sicherzustellen und eine Kreislaufwirtschaft aufzubauen.

Schnelles Handeln erforderlich

Durch die derzeitige geopolitische Krise sei die EU gezwungen, schnell energiebezogene Maßnahmen einzuführen, um kurzfristig Einsparungen für Unternehmen und Verbraucher*innen zu erzielen und mittel- und langfristig eine Diversifizierung der Energiequellen sowie einen Umstieg auf erneuerbare Energien zu erreichen. Die Kreislaufwirtschaft kann bei der Entwicklung langfristiger Lösungen für das Energieproblem der EU eine wichtige Rolle spielen. Maßnahmen wie die Verringerung der Gewinnung von Primärrohstoffen, die Entwicklung langlebigerer Produkte, die Förderung von Wiederverwendung und Reparatur sowie die Einführung eines Mindestanteils von Sekundärrohstoffen in Produkten werden dazu beitragen, den Energieverbrauch zu senken. Dies ist auch notwendig, um die Energieeffizienzziele zu erreichen und letztlich sogar zu übertreffen.

Der Bericht liefert konkrete Beispiele. So könnte das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien den Energiebedarf um 6 Prozent und den CO₂-Fußabdruck um 17 Prozent reduzieren. Mit einem Mix aus Kreislaufstrategien wie Product-as-a-Service und verbindlichen Anforderungen an die Zweitverwertung könne der Materialbedarf für Elektrofahrzeuge im Jahr 2050 zu 70 Prozent gedeckt werden. Gleichzeitig könne der Energiebedarf deutlich reduziert werden.

Der Industriesektor ist der drittgrößte Energieverbraucher in der EU. Er verursache auch erhebliche Emissionen. Zwar sehe die EU-Gesetzgebung bereits heute die stoffliche Verwertung vor, in der Realität werde der größte Teil jedoch „downgecycelt“. Maßnahmen zur Schaffung hochwertiger geschlossener Kreisläufe seien entscheidend, um den Energiebedarf der Industrie zu senken. Auch die chemische Industrie könne einen Beitrag leisten, indem sie hochwertigere und langlebigere Materialien entwickle. Eine weitere Einsparmaßnahme sei die bessere Isolierung von Gebäuden, wodurch der Heizenergiebedarf um 45 Prozent gesenkt werden könne. Weitere Einsparungen könnten durch die Verwendung von Sekundärmaterialien für die Dämmung erzielt werden.

Herausforderungen

Obwohl viele Unternehmen bereits erfolgreich zirkuläre Strategien anwenden, müssen noch zahlreiche Herausforderungen bewältigt werden. So kritisiert der Bericht ein inkohärentes und unausgewogenes politisches Umfeld. So würde zwar viel über Ziele zur Reduktion des Energieverbrauchs diskutiert, aber deutlich weniger über Maßnahmen, wie diese Ziele erreicht werden können. Viele Maßnahmen würden die Verbraucher*innen betreffen, aber zu selten auch die Industrie. Die Integration von Kreislaufmaßnahmen sei ein wesentlich effektiverer Mechanismus zur Reduzierung des Energieverbrauchs als die Beschränkung auf die Steigerung der Energieeffizienz.

Als weiteres Hindernis nennt der Bericht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, EU-Recht flexibel umzusetzen. Dies habe zu unterschiedlichen Ansätzen bei der Umsetzung und Durchsetzung der Vorschriften geführt. Vor allem grenzüberschreitend tätige Unternehmen würden dadurch vor Pro­bleme gestellt. Als Beispiel nennt der Bericht die erweiterte Herstellerverantwortung. Diese werde nach unterschiedlichen Modellen und Regeln umgesetzt, da sie unterschiedliche wirtschaftliche und kulturelle Gegebenheiten berücksichtige und sich aus unterschiedlichen nationalen Abfallgesetzen entwickelt habe. Dies führe dazu, dass die Hersteller mit unterschiedlichen Gebührenstrukturen konfrontiert seien. Teilweise würden sogar innerhalb eines Mitgliedstaates unterschiedliche Regelungen gelten. Die EU arbeitet derzeit an einer Vereinheitlichung der Regelungen.

Als weiteren Ansatz schlägt der Bericht vor, auf EU-Ebene Ziele für die Ressourcenproduktivität oder Rohstoffversorgung festzulegen, um die Gewinnung und Verarbeitung von Primärrohstoffen zu begrenzen. Derzeit hätten nur wenige Länder solche Ziele.

Kritisiert wird auch, dass die Bewertung der Kreislaufwirtschaft auf EU-Ebene ausschließlich auf Recyclingquoten basiert. Dies vermittle ein unrealistisches Bild von der Werterhaltung von Materialien und von möglichen Energieeinsparungen. Dies liege da­ran, dass Abfallziele leichter umzusetzen seien als Ziele, die auf Ressourcen- oder Rohstoffverbrauch basieren. Problematisch sei jedoch, dass die meisten Abfallziele auf Quantität und nicht auf Qualität basieren.

In diese Richtung geht auch die Kritik, dass es an adäquaten Maßnahmen für das Ende des Produktlebens mangelt. Zwar sei Recycling in einer Kreislaufwirtschaft einer der ineffizientesten Wege, um den Wert von Materialien zu erhalten. Dennoch sei dieser Ansatz kurz- und mittelfristig unverzichtbar, um Materialien mit kurzer Lebensdauer zu erhalten. Zwar könne in den meisten Fällen durch die Verwendung von Sekundärmaterialien in neuen Produkten der Energiebedarf gesenkt werden. Der Mangel an geeigneten Sammel- und Sortierstrukturen in der EU führe jedoch zu hohen Ineffizienzen. Der Bericht nennt in diesem Zusammenhang insbesondere das Kunststoffrecycling. Aus Sicht der Unternehmen seien häufig höhere Kosten für Rezyklate, geringere Qualität und technologische Beschränkungen die Haupthindernisse für den Einsatz von Sekundärmaterialien. Politische Maßnahmen zur Verbesserung des Produktdesigns, zur Eliminierung gefährlicher Chemikalien und zur Festlegung von Mindestanforderungen an den Rezyklatgehalt könnten helfen, diese Herausforderungen zu überwinden. Als weitere mögliche Maßnahmen nennt der Bericht finanzielle Subventionen zur Verbesserung der Infrastruktur sowie für mehr Transparenz und Sensibilisierung der Verbraucher*innen.

Als weiteres Hindernis wird der Mangel an geeigneten Technologien genannt. Dies betrifft zum einen die digitalen Informationstechnologien. Hier kritisiert der Bericht einen Mangel an Daten, eine geringe Standardisierung von Informationen, eine eingeschränkte Interoperabilität und rechtliche Barrieren. Aber auch bei der Entwicklung und Einführung von Recycling- und Produktionstechnologien gibt es Verbesserungsbedarf.

Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft kann nicht ohne den Einsatz von Technologien erreicht werden, die das lineare Wirtschaftsmodell aufbrechen. Dies erfordert neue politische Rahmenbedingungen und finanzielle Anreize, um die Einführung modernster technologischer Lösungen zu unterstützen und deren Verbesserung und Entwicklung in allen Sektoren weiter zu beschleunigen.

Viel mehr ist möglich

Die EU gilt zwar als Vorreiter in der Kreislaufwirtschaft. Beispiele aus den Mitgliedstaaten würden jedoch zeigen, dass trotz zahlreicher Regelungen noch viel mehr getan werden könne.

Da die Steigerung der Recyclingfähigkeit von Materialien in der linearen Wirtschaft nicht ausreiche, um das Wirtschaftswachstum vom Primärmaterialverbrauch zu entkoppeln, hätten sich die Niederlande als eines der wenigen Länder in der EU ein absolutes Reduktionsziel gesetzt. Bis 2030 soll der Primärmaterialverbrauch halbiert werden.

Ein weiteres Beispiel sei die Besteuerung. Dänemark habe bereits 1990 eine Steuer auf inländische Primärrohstoffe eingeführt, um den Verbrauch zu senken und die Nutzung von Sekundärrohstoffen zu erhöhen. So konnte der Recyclinganteil bei Bau- und Abbruchabfällen von 12 Prozent 1985 auf 94 Prozent 2004 gesteigert werden. Schweden hat 2017 eine um 50 Prozent reduzierte Steuer auf Arbeitskosten für Reparaturdienstleistungen eingeführt, die zu Hause durchgeführt werden. Gleichzeitig wurde die Mehrwertsteuer auf Reparaturdienstleistungen für verschiedene Produkte von 25 auf 12 Prozent gesenkt.

Neue Industriestrategie

Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass die Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Energiekrise spielen kann. Zudem sei sie für eine klimaneutrale Wirtschaft notwendig. Derzeit verlaufe der Übergang jedoch viel zu langsam. Zudem gebe es noch zahlreiche Herausforderungen, die die Übernahme von Kreislaufstrategien durch Unternehmen behindern. Der Bericht macht daher eine Reihe von Vorschlägen.
So müsse eine klare Vision einer neuen grünen Industriestrategie entwickelt werden, die eine ganzheitliche Integration von zirkulären Maßnahmen und industrieller Dekarbonisierung in einer Strategie ermöglicht. Früheren Strategien habe es an einer starken Vision für einen echten Wandel gefehlt.

Es müssten bessere Verbindungen zwischen Energieeffizienzmaßnahmen und Kreislaufwirtschaft geschaffen werden, um den Energieverbrauch im industriellen Sektor zu reduzieren. Dazu seien weitere Maßnahmen wie die Senkung des Energieverbrauchs und ein absolutes Reduktionsziel für Ressourcen erforderlich. Recyclinglösungen müssten weiterentwickelt und eingeführt werden. Die EU könnte Investitionen in die Technologie fördern, indem sie eine weitreichende Verpflichtung zur Verwendung von Rezyklaten, die über Kunststoffe hinausgeht, einführt.

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