Wenn der Roboter übernimmt

In der industriellen Fertigung sind Roboter schon lange bekannt. Und auch in der Abfallsortierung halten sie langsam Einzug.
Durch RPA wird bei Berlin Recycling viel Arbeitszeit eingespart, was die Mitarbeiter*innen entlastet. Foto: Berlin Recycling

Aber Roboter im Kundenservice eines Entsorgungsunternehmens? Bei Berlin Recycling stehen zwar keine Blechkisten in den Büros, aber mithilfe von „Robotic Process Automation“ hat das Unternehmen seinen Mitarbeiter*innen und Kund*innen das Leben deutlich erleichtert.

Erste Ideen zur Einführung einer „Robotic Process Automation“ (RPA) gab es bei Berlin Recycling bereits im Jahr 2018. Anfang 2021 wurde es dann konkreter: Es wurde ein Produkt für die Umsetzung ausgewählt. Im April 2021 startete dann das eigentliche Projekt. Der Fokus lag zunächst auf den größten Zeitfressern im Kundenservice. Dazu zählten bei Berlin Recycling das Anlegen von SEPA-Mandaten, das Bereinigen von SEPA-Posten, das Ändern von Vertragsinhalten, das Löschen von Aufträgen und das Anschreiben von Kunden. Allein im Zeitraum von August bis Dezember 2021 konnten so 364,4 Stunden eingespart werden. Umgerechnet auf einen achtstündigen Arbeitstag sind das mehr als 45 Tage.

„Durch die Einführung von RPA bei der BR haben wir in den letzten Monaten eine enorme Zeitersparnis bei der Abarbeitung von Vorgängen gehabt. Damit einher ging natürlich auch eine hohe Reduzierung der Personalkosten. Durch die Automatisierung von Prozessen wie der Verarbeitung von Kundenreklamationen können wir wesentlich schneller und effizienter auf Kundenanliegen reagieren, was zu einer höheren Kundenzufriedenheit geführt hat“, erklärt IT-Abteilungsleiter Stefan Suck.

Vom Projekt in den Alltag

Nach Abschluss des Projekts im Juli 2022 galt es, RPA in das Tagesgeschäft zu überführen. Hierfür wurde eine Vollzeitstelle im Unternehmen geschaffen. Zwei weitere Kolleg*innen unterstützen stundenweise bei der Inbetriebnahme der RPA, der Durchführung kleinerer RPAs und bei Reparaturen. Insgesamt konnten im Jahr 2022 3.617 Arbeitsstunden auf den Roboter übertragen werden, was mehr als 450 Arbeitstagen entspricht. Waren es 2022 noch 34 RPAs, so sind es heute 40 – Tendenz steigend. 14 RPAs laufen täglich und werden entweder manuell oder automatisch durch einen hinterlegten Zeitplan gestartet. 2 RPAs laufen wöchentlich, 3 weitere monatlich. Darüber hinaus gab es 21 Einzelaktionen zur Massendatenverarbeitung. Auch in diesem Jahr macht sich die Zeitersparnis durch die Automatisierung bemerkbar: Allein in den ersten beiden Monaten wurde ein Drittel der Zeit eingespart, die 2022 insgesamt eingespart werden soll.

Jörn Klingenberg, Projektleiter Digitale Produkte – Logistik & Nachhaltigkeit, erklärt: „Anfangs wurde RPA als neue Technologie intern eher belächelt, die Chancen und Möglichkeiten waren uns noch nicht bewusst. Mit den ersten vollautomatisierten Prozessen hat sich das aber geändert, im Kundenservice konnten die Mitarbeiter positiv überzeugt werden, das Verständnis für die Technologie wurde geschärft und weitere Anwendungsfelder identifiziert. Seitdem ist RPA bei uns nicht mehr wegzudenken! Wir mussten sogar ein Entwicklungsteam für RPA aufbauen, um die intern gestellten Anforderungen umzusetzen.“

In der Praxis handelt es sich bei RPA um eine sogenannte Low-Code-Programmierung. Die Befehle, die der Roboter ausführen soll, werden zunächst in einer Bibliothek hinterlegt. Aus dieser Bibliothek wählt der Programmierer die benötigten Befehle aus und passt sie an die individuellen Anforderungen an. Als eine der größten Herausforderungen hat sich die Bereitstellung der Daten herausgestellt. Ein Großteil der Datenerfassung erfolgt über Excel. Die Daten müssen in Excel zusammengeführt, über Formeln berechnet oder komplett neu zusammengestellt werden.

Die Entwicklung geht weiter

Die Hauptaufgabe der Roboter bei Berlin Recycling ist die Verarbeitung großer Datenmengen. Konkret geht es um Massendatenbereinigung, Massendatenverarbeitung, Schnittstellenreduktion für die Mitarbeitenden, Versand von Kundeninformationen sowie die Bearbeitung von Standardprozessen im Kundenservice.

Die Entwicklung der RPAs bei Berlin Recycling ist noch lange nicht abgeschlossen. Täglich werden RPAs weiterentwickelt, verbessert und neu gebaut. Die Ideen kommen dabei sowohl aus der Prozessoptimierung des IT-Teams als auch von den Mitarbeitenden. So wurde die Grundfunktionalität der RPA erweitert. Zudem füttern die Mitarbeitenden den Computer mit immer neuen Standardprozessen, die automatisch abgebildet werden können. Einige Weiterentwicklungen erfolgen auch durch eine neue Anordnung der Befehle. Und inzwischen kann die RPA auch Dokumente mithilfe von OCR auslesen. Wie bei allen Technologien stand Berlin Recycling vor der Herausforderung, Akzeptanz für die Roboter zu schaffen. Zudem galt es, mögliche Ängste der Mitarbeiter*innen abzubauen. So wurde beispielsweise eine RPA-Pizza-Pause organisiert, bei der sich alle Mitarbeiter*innen über die RPA informieren und selbst Prozesse starten konnten. „Die RPA ist eine große Stütze für die Bearbeitung der Kundenanliegen. Die RPA ist wie ein unsichtbarer Kollege. Sie unterstützt uns tatkräftig und dafür sind wir sehr dankbar“, sagt Jennifer Hübsch, Mitarbeiterin Kundenservice Team Rekla. Im nächsten Schritt bekam die RPA einen Namen. Statt des sperrigen „RPA“ heißt es nun B2R2 (B“Zwo“R“Zwo) – die Herkunft dürfte zumindest Science-Fiction-Fans auf den ersten Blick klar sein.

„Wir haben uns im letzten Jahr, zur Optimierung im Kundenservice, das erste Mal intensiv mit dem Thema RPA beschäftigt und sehr schnell festgestellt, dass wir diese Technologie perfekt in unsere Prozesse einbetten können. Uns hilft RPA besonders bei der Verarbeitung von Massendaten, was unseren Mitarbeiter große Freiräume für andere wertschöpfende Tätigkeiten ermöglicht hat. Wir in der Geschäftsführung haben gemeinsam mit unseren Mitarbeitern in den letzten 2 Jahren den großen Mehrwert der Prozessautomatisierung und den richtigen Einsatz von KI erkannt“, so BR-Geschäftsführerin Bianka Rieder.

Und die Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. Geplant ist, weitere zeitsparende RPAs zu bauen. Dann soll künstliche Intelligenz die Prozesse weiter verbessern. Bestehende RPAs sollen durch KI ersetzt, andere optimiert werden. Dabei ist auch für die Zukunft klar: RPAs werden die Mitarbeitenden bei Berlin Recycling in Zukunft immer weiter entlasten, aber nicht ersetzen.

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