Von 6.300 Millionen Tonnen Plastikmüll wurden lediglich 570 Millionen Tonnen recycelt. Dabei ist das Recycling von Kunststoffen ein wesentlicher Teil der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy). Dabei geht es darum, den Wert von Produkten, Stoffen und Ressourcen innerhalb der Wirtschaft so lange wie möglich zu erhalten und möglichst wenig Abfall zu erzeugen. Durch intelligentes Produktdesign, mehr Recycling und Wiederverwendung soll „der Kreislauf“ der Produktlebenszyklen zunehmend geschlossen und eine wirksamere Wertschöpfung und Nutzung aller Rohstoffe, Produkte und Abfälle erreicht werden. Gemeinsam forschen die Erema Engineering Recycling Maschinen und Anlagen Ges.m.b.H. und das Software Competence Center Hagenberg (SCCH) daran, wie die Digitalisierung und KI die Recyclingquote erhöhen können.
Hohe Qualität des Granulats erforderlich
„Beim Kunststoffrecycling ist die Herausforderung, dass der zugeführte Stoffstrom in seiner Zusammensetzung (z. B. Form, Verschmutzungsgrad etc.) sehr heterogen ist, aber am Ende die Rezyklate eine gleichbleibend hohe Qualität haben müssen, um sie wiederverwenden zu können. Um ein hochqualitatives Rezyklat produzieren zu können, bedarf es neben einer präzisen Abfallsortierung auch einer flexiblen Anpassung der Recyclingprozesse auf veränderliche Stoffströme“, erklärt Dr. Sophie Pachner von Erema. Aktuell sind rund 7.000 Erema-Maschinen im Einsatz, die gemeinsam jedes Jahr mehr als 14 Millionen Tonnen hochwertiges Granulat produzieren. „Unsere innovativen Recyclinglösungen für unterschiedliche Anforderungen machen uns zum Weltmarktführer bei Kunststoff-Recycling-Maschinen und Systemkomponenten“, erklärt Pachner.
Entwicklung von Assistenzsystemen
Das Recycling von Kunststoff ist ein komplexer Prozess. Das Ausgangsmaterial wird sortiert, zerkleinert, gewaschen, vorbereitet, extrudiert, entgast, gefiltert und zu Regranulat verarbeitet. In Zukunft sollen Assistenzsysteme eine konstante Produktqualität sichern, Muster in Produktionsdaten erkennen, Komponenten und Prozesse optimieren, bei Anomalien warnen und Prognosemodelle entwickeln. „Plötzlich passiert etwas im vorgelagerten Prozessschritt und die Produktqualität passt nicht mehr, dann wollen wir in Zukunft eine Entscheidungsunterstützung für unsere Kunden bieten“, so Pachner.
Digitalisierung von Wertschöpfungsketten
„Wir bringen hier unsere Expertise in den Bereichen Datenintegration, Wissensextraktion, Prozessmodellierung und Prozessoptimierung ein. Dabei verwenden wir Methoden des maschinellen Lernens, um die Daten zu analysieren. Die Maschinen sind mit viel Sensorik ausgestattet, die wir gut nützen können“, erklärt Dr. Bernhard Freudenthaler, Chief Operating Officer am SCCH. Entlang der Wertschöpfungskette arbeiten verschiedene Unternehmen zusammen. Wertstoffsammelstellen, Unternehmen, die den Müll kaufen, die Sortierung vornehmen und dann die Unternehmen, die die Rezyklate herstellen. Eine besondere Herausforderung beim Datenmanagement stellt die Nachverfolgbarkeit der Stoffströme entlang der Wertschöpfungskette dar. „Bei einer unternehmensübergreifenden Datenanalyse ist oft natürlich das Problem, dass die Unternehmen die Daten nicht preisgeben wollen. Hier entwickeln wir privatsphärenerhaltende Methoden zur Datensammlung, um in Zukunft einen ganzheitlichen Blick auf Wertschöpfungsketten zu bekommen, ohne dass Daten über Unternehmensgrenzen hinweg ausgetauscht werden müssen. Mithilfe von KI wird der Abfall vernetzt und somit zu „Smart Waste“, erklärt Freudenthaler.
Erklärbare Künstliche Intelligenz
Zur Visualisierung und Analyse der Prozessdaten hat das SCCH ein Dashboard entwickelt. „Hier bringen wir im Bereich Data Science unser Know-how von der automatisierten Mustererkennung und Analyse von komplexen Zusammenhängen ein, so wie die langjährige Erfahrung von Machine Learning Methoden für die Analyse von Prozessdaten.“ Sind die Vorgänge aber sehr komplex – wie beim Kunststoff Recyclingprozess, benötigt man dazu jedoch auch komplexe, nicht lineare Modelle. „Um solche nicht linearen Modelle verständlich und nachvollziehbar zu machen, verwenden wir Explainable AI, also erklärbare Künstliche Intelligenz“, so Freudenthaler.
Enormes Potenzial
Sophie Pachner meint: „In unserer Branche steckt definitiv noch viel Potenzial darin, Prozesse, Produkte und Dienstleistungen mithilfe von KI-Technologien zu verbessern. Entlang der Wertschöpfungskette gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, angefangen bei der Abfallsammlung über die Sortierung von Abfällen bis hin zur Extrusion und der Nachbehandlung des Regranulats. Hier geht es in erster Linie darum, KI und Datenanalysen für mehr Ressourcenschutz und Recycling sinnvoll einzusetzen“. Erema und das SCCH sind aktuell Projektpartner im Leitprojekt circPLAST-mr, welches sich mit dem mechanischen Recycling von Kunststoffen beschäftigt und im Projekt CHASE, bei dem es um die chemische Prozessindustrie geht.