Eine begrüßenswerte Entwicklung, die jedoch eine politische Herausforderung für den eigenen Weg der Europäischen Union zur Klimaneutralität darstellt. Die Stiftung KlimaWirtschaft hat Deloitte beauftragt, den Green Deal Industrial Plan der EU-Kommission und den Net-Zero Industry Act zu analysieren und Überlegungen anzustellen, wie eine industriepolitische Antwort der EU aussehen könnte.
Um die ehrgeizigen Ziele für die Wertschöpfungsketten von klimaneutralen Schlüsseltechnologien in der Europäischen Union zu erreichen, ist eine erhebliche Ausweitung der Produktionskapazitäten erforderlich. Die Studie zeigt auf, dass die Lücke zwischen dem von der Europäischen Union anvisierten Ziel von 40 % Produktionskapazitäten in Schlüsseltechnologien zur Erreichung der Klimaneutralität, und den aktuellen Kapazitäten groß ist. Die Industrie hat deutlich gemacht, dass der Ausbau der Produktion von erneuerbaren Energien und Wasserstoff für die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Binnenmarktes unerlässlich ist. Angesichts der strukturell hohen Energiepreise, die durch die Einfuhren fossiler Brennstoffe verursacht werden, ist ein wesentlich schnellerer und ehrgeizigerer Ausbau der erneuerbaren Energien der beste Weg, um die Energiepreise mittel- und langfristig zu senken, und zwar in Kombination mit intelligenten Förderinstrumenten wie Differenzverträgen (CfDs) und gezielten Anpassungen des europäischen Strommarktes, um die Vorteile kostengünstiger Erzeugungskapazitäten für Verbraucher:innen und industrielle Endverbraucher:innen zu erschließen.
„Der IRA ist ein Weckruf für die europäische Transformationspolitik: Wir brauchen einen einfachen und zielgenauen Anreiz zur Unterstützung von Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität, der das Emissionshandelssystem und das Fit-for-55-Paket ergänzt“, sagt Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft. „Der Green Deal Industrial Plan der EU mit dem Net-Zero-Industry Act als Kernstück muss jetzt ohne weitere Verzögerung pragmatisch, schnell und mutig umgesetzt werden. Daran müssen wir uns messen lassen!“
Die Analyse von Wertschöpfungsketten in den klimaneutralen Schlüsseltechnologien zeigt, dass in den meisten Fällen ein deutlich schnelleres Wachstum erforderlich ist:
- Bei der derzeitigen Geschwindigkeit des Zubaus von Erzeugungskapazitäten würden die REPowerEU-Ziele für die Solarstromkapazität im Jahr 2030 um 258 GW und die für die Windkraftkapazität um 231 GW verfehlt.
- Die jährliche Produktionsleistung für Photovoltaik müsste sich gegenüber dem heutigen Stand versechsfachen. Die jährliche Produktion von Windturbinen in Europa muss um 25 % gesteigert werden, um die REPowerEU-Ziele im Jahr 2030 zu erreichen. Insbesondere bei der Photovoltaik wird dies auf einem von chinesischen Herstellern dominierten Markt eine Herausforderung sein.
- Sowohl die Elektrolyseur- als auch die Batterieproduktion erfordern erhebliche Kapazitätserweiterungen, die größtenteils noch entwickelt werden müssen. Die entsprechenden Wertschöpfungsketten befinden sich erst im Aufbau.
- Die Ankündigung von Fertigungsprojekten für Elektrolyseure und Batterien in der EU würde ausreichen, um die erwartete Nachfrage zu einem guten Teil zu decken oder sogar zu übertreffen. Gleichzeitig besteht eine große Unsicherheit und das Risiko, dass angekündigte Projekte aufgrund von IRA-Subventionen und fehlender entsprechender Anreize in der EU zurückgestellt oder zurückgezogen werden.
Eine europäische Industriepolitik muss pragmatisch umgesetzt und sich auf die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie auf die Senkung der Energiekosten konzentrieren. Finanzierungsinstrumente wie die Important Projects of Common European Interest (IPCEI) oder der Innovationsfonds sollten im Zuge des Green Deal Industrial Plan vereinfacht und effizienter gestaltet werden. Die Ergänzung der bestehenden, auf CAPEX ausgerichteten Instrumente durch OPEX-Finanzierung ist ebenfalls entscheidend für den Erfolg des Net-Zero Industry Act.
Wichtig ist jedoch, dass die EU nicht in einen Subventionswettlauf _eintritt, sondern ihren eigenen Weg für eine intelligente und effektive Industriepolitik findet. So sollten etwa intelligente Förderinstrumente wie Auktionen und Differenzverträge (CfDs) gegenüber nominell festgelegten Vergünstigungen wie Steuergutschriften bevorzugt werden. Diese werden aber nur dann erfolgreich sein, wenn sie schlank gestaltet sind.