Altpapierbranche hat Dauerkrise bewältigt

Zum 25. Internationalen bvse-Altpapiertag in Stuttgart begrüßte Werner Steingaß, Vorsitzender des Fachverbandes Papierrecycling und Vizepräsident des bvse, die mehr als 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland, Europa, Nordamerika und Asien.
Foto: Joujou; pixelio.de

Werner Steingaß beleuchtete in seiner Rede Kernthemen aus den vergangenen 12 Monaten und betonte, dass die Altpapierbranche die dreijährige Dauerkrise bewältigt habe.

Der Vorsitzende des Fachverbandes Papierrecycling erläuterte, dass die konjunkturbedingten Schwierigkeiten der Papierbranche zu einem zeitweise ganz erheblichen Aufbau der Lagerbestände geführt haben. Steingaß: „In dieser schwierigen Gemengelage erwies sich der Altpapier-Export wieder einmal als unverzichtbares Ventil. Ohne dieses Ventil der Marktentlastung hätte diese Krise nicht bewältigt werden können, denn wir sind in Europa nach wie vor Nettoexporteur von Altpapier in Höhe von rund 6 Millionen Tonnen pro Jahr.“

Der bvse-Vizepräsident machte deutlich, dass Exporte von qualitativ behandelten, normierten Rohstoffen aus dem Recycling ein unerlässliches Regulativ für die Funktionalität der innereuropäischen Märkte seien.

„Verstopfte Märkte, wie im letzten halben Jahr, führen ohne einen funktionierenden Export zum Verlust des Wertes der Ware Altpapier und das können wir uns nicht leisten. Die Erfassung, Aufbereitung und zielgerichtete Vermarktung von Altpapier kostet Geld und das muss über den Wert der Ware kompensiert werden. Über die Gefahr reduzierter oder gar wegfallender Einnahmequellen auch für die Kommunen wollen wir gar nicht reden. Wenn wir es zulassen, dass durch verstopfte Märkte, auch wenn es kurzzeitig ist, der Wert der Ware die Kosten nicht mehr deckt, dann gehen Teile dieses wertvollen Rohstoffs Altpapier der Wertschöpfungskette verloren, teilweise auch unwiederbringlich verloren“, erklärte Werner Steingaß.

Er verwies darauf, dass Deutschland die besten Erfassungssysteme mit der besten Qualität habe und dass die deutschen Papierfabriken so eine Spitzen-Altpapiereinsatzquote von 79 % vorweisen können. Um all dies zu erhalten, dürfe der Wert der Ware Altpapier auch in schwierigen Zeiten nicht verloren gehen und das gelinge auf Dauer nur über einen freien, funktionierenden Weltmarkt und nicht durch Abschottung und Abgrenzung.

Die Novelle der EU-Abfallverbringungsverordnung entwickelt sich aber „genau in diese Richtung“ der Einschränkung und Behinderung.

Steingaß: „Man muss es sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Die Politik greift – ohne zu unterscheiden zwischen qualitativ aufbereiteten Verwertungsabfällen einerseits und unbehandelten Abfällen andererseits – massiv in funktionierende Märkte von Sekundärrohstoffen ein. Der bvse sieht daher die erfolgreiche Arbeit der Branche massiv gefährdet durch die drohende Behinderung des freien Welthandels mit aufbereitetem Altpapier.“

Umso wichtiger sei es, das Thema „Ende der Abfalleigenschaft für Altpapier“ voranzutreiben. Steingaß bezeichnete es als ein Top-Thema im Jahr 2023.

Altpapier kann nach Erfüllen bestimmter qualitativer Kriterien das Ende der Abfalleigenschaft erreichen. Dies entspricht bereits der gängigen Rechtsauffassung und Umsetzung in Spanien, Italien, Frankreich und der Wallonie – sowie in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Nach Ansicht des bvse ist es deshalb längst überfällig, dass der Gesetzgeber dies in Deutschland bundesweit anerkennt.

Der bvse-Vizepräsident ging in seinen Ausführungen ebenfalls auf die EU-Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle ein, die momentan in Brüssel beraten wird. Der bvse begrüße grundsätzlich die Ziele dieses Entwurfes, darunter die Stärkung des Verpackungsrecyclings auf dem Weg zu mehr Ressourcenschutz und Nachhaltigkeit, führte Steingaß aus. Allerdings lehne der bvse-Fachverband Papierrecycling die generelle Vorgabe zum verbindlichen Einsatz wiederverwendbarer Verpackungen ab.

Werner Steingaß: „Der dabei pauschal unterstellte Vorteil einer Mehrwegverpackung ist nicht belegt. Im Gegenteil: Der Aufbau notwendiger Rücknahmesysteme für Verpackungen aus PPK brächte deutlich mehr negative als positive Effekte mit sich. Das erfolgreiche, höchst effiziente Recyclingsystem von PPK-Verpackungen – also die Wiederverwertung statt Wiederverwendung – würde nachhaltig Schaden nehmen und getreu dem Motto: „never change a running system“ sollte hieran nichts geändert werden.“

Der Mehrwert bei PPK besteht gerade darin, führte Steingaß zur Begründung der bvse-Haltung aus, dass der Faseranteil in den bereits bestehenden Recyclingsystemen ökologisch vorteilhaft und effizient genutzt wird. Gerade bei PPK sind daher alle Anforderungen an Mehrweglösungen überflüssig.

Auch die Decarbonisierung ist für die Altpapierbranche ein wichtiges Thema. Mit etwa einer Milliarde Tonnen CO₂-Einsparpotenzial trage das Altpapierrecycling erheblich zu den internationalen Bemühungen der Bekämpfung der Klimakrise und dem politischen Willen nach „Grünen Lösungen“ bei. „Durch Recycling schonen wir primäre Ressourcen und leisten so unseren erheblichen Beitrag zum Naturschutz und zur Artenvielfalt. Die Recyclingwirtschaft ist Teil der Lösung für mehr Klimaschutz“, stellte der bvse-Vizepräsident fest.

Der bvse, so berichtet er, hat sich zusammen mit dem TÜV Süd dem Thema Decarbonisierung, konkret der Sichtbarmachung von CO₂-Reduktion bei der Erfassung und Aufbereitung von Sekundärrohstoffen wie Altpapier, gewidmet. Über einen standardisierten Prozessablauf können der CO₂-Rucksack und auch CO₂-Kennzahlen in der Erfassung und Aufbereitung von Altpapier ermittelt werden. „Der Vorteil dieser Feststellung besteht darin, die eigenen Werte und das Einsparpotenzial zu erkennen und hieraus auch gezielt in Energieeffizienz investieren zu können. Auch hier gilt es, die Nase vorn zu haben und nicht hinterherzulaufen. Hier wollen wir mit der Unterstützung unserer Mitgliedsunternehmen auch unseren Beitrag zur CO₂-Reduktion leisten“, betonte Steingaß abschließend.

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