Werden die heizwertreichen Anteile dieser Abfälle aufbereitet und beispielsweise bei der Zementherstellung mitverbrannt, lassen sich Energieträger wie Kohle oder Öl einsparen. Für einen umweltfreundlichen Einsatz müssen diese sogenannten Sekundärbrennstoffe definierte Qualitäten aufweisen. Bereits seit 2010 wurde im Rahmen von Forschungsvorhaben am Institut für Infrastruktur – Wasser – Ressourcen – Umwelt (IWARU) der FH Münster ein sensorgestütztes Verfahren weiterentwickelt, um die Qualität dieser Brennstoffe in Echtzeit zu analysieren. Auf Basis der Erkenntnisse hat die Forschungsgruppe eine DIN-Norm erarbeitet, die die Installation und den Betrieb dieser Technologie regelt – im Dezember 2022 hat das Deutsche Institut für Normung (DIN) sie veröffentlicht.
„Es ist toll, wenn Forschungsergebnisse in der Praxis angewandt werden. Dass die neue DIN-Norm eingeführt wurde, bietet großes Potenzial, um die Echtzeitmessung nun flächendeckend einzusetzen“, ordnet Max Kölking ein, der als Projektingenieur im Forschungsprojekt „ImnirE2 – Implementierung nahinfrarotgestützter Echtzeitanalytik für Ersatzbrennstoffe“ unter der Leitung von Prof. Dr. Sabine Flamme an der Weiterentwicklung der Technologie beteiligt war. Dazu erklärt er: „Werden beispielsweise heizwertreiche Fraktionen aus Siedlungs- oder Gewerbeabfällen aufbereitet, lassen sich diese als Sekundärbrennstoffe in der Zementindustrie nutzen. Die Qualität der Brennstoffe wurde bisher im Labor untersucht. Hier haben wir aber einen großen Zeitversatz von bis zu einer Woche, bis die Ergebnisse vorliegen.“ So müsse etwa überprüft werden, ob die Brennstoffe einen bestimmten Chlorgehalt nicht überschreiten und einen ausreichenden Heizwert aufweisen – also genug Energie liefern können.
Eine alternative Möglichkeit, die die Qualität in Echtzeit misst, bietet ein im Projekt weiterentwickeltes System mit Nahinfrarotspektroskopie. „Die Analyseeinheit wird über dem Förderband in der Aufbereitungsanlage installiert. Während der Messung emittiert eine Lichtquelle elektromagnetische Strahlung im nahen Infrarotbereich, die je nach Material unterschiedlich absorbiert und reflektiert wird. Dies erzeugt ein messbares Spektrum, das mit Vergleichsspektren in der hinterlegten Datenbank abgeglichen wird“, erläutert Kölking. So lasse sich identifizieren, welche Materialien im Stoffstrom enthalten sind. Dieses Prinzip wird bereits bei der Sortierung von Abfall genutzt. „Als wir diese Sortiertechnologie vor circa 20 Jahren für die Sekundärbrennstoffproduktion eingeführt haben, entstand auch die Idee, diese zu Analysezwecken weiterzuentwickeln“, so Projektpartner Dr.-Ing. Thomas Glorius von der Remondis Rheinland GmbH & Co KG. Bei der Echtzeitanalyse werden zusätzlich noch die Flächen der Materialien erfasst und darüber deren Massen berechnet. „Kombiniert man diese Informationen mit materialspezifischen Analysewerten, kann das System die entsprechenden Messdaten in Echtzeit generieren. So lässt sich die Qualität des Brennstoffgemischs direkt in der Anlage überwachen“, erklärt Kölking.
Auf Basis der Forschungsergebnisse hat das IWARU gemeinsam mit den Projektpartnern Tomra, der Remondis Rheinland und der Universität Stuttgart im Rahmen des EU-Projektes „NuCA – Sustainable and Low-carbon Waste Treatment“ eine DIN-Norm erarbeitet, die das Deutsche Institut für Normung (DIN) im Dezember 2022 veröffentlicht hat. Die DIN-Norm 54390 „Feste Sekundärbrennstoffe – Echtzeit-Bestimmung von Parametern mittels Nahinfrarotspektroskopie“ legt beispielsweise fest, wie und in welchen Intervallen das System kalibriert werden muss. Den Normenausschuss NA 062-05-83 AA „Sekundärbrennstoffe“ leitet Prof. Flamme: „Wir haben die DIN-Norm nun auch als ISO-Normvorschlag eingereicht, sodass sie zukünftig auch international gelten könnte. Der ISO-Ausschuss prüft den Antrag derzeit“, erklärt die Hochschullehrerin für Ressourcen-, Stoffstrom- und Infrastrukturmanagement.
„Das Echtzeitanalysesystem leistet einen wichtigen Beitrag zur Digitalisierung der Abfallwirtschaft – Ziel ist es, möglichst viele Daten zu generieren und damit umfassendes Wissen über Abfallströme zu sammeln“, erklärt Kölking. Das sei gut, um Aufbereitungsprozesse zu automatisieren und effizienter zu machen. Als Anstoß für weitere Forschung nennt der Bauingenieur smarte Aufbereitungsanlagen: „Das System zur Echtzeitanalyse kann mit anderen Maschinen in der Anlage kommunizieren, um so den gesamten Aufbereitungsprozess eigenständig zu steuern. Hier wird der Einsatz von künstlicher Intelligenz eine immer größere Rolle spielen.“