Umsatzrekord, getrieben durch extreme Kostensteigerungen

Die deutsche kunststoffverarbeitende Industrie erwirtschaftet im Krisenjahr 2022 einen Rekordumsatz. Die technischen Teile legen im Umsatz zweistellig zu, und die Kunststoff-Recycler erhöhen erneut ihren Absatz.
Bild: lichtkunst.73, pixelio.de

Die auch 2022 fortgesetzte Kostenexplosion von Kunststoffgranulaten, Energie und Logistikleistungen trieben den Umsatz der kunststoffverarbeitenden Industrie um 10,2 Prozent in die Höhe auf den Rekordwert von 77,4 Mrd. €. Ein Produktionswachstum fand jedoch nicht statt. Insgesamt ging der Verbrauch an Kunststoffgranulaten um 2,4 Prozent zurück, was in etwa dem Produktionsrückgang von 2,7 Prozent entspricht. So die jüngsten Zahlen für die Kunststoffverarbeiter, die vom Verband Technische Kunststoff-Produkte, wie schon in den vergangenen Jahren auf Basis der Zahlen des Statistischen Bundesamtes für die Branche ermittelt wurden.

Die Hersteller im Bereich der Technischen Teile konnten sich diesem Branchentrend entgegenstellen und ihre Produktion um 6,5 Prozent gegenüber dem schwachen Vorjahr erhöhen. Treiber waren primär die inländische Automobilproduktion, die um elf Prozent sowie die Hersteller in der Elektronikindustrie, die um zwei Prozent zugelegt haben. Mit einem Umsatzwachstum von 7,4 Prozent in diesem Segment konnten die massiven Kostensteigerungen jedoch nur in geringem Umfang an die Kundenindustrien weitergegeben werden. Dies führte bei einem Drittel der Unternehmen zu Gewinnrückgängen bzw. Verlusten. Dennoch konnten sich die Hersteller der Technischen Kunststoffteile behaupten und ihre Belegschaft um 1,1 Prozent auf 101.000 Beschäftigte in über 900 Unternehmen ausbauen. Damit bleibt das Segment der Technischen Teile mit 31 Prozent der Beschäftigten der arbeitsmarktpolitisch größte Bereich der Kunststoffverarbeitung und rangiert damit knapp vor den Herstellern von Baubedarfsartikeln.

Weniger Neumaterial, mehr Rezyklate

Der Einsatz von Neuware in den Kunststoffprodukten ging auch 2022 um rund 4,5 Prozent zurück. Neben der Tatsache, dass immer mehr neue Produkte bereits mit höheren Rezyklatquoten zugelassen oder designt werden, haben auch der starke Preisanstieg und die anfangs mangelnde Verfügbarkeit der Neumaterialien den Trend zu Rezyklaten gefördert. Damit stieg der Rezyklatanteil bezogen auf die Gesamtmenge um 19 Prozent auf 2,6 Mio. Tonnen.

Die Rezyklatquoten in den langlebigen Produkten, wie der Fahrzeugindustrie, stiegen auf 7 Prozent und die der Elektroindustrie, wo der Einsatz von Rezyklaten traditionell etwas schwieriger ist, auf 5 Prozent. Für die weitere Erhöhung der Rezyklatanteile in Kunststoffprodukten äußert sich Rainer Zies, Inhaber und Geschäftsführer der MKV GmbH Kunststoffgranulate und Mitglied des Vorstands, die klare Forderung, „dass der Maßstab für die eingesetzten Materialien sein muss, dass die CO₂-Äquivalente der Rezyklate immer besser sein müssen als die der Neuware; nur so kann gewährleistet werden, dass das Kunststoffrecycling auch ein Beitrag für die CO₂-Reduzierung und den Klimaschutz ist.“

Extremer Fachkräftemangel

Nach wie vor leidet die Branche unter einem extremen Fachkräftemangel. So melden 87 Prozent der Unternehmen einen Fachkräftemangel. Allen voran fehlt das technische Personal, Kunststofftechniker/innen und Verfahrensmechaniker/innen, technische Auszubildende und Ingenieur/innen.

Aline Henke, Inhaberin und Geschäftsführerin der Hankensbütteler Kunststoffverarbeitung und Initiatorin der Ausbildungsinitiative „Hallo Zukunft“, regt an, dass „gerade die junge Generation, die sich so deutlich zur Ressourcenschonung positioniert, in der Kunststoff verarbeitenden Industrie die Möglichkeit hätte, wesentlichen Einfluss auf den Klimawandel zu nehmen, und zwar mit der CO₂-armen Herstellung von Kunststoffprodukten, die in ihrem Produktleben CO₂ einsparen und am Lebensende in Deutschland zu über 99 Prozent verwertet werden können. Es betrübt und überrascht mich zugleich, dass in der Arbeit mit dem Werkstoff Kunststoff dieser offenbar nicht als Teil der Lösung unserer Herausforderungen gesehen wird. Die Chancen sind da, da rund drei von vier kunststoffverarbeitenden Unternehmen ausbilden. Mit mehr Nachwuchs könnten wir einen echten Benefit für die gemeinsamen Klimaziele erreichen!“

Die Coronapandemie legte zudem die Schwachstellen der digitalen Infrastruktur offen, und deren Behebung erscheint nicht entschlossen genug. „Hier muss deutlich mehr passieren“, fordert Felix Loose, TecPart-Vorsitzender sowie Geschäftsführer der AGOR GmbH, und ergänzt: „Es muss wieder eine strategische Weitsicht ins Wirtschaftsministerium einziehen, die das Wünschenswerte mit dem Machbaren in Einklang bringt. Sonst steht zu befürchten, dass wir am Ende des Tages die Klimaziele erreichen, weil wir Deutschland deindustrialisiert haben!“

Ausblick für die Branche

Es bleibt weiterhin fragil! Es mehren sich aber die Zeichen, dass die Rezession abgewendet werden kann und auch die Hersteller von technischen Kunststoffteilen 2023 mit einem kleinen Wachstum rechnen können. Im Zuge der Nachhaltigkeitsdiskussion wird der Kunststoff in zweifacher Hinsicht positiv auffällig. Zum einen können die leichten, langlebigen Kunststoffprodukte bereits heute bei der Herstellung und Nutzung gegenüber anderen Materialien CO₂ einsparen, zum anderen führen veränderte Konstruktionsprinzipien zu höheren Rezyklatquoten.

„Beide Aspekte stärken die Zukunftsperspektiven der Branche, auch wenn materialbedingt bei den Rezyklatquoten noch Grenzen akzeptiert werden müssen, nicht zuletzt, weil die Verfügbarkeit von passenden Kunststoffabfällen derzeit nicht in ausreichenden Mengen und Qualitäten vorhanden sind. In einigen nationalen und europäischen Normungsgremien setzt sich TecPart dafür ein, dass hier realistische Vorgaben entwickelt werden und der EU-Normungsauftrag, soweit es die Kapazitäten erlauben, bearbeitet werden kann.

Dies bedeutet, dass sich die durch TecPart ebenfalls vertretenen Compoundier und Recycler auf eine beständige Nachfrage in 2023 einstellen können“, prognostiziert Michael Weigelt, Geschäftsführer des Verbands Technische Kunststoff-Produkte in seinem abschließenden Fazit.

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