Während bei der Herstellung des Rohmaterials im Rahmen der chemischen Produktion eine sichere und wettbewerbsfähige Gasversorgung im Vordergrund steht, erfolgt die Formung von Kunststoffen im Rahmen der Weiterverarbeitung vorwiegend unter Zuhilfenahme von Strom. Insofern hat die sichere als auch wettbewerbsfähige Versorgung mit Strom und Gas für die gesamte Wertschöpfungskette eine existentielle Bedeutung. „Vor diesem Hintergrund erfüllt uns die aktuelle Situation auf den Energiemärkten mit großer Sorge. Die Versorgungskrise bei Gas droht auf den Strommarkt überzugreifen. Das letzte Entlastungspaket enthält keine Maßnahmen für Unternehmen und industriellen Mittelstand. Angesichts des hierin drohenden Gefahrenpotentials für die Wirtschaft und insbesondere die Kunststoffindustrie, muss ein solches Überschwappen verhindert und Maßnahmen ergriffen werden“, so Dr. Ron Brinitzer, Geschäftsführer Kunststoffland NRW. Für viele KMU sind nach Automobilkrise, Lieferkettenproblemen und Corona sämtliche Rücklagen aufgebraucht, sodass hier schnell gehandelt werden muss.
Kunststoffland NRW fordert angesichts der alarmierenden Energiepreissituation:
- Insbesondere für (mittelständische) Unternehmen, die die gestiegenen Preise auf der Einkaufsseite nicht weitergeben können und deshalb in Schieflage geraten, sind kurzfristige direkte und unbürokratische Förderprogramme und Hilfen analog den Coronahilfen bereitzustellen. Das gilt gerade mit Blick auf das Energiekostendämpfungsprogramm, welches bislang nur den engen Empfängerkreis sogenannter energieintensive Unternehmen im Fokus hat. Hier sind breitere Härtefallregelungen zur Unterstützung stark belasteter Unternehmen nötig, denen aufgrund der Energiepreise ohne Eigenverschulden jetzt die Insolvenz droht.
- Der Gaseinsatz in der Verstromung ist unter Berücksichtigung der Wärmeauskopplung so weit wie möglich zu reduzieren. Kraftwerke mit niedrigeren Grenzkosten sollten zum Einsatz kommen, um die Merit-Order-Kurve möglichst weit nach rechts zu verschieben, sodass Gaskraftwerke so selten wie möglich preissetzend wirken. Neben einem massiven Ausbau der Erneuerbaren gehört hierzu kurzfristig das schnelle Wiederanfahren von Kohleblöcken und auch der vorübergehende Streckbetrieb der letzten AKW.
- Kompensatorische Maßnahmen sind einzuleiten. Hierzu gehört u.E. eine Senkung der Netzentgelte im Umfang von EUR 2 Mrd., wie sie im Rahmen des Braunkohleausstiegs von der Kohlekommission vorgeschlagen wurde.
- Flexibilisierung der nationalen CO₂-Bepreisung, bei der der CO₂-Preis sich in Abhängigkeit des Marktpreises ergibt und ein hoher Marktpreis automatisch zu einer Absenkung der CO₂-Abgabe bis auf null führt, sodass die CO₂-Abgabe nur bei niedrigen Marktpreisen greift. Ähnliche preisstabilisierende Elemente lassen sich auch beim europäischen CO₂-Handel einführen. In Anbetracht der exorbitanten Energiepreise, sparen die Unternehmen ohnehin fossile Energieträger und senken damit ihre CO₂-Emissionen, wo sie nur können.