Vom Verbraucher zum Unternehmer

Mit der Rolle der Verbraucher*innen beschäftigt sich die Studie „Circular Economy: The Rise of the Consumer Entrepreneur“ von Consors Finanz. Dafür wurden Verbraucher*innen in 17 europäischen Ländern befragt.
Foto: Dean-Norris; pixabay.com

Laut Studie sei die Kreislaufwirtschaft bei den Verbraucher*innen bereits angekommen und werde akzeptiert. Dies spiegele sich in einem bewussteren und nachhaltigeren Verbrauch wider. Allerdings seien die Motive dafür völlig unterschiedlich. Einige Verbraucher*innen seien aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten gezwungen, weniger zu kaufen, auf gebrauchte Produkte zurückzugreifen oder vorhandene Produkte länger zu nutzen. Andere würden bewusst auf Konsum verzichten oder wollten nachhaltiger handeln. Zudem würden Verbraucher*innen immer mehr darauf drängen, dass Produkte nachhaltiger, ressourcenschonender und ohne Abfall hergestellt werden. Darauf müsse sich der Handel so schnell wie möglich einstellen. Gleichzeitig biete dies aber auch großer Chancen im Hinblick auf ein nachhaltiges Wachstum.

Konsumbereitschaft nimmt zu

Die grundsätzliche Stimmung in den einzelnen Ländern habe sich nach einem Tiefpunkt 2021 wieder leicht erholt. Durchschnittlich werde die Gesamtsituation im eigenen Land mit 5,4 auf einer Skala bis 10 bewertet, im Vorjahr lag der Wert bei 4,7. Allerding seien deutliche regionale Unterschiede zu erkennen. So sei die Einschätzung in Dänemark und Norwegen mit 7,1 besonders hoch, in den osteuropäischen Staaten hingegen eher niedrig. Die größten Steigerungen mit 1,1 habe es in Großbritannien, Spanien und Frankreich gegeben. Die letzten beiden Staaten würden damit über dem Niveau von 2019 liegen.

Deutlich positiver falle die Einschätzung der persönlichen Situation aus, hier werde ein Durchschnittswert von 6,2 erreicht. Im Vorjahr habe der Wert noch bei 5,7 gelegen. Kein Land würde unter einem Wert von 5 liegen und etwa die Hälfte der untersuchten 17 Staaten liege bei einem höheren Wert als vor der Pandemie. Bemerkenswert sei noch, dass in Dänemark und Norwegen die persönliche Lage schlechter eingeschätzt wird als die Gesamtlage. Die Bereitschaft, in den kommenden Monaten mehr Geld auszugeben, sei nach der Pandemie von 34 auf 41 Prozent gestiegen. In allen Ländern sei dieser Wert mindestens stabil geblieben oder sogar gestiegen. Besonders stark gestiegen sei er in den osteuropäischen Staaten. Dennoch sei die Absicht, in den kommenden zwölf Monaten mehr zu sparen, gleich hoch bei 54 Prozent geblieben. In vielen Ländern sei die Absicht zu sparen deutlich höher als vor der Pandemie. Der Fokus der geplanten Ausgaben liege dabei auf Reisen und Haushaltsgeräten, Möbeln und Renovierungen.

 

Immerhin fast 70 Prozent der Befragten gaben an, von Kreislaufwirtschaft schon einmal gehört zu haben. Und 25 Prozent gaben sogar an, genau zu wissen, was das ist. Dabei habe Italien mit 36 Prozent einen Spitzenwert erreicht vor Deutschland (29 Prozent), Frankreich und Spanien (28 Prozent) und Norwegen (26 Prozent). Vor allem in Osteuropa würden die Werte niedriger liegen. Dabei attestierten 85 Prozent der Befragten der Kreislaufwirtschaft ein positives Image. Dies passe auch zu den positiven Werten, die der Kreislaufwirtschaft zugeschrieben werden. 85 Prozent denken, dass sie die Umwelt schützt, 82 Prozent erwarten Innovationen und 75 Prozent gehen davon aus, dass sie neue Arbeitsplätze schafft. 65 Prozent gaben aber auch an, dass sie mit hohen Kosten verbunden sei.

89 Prozent der Befragten gaben an, regelmäßig oder doch zumindest häufig ihre Abfälle zu trennen. Immerhin noch 84 Prozent würden versuchen, ihr Abfallaufkommen zu verringern, etwa durch weniger Verpackungen, den Kauf unverpackter Lebensmittel oder die Entscheidung für wiederverwendbare Produkte. 81 Prozent versuchen, nicht mehr benötigte Produkte einer Wiederverwendung zuzuführen. In allen drei Bereichen gaben fast 90 Prozent der Befragten an, dies häufiger zu tun als noch vor drei Jahren.

Die Frage, ob die Kreislaufwirtschaft in ihrem Land gut entwickelt sei, beantworteten 36 Prozent mit ja. Dabei schätzten Dänen (54 Prozent), Briten (51 Prozent), Schweden (49 Prozent) sowie Deutsche und Norweger (45 Prozent) ihr Land in Sachen Kreislaufwirtschaft besonders positiv ein. In Bulgarien sehen lediglich 6 Prozent der Befragten eine gut entwickelte Kreislaufwirtschaft. Mit 59 Prozent fühle sich die Mehrheit in Bezug auf Abfallvermeidung, Recycling und Wiederverwendung gut informiert.

Weniger Abfall

Etwa 60 Prozent der Befragten gaben an, zwar nicht weniger zu kaufen, aber dennoch ihre Abfallmenge zu reduzieren. Dies würden sie dadurch erreichen, dass sie Produkte länger nutzen, verkaufen oder verschenken. 32 Prozent gaben an, weniger zu kaufen. Aus Sicht der Verbraucher*innen spielt bei der Kreislaufwirtschaft offensichtlich die Möglichkeit, Geld zu verdienen, eine wesentliche Rolle. 78 Prozent der Befragten gaben dies an. Umgekehrt antworten auf die Frage, warum sie gebrauchte Produkte kaufen, 52 Prozent, weil sie damit Geld sparen. Beim Umgang mit dem gesparten Geld würden sich die Geister wieder scheiden: Während 48 Prozent das gesparte Geld für andere Produkte ausgeben, würden 52 Prozent es sparen.
Etwas mehr als 60 Prozent gaben an, im vergangenen Jahr gebrauchte Produkte verkauft zu haben. In der Altersgruppe von 18 bis 34 Jahren waren es sogar 77 Prozent, auch die Altersgruppe von 35 bis 49 lag hier mit 67 Prozent noch über dem Durchschnitt. Bemerkenswert auch: Die Befragten gaben an, monatlich im Schnitt 77 Euro damit zu verdienen. Auch hier gab es wieder deutliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen: Die Altersgruppe von 18 bis 34 erreichte einen Durchschnitt von 103 Euro, die Altersgruppe von 35 bis 49 noch 86 Euro. Ebenfalls drastisch sind die Unterschiede zwischen den Ländern. Während die Einnahmen unter anderem in Großbritannien (115 Euro), Deutschland (105 Euro) und Dänemark (90 Euro) deutlich über dem Durchschnitt lagen, gab es offenbar in Ungarn (27 Euro), der Tschechischen Republik (35 Euro) oder der Slowakei (37 Euro) deutlich weniger zu verdienen.

Konsumer werden Unternehmer

Bisher seien die Verbraucher*innen diejenigen gewesen, die den Lebenszyklus eines Produkts beenden. In einer Kreislaufwirtschaft würden sie aber unternehmerischer bezüglich ihres eigenen Verbrauchs und damit zu komplexeren Figuren werden. Dieses Verhalten würde grundsätzlich die Vorgehensweise von Herstellern und Händlern verändern. Laut Studie ändere sich die Rolle des Individuums, da Käufer*innen nun gelegentlich auch Verkäufer*innen sein können, sie sich immer mehr der Umweltauswirkungen ihrer Käufe bewusst werden und sie hätten die Möglichkeit, Produkte viel stärker nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Den Herstellern und Händlern werde klar, dass die Verbraucher*innen mehr Kontrolle über ihren Konsum erlangen wollen.

Besitzen bleibt relevant

Trotz aller Begeisterung, die die Befragten für die Kreislaufwirtschaft aufbringen, ist es im Durchschnitt 75 Prozent der Befragten immer noch sehr wichtig, Produkte selber zu besitzen. Auch das Kaufen neuer Produkte erfreue sich nach wie vor großer Beliebtheit – zumindest bei bestimmten Produktkategorien. Neben Computern und Smartphones treffe das vor allem auch auf Kleidung und Möbel zu, die Werte liegen hier bei 90 Prozent und höher. Umgekehrt gaben bei Büchern oder Videospielen 36 beziehungsweise 33 Prozent an, diese lieber leihen oder mieten zu wollen. Fehlende Garantien sind der wesentliche Grund, warum Verbraucher*innen keine gebrauchten Produkte kaufen. Dies treffe in besonderem Maße auf ältere Zielgruppen zu.

Ein Reparierbarkeitsindex würde auf große Zustimmung der Verbraucher*innen stoßen (86 Prozent). Noch größer ist das Interesse an einem Haltbarkeitsindex (90 Prozent). Fast 70 Prozent wären sogar bereit, mehr dafür zu bezahlen.

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