Eveline Lemke, Ministerin a.D. und Kopf von Thinking Circular, einem Beratungsunternehmen mit Sitz in Niederzissen, zieht ein Resümee: „Die Abfallwirtschaft muss dringend neben den Rettungsdiensten in den Krisenstrukturen mitgedacht und eingebaut werden. Hier besteht Regelungsbedarf. Konzepte zur Zwischenlagerung können bereits in der Schublade liegen, ebenso wie Handbücher für Krisenmanager, in denen die Regeln für gute Abfallbewirtschaftung zu finden ist. Abfall spielte beim Retten eine untergeordnete Rolle. Das muss sich ändern, denn das Management der Abfälle ist teuer und kann nur optimiert werden, wenn die Planung dazu bereits beim obersten Krisenmanagement mitgedacht wird.“
Eveline Lemke fasst die wesentlichen Ergebnisse der Abfallmanager*innen in den Kapiteln Ziele, Paradigmen im Wandel und Fazit zusammen. Zudem identifiziert sie auch Best-Practices und zeigt auf, an welchen Fragen aktuell Forscher*innen arbeiten, die in direkter Verbindung zur Abfallwirtschaft im Ahrtal stehen. Damit bietet der Bericht Anlass, gezielt Projekte weiter zu beobachten oder zu begleiten, die uns helfen, unsere Systemstrukturen resilienter aufzustellen. Es bieten sich Ansatzpunkte für Antworten, an denen heute bereits die Enquete-Kommission des Landtages arbeitet.
Hochwasserabfall entspricht keiner sonst üblichen Abfallqualität, dies trifft auf den Havarieabfall genauso zu wie auf Reste aus Kühltruhen, die tonnenweise in der Erde vergraben wurden, um direkt nach der Flut kein Hygienerisiko zu bieten. Auch dafür müssen Regeln neu geschrieben werden, Abfallschlüssel eingeführt werden und Regeln auch nach dem Notstand klar sein, damit der Umgang mit den Abfällen eindeutig ist und zügig abgewickelt werden kann. Im Notstand durchgeführte
Maßnahmen sollten teilweise auch danach Bestand haben können. So wurden umfängliche Zwischenlager in anderen Bundesländern gebildet, die nun wieder aufgelöst werden müssen. D. h. riesige Mengen an Abfällen werden mehrfach über weite Strecken transportiert und zudem emittieren sie auch Methan als Folge der hohen Biomasseanteile in den Abfallgemischen. Hier ist für die Zukunft Achtsamkeit angesagt.
Eine Beobachtung der Autor*innen gilt es weiter wissenschaftlich zu betrachten: Die Klimawirkung aus dem Hochwasserabfall hat sich gegenüber dem Durchschnitt pro Kopf fast verdoppelt, ohne dass Neuanschaffungen, notwendiger Wiederaufbau oder die Wirkungen aus Sanierungen und Reparaturen in die Kalkulation eingeflossen wären. Das ist ein immenser Schaden und damit steht die These im Raum, dass derartige Schadensereignisse wie an der Ahr selber eine negative Klimawirkung entfachen. „Den urbanen Kippeffekten aus Klimafolgen haben wir noch keine Aufmerksamkeit gewidmet. Es wird Zeit, genau damit jetzt zu beginnen,“ so Lemke.
Auf 100 Seiten fassen die Autoren des Berichts zusammen, wie die Manager*innen der Abfallwirtschaft nach der Flut im Juli 2021 im Landkreis Ahrweiler den riesigen Mengen an Hochwasserabfällen Herr werden konnten. Dabei bildet der Bericht nicht nur die Stoffströme ab und zeigt, wo welche Mengen in welcher Qualität angefallen sind, sondern gibt auch tiefe Einblicke in die Organisationsstrukturen, Kommunikationswege, Herausforderungen und Lösungsmechanismen.
111 Bilder, zahlreiche Grafiken und Tabellen ergänzen mit einer umfangreichen Faktensammlung die Beobachtungen der Manger*innen der Abfallwirtschaft. Sie haben den Autor*innen des Berichtes in wöchentlichen Interviews dargelegt, welche Herausforderungen auftraten und wie diese gelöst wurden oder gelöst werden sollten. Wissenschaftler*innen und Politiker*innen haben jetzt mit diesem Bericht einen Fundus an Information. Über 200 Seiten Anlagen finden sich in einem weiteren Dokument, welches der Wissenschaft und Politik der Bewertung ebenso vorgelegt wird. Der Bericht geht sowohl der Landesregierung als auch dem Landtag zur weiteren Bewertung der Ergebnisse zu.