Doch wenn auf einen Schlag rund 500 Parkplätze durch den Rückbau des Parkhauses Fina an der Hildegardstraße wegfallen, braucht es Ersatz. Diesen bietet knapp 200 Meter weiter die im März 2021 eröffnete unterirdische Hofbräuhaus Parkgarage unter dem Thomas-Wimmer-Ring – in Anlehnung daran kurz und knapp „Tom“ genannt. Dadurch war der Weg frei für den Parkhausabbruch, den die Firma Ettengruber nach einem ausgeklügelten Emissionsschutz-Konzept vornimmt, wenn in Summe rund 53 000 Kubikmeter umbauter Raum zu beseitigen sind. Den Auftrag dafür erteilte Wöhr + Bauer, die in einem europaweiten Vergabeverfahren zusammen mit dem Vorhaben „Tom“ den Zuschlag erhalten hatten und auf den einstigen Parkflächen von Fina zwei neue Stadthäuser realisieren.
Bevor die Abbruchbagger von Ettengruber anrückten, durften sich noch mal Street-Art-Künstler austoben. Wöhr + Bauer hatten das Münchner Graffiti-Kollektiv „Broke.Today“ explizit dazu eingeladen, den grauen Parkhaus-Koloss als bunte und temporäre Leinwand zu nutzen, bevor der Rückbau Schritt für Schritt eingeläutet wurde. „Anfangs hat uns der durch Corona verursachte Lockdown durchaus in die Hände gespielt, denn das Verkehrsaufkommen in der Innenstadt war noch deutlich geringer, weil viele im Homeoffice arbeiteten, was für den Baufortschritt dagegen Vorteile hatte. Seit August ist in der Innenstadt deutlich mehr los – bedingt durch die vielen Touristen“, heißt es seitens Wöhr + Bauer.
Um auf Anwohner zuzugehen, wurden Nachbarn von dem Bauherrn von Anfang an mit ins Boot geholt und eingebunden. Eine Online-Informationsveranstaltung wurde per ZOOM ab-gehalten, um Fragen zu beantworten und die ersten Schritte des Bauvorhabens zu erläutern. Regelmäßig werden die Anwohner informiert, wie über die Anlieferung der Baumaschinen auf die Baustelle und über den Bauablauf. Hierfür stehen die Projektverantwortlichen jeden Dienstagnachmittag von 16 bis 18 Uhr für Fragen in der Sprechstunde zur Verfügung.
Dem Abtragen von Decken und Wänden gingen umfassende Vorbereitungen wie etwa die Entkernung voraus, damit schweres Gerät den Stahlbeton in kleine Häppchen fachgerecht zerlegen konnte. So wurde erst der Bodenbelag abgefräst und dann mit einer Kehrmaschine zusammengefegt. „Bei einem Parkhaus, das 40 Jahre in Betrieb war, muss man damit rechnen, dass Autos undicht waren und Öl verloren haben, das in den Belag eingedrungen ist. Außerdem brachten Autos im Winter Tausalz ein, was den Belag angriff und nun eine Trennung der Fläche von der restlichen Bausubtanz erforderlich machte“, erklärt Michael Eder, Bauleiter von Ettengruber. So wurde der Bodenbelag gesondert entsorgt. Schadstoffe wie KMF in Dämmmaterial und Styropor wurden ebenfalls separat entfernt. Geländer, Lampen und Leitungen wurden im Zuge der Entkernung ausgebaut. Weil die Abbruchfelder sehr groß sind, wurden Holzbalken als statische Absicherung eingezogen – sie sollen einen kontrollier-ten Rückbau der Decken gewährleisten.
Der maschinelle Abbruch wird stufenweise in drei Phasen auf der 2 900 Quadratmeter großen Fläche über die Bühne gehen. Gestartet wurde mit dem östlichen Gebäudeteil, um zu-nächst ein an das Parkhaus angrenzendes Bürogebäude plattzumachen. Es umfasste ein Unter- sowie vier Obergeschosse und erreichte eine Höhe von 17 Metern. Dann ging es dem mittleren und somit größten Teil des Parkhauses an den Kragen. Um Beton und Stahl in einer Höhe von 24 Metern aus den massiven Wänden und Decken mithilfe des Gebäudes mit seinen sieben Geschossen zu trennen und herauszuschneiden, war ein Longfrontbagger gefordert, sich Schritt für Schritt von oben nach unten vorzuarbeiten. Der Baumaschine mit langem Ausleger arbeiteten zwei weitere Bagger in Form der beiden Cat 352F zu. Ihr Job: die unteren Stockwerke zu zerlegen und das Unterschoss mit dem Pulverisierer zu öffnen. Außerdem soll Beton mit einem Pulverisierer zerkleinert werden. Mit diesem wird der Keller hohlraumfrei verfüllt und die Verbau-Ebene für die Verbau-Geräte hergerichtet.
Die Schlussphase betrifft dann den unterirdischen Abbruch. Das Parkhaus besitzt ein Untergeschoss, das ebenfalls restlos im Zuge des Ausbaus für die neue Baugrube rückgebaut werden muss. Das Material wird in diesem Zuge vorsortiert und dann in transportfähige Stücke auf Lkw verladen, die in der eigens eingerichteten Ladezone halten und so wenig öffentlichen Raum wie möglich beanspruchen. Somit wird dem anschließenden Recycling der Weg geebnet. Das wiederum erfolgt außerhalb des Altstadtzentrums. Dazu wird der Betonaufbruch in verschiedene Fraktionen gebrochen, dann gesiebt und fremde Störstoffe werden aussortiert. Wiederaufbereitet und zertifiziert, kann das Recyclingmaterial erneut dem Bau-Kreislauf wie dem Straßenbau zugeführt werden.
Die Lage des Abbruchprojekts – etwa in direkter Nachbarschaft zum Luxushotel Mandarin Oriental – erforderte entsprechende Schutzmaßnahmen im Hinblick auf auftretende Emissionen. Baumaschinen können bislang noch nicht komplett geräuschlos arbeiten und so ist Lärm bei einem Abbruch unvermeidlich. „Wir versuchen jedoch, den Geräuschpegel auf ein Minimum zu reduzieren und achten ohnehin auf die Mittagszeit, wo wir mit den Arbeiten pausieren“, führt Michael Eder aus. Rücksicht nehmen seine sieben Kollegen auf die Nachbarschaft, insbesondere auf die benachbarten Gastronomiebetriebe. „Daher schauen wir, dass wir den Meißeleinsatz minimieren, doch ganz können wir darauf nicht verzichten“, führt Michael Eder aus. Lauter wird es insbesondere immer dann, wenn einzelne Betonbrocken nach unten ins Baufeld fallen. „Grundsätzlich dominieren im Vordergrund die Motorengeräusche der Baumaschinen“, meint der Bauleiter. Es sind nicht die Geräusche allein, die Emissionen auslösen. Um Staubbildung zu vermeiden, richten die Abbruchscheren Wasserdüsen auf den auftretenden Staub, um ihn bereits im Keim seiner Entstehung zu binden. Darüber hinaus führen C-Schläuche über die Baustelle – Mitarbeiter der Abbruchfirma richten zusätzlich einen Wasserstrahl auf den Werkzeugeinsatz. Dazu wird eine Arbeitsbühne eingesetzt, um selbst noch in 24 Metern Höhe den Wasserstrahl zielgerichtet führen zu können.
Außerhalb des Bauzauns hat Ettengruber einen weiteren Mitarbeiter abgestellt, der auf Sicherheit achtet. Um die Baustelle nach außen hin abzuschirmen, wurde ein Gerüst aufgestellt. Außerdem wird ein Autokran eingesetzt, der eine Gummimatte als Vorhang hält. Er dient als Prallschutz und Absicherung, damit keine Betonteile außerhalb des Bauzauns in den öffentlichen Verkehrsraum fallen, sondern innerhalb des Baufelds bleiben. Außerdem enthält er ein Hydroschild, mit dem Wasser wiederum Staub bindet. Allein der Bauzaun zur Absicherung der Baumaßnahme, den das Abbruchunternehmen Ettengruber stellt, unterscheidet sich von herkömmlichen Drahtgittern. Er besteht aus einer ein Meter hohen und zwei Meter langen Betonleitplanke. Durch das Eigengewicht von über einer Tonne bietet er Stabilität und durch seine massive Bauweise ist er sicher vor Verrutschen – selbst bei Wind steht er wie eine Eins. Auf die Leitplanke aufgesetzt wird ein zwei Meter hoher Aufbau aus blickdichten Mehrschichtplatten. Das schafft ein einheitliches Erscheinungsbild nach außen. Nicht nur die Baustelle selbst profitiert von der Konstruktion, auch die Anwohner und Passanten werden vor den im Baubetrieb zwangsläufig auftretenden Beeinträchtigungen wie Lärm und Staub geschützt. Immer wieder muss der Bauzaun an den Baufortschritt angepasst werden, sodass ein Umsetzen der Absperrung nötig ist.
Ist das Parkhaus bis zu den Fundamenten entfernt, entsteht eine Baugrube für den Neubau, der nach dem Entwurf des Büros Hild und K Architekten umgesetzt werden soll. Darunter fallen zwei Gebäude, wie eine Hotel-Erweiterung des benachbarten Mandarin Oriental, das zudem einen Spa- und Wellnessbereich und ein Restaurant mit Außengastronomie einrichten will. Der Erweiterungsbau wird dann unterirdisch mit dem bestehenden Hotel verbunden wer-den. Außerdem wird ein Wohn- und Geschäftshaus mit Wohnungen, Büros und Einzelhandelsflächen geschaffen. Hinzu kommt eine Tiefgarage mit über 130 Stellplätzen, darunter auch Anwohnerparkplätze – die ursprünglich wegfallenden Parkplätze des Fina Parkhauses werden somit wieder zu einem Teil kompensiert.