Zu viel Optimismus hemmt die Zusammenarbeit

Forscher der Universität Freiburg empfehlen, neue narrative Strategien zu nutzen, um internationale Verhandlungen zur Zusammenarbeit in der Kreislaufwirtschaft weiter zu öffnen.
Werden Probleme in der internationalen Zusammenarbeit ausgeblendet, kommt die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft schlechter voran. (Quelle: Unsplash, Charles Deluvio)

Das Gelingen einer globalen Kreislaufwirtschaft ist maßgeblich abhängig von wirkungsvollen Kooperationen zwischen einflussreichen Staaten. Eine Absichtserklärung zur gemeinsamen Kreislaufwirtschaft, die China und der die Europäische Union 2018 unterzeichnet haben, erzeugt bis heute große Hoffnungen – und entsprechend optimistische Narrative. Wie sich diese Narrative auf die tatsächlichen Fortschritte auswirken, hat nun ein Forschungsteam untersucht, rund um Anran Luo von der Professur für Gesellschaftliche Transformation und Kreislaufwirtschaft am Institut für Umweltsozialwissenschaften und Geographie der Universität Freiburg und Prof. Dr. Sina Leipold, die inzwischen als Professorin für Umweltpolitik an der Universität Jena forscht und lehrt. Ihr zentrales Ergebnis: Die überwiegenden optimistischen und entpolitisierten Narrative, die eine einfache Win-Win-Situation für alle suggerieren, hemmen die Kommunikation zu wesentlichen Spannungsfeldern wie etwa Entwicklungsgefällen. Zudem verschließen sie die Kanäle für gemeinsame Diskussionen über konkrete Umsetzungspläne. Die skeptischen Narrative hingegen beschränken sich häufig auf das Aufzeigen von Problemfeldern und bieten selten Alternativen an. Die Wissenschaftler*innen führten für ihre Studie unter anderem 72 Interviews mit Stakeholdern und untersuchten 40 offizielle Dokumente sowie Beobachtungsberichte von Beteiligten. Die Ergebnisse veröffentlichen sie in der Fachzeitschrift Global Environmental Change.

„Manche Akteure sehen die Absichtserklärung als einen Meilenstein in den globalen Bemühungen, die drängenden Umweltprobleme bei der Gewinnung, Nutzung von Ressourcen und Abfallwirtschaft anzugehen. Diese Erwartung ist unserer Meinung nach verfrüht“, fasst Luo die Forschungsarbeit zusammen. „Unsere diskursive Analyse der Zusammenarbeit zwischen China und der Europäischen Union zeigt, warum die Zusammenarbeit trotz guter Absichten und eines Konsenses über die Ziele bislang nicht von einer rhetorischen Einigung hin zu einer praktischen Umsetzung übergehen konnte.“

In den Gesprächen zu einer länderübergreifenden Kreislaufwirtschaft zeichnen sich laut den Forschenden zwei Lager ab, in Optimist*innen und Skeptiker*innen. Das vorherrschende Narrativ der Optimist*innen lautet: Eine gemeinsame Kreislaufwirtschaft als Konzept einer Handelskooperation sei eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Sie hoffen, den Handel zwischen China und der EU zum beiderseitigen Nutzen zu beleben und somit wirtschaftliche und ökologische Probleme in beiden Regionen angehen zu können. Zudem könnten China und die EU weltweit für das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung kämpfen, handelspolitische und technische Herausforderungen gemeinsam anpacken, grüne Technologien austauschen und Rechtsvorschriften in kreislaufwirtschaftsbezogenen Industrien vereinheitlichen. Kritische Unterschiede und Spannungsfelder zwischen den beiden Akteuren allerdings – wie etwa die ungleiche Entwicklung der Staaten und weitere Unterschiede, beispielsweise in Bezug auf Geschichte, Kultur, politisches System, Regierungsstil und sozial-ökologische Bedingungen – blenden solche Narrative aus.

Die Skeptiker*innen hingegen betonen genau diese Unterschiede und Spannungsfelder – und dass sie prinzipiell eine gemeinsame Kreislaufwirtschaft behindern würden. Zudem würden sich die Wettbewerbsspannungen um Ressourcen, weltwirtschaftlichen Status und Technologien verschärfen. Diese kompetitive Mentalität müsse erst in Vertrauen und Informationsaustausch übergehen, bevor eine gemeinsame Kreislaufwirtschaft mit einer kooperativen Denkweise möglich wäre. Die Frage, wie dies geschehen könne, lassen diese Narrative allerdings zumeist unbeantwortet.

Quantitativ überwiegen laut der Studie die optimistischen Narrative. Diese allerdings – durch ihr Ausblenden kritischer Aspekte – würden ein Fortschreiten zu einer effektiven Kreislaufwirtschafts-Kooperation hemmen. Diplomatische Spannungen könnten so zwar abgebaut werden, gleichzeitig könne aber kein kritisch-konstruktiver Dialog etwa zu Entwicklungsunterschieden, negativem Wettbewerb, Misstrauen oder geopolitische Rivalität aufgebaut werden. Dieser sei aber notwendig, um gesellschaftspolitisches Handeln im Sinne einer Kreislaufwirtschaft zu verändern.

„Das Ignorieren der Unterschiede zwischen China und der EU schürt Gefühle des Misstrauens, die jede Zusammenarbeit bedroht. Die politische Debatte über Marktüberlegungen führt zwangsläufig zu wertebeladenen Diskussionen über Gleichheit und Gerechtigkeit“, erläutert Luo. „Diese Entpolitisierung unterbricht die Kommunikationskanäle dafür, die Art und Weise eine gemeinsame Kreislaufwirtschaft auszuhandeln. Die Aufrechterhaltung optimistischer Narrative konstruiert zwar gemeinsame Interessen, ist aber nicht in der Lage, die zugrundeliegenden politischen Spannungen aufzuheben.“ Das würden auch die skeptischen Narrative nicht vermögen, da sie zwar derzeit die kritischen Punkte hervorheben würden, aber kaum Lösungen anböten. „Wir empfehlen daher,“ sagt Luo, „neue narrative Strategien anzuwenden, um die Verhandlungen für die Zusammenarbeit zur Kreislaufwirtschaft weiter zu öffnen.“

Die Wissenschaftler*innen werteten Aussagen von wesentlichen chinesischen und europäischen Akteuren aus Politik, Industrie, Forschung und NGOs aus – beispielsweise der EU-Delegation in China, der Ellen MacArthur Stiftung, dem Chinesischen Verband der Kreislaufwirtschaft und dem Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und dem World Economic Forum (WEF).

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