Die umweltpolitisch ambitionierte Zielausrichtung lässt die Recycling- und Entsorgungsbranche auf bessere Rahmenbedingungen hoffen. Die regulatorische Ausgestaltung treibt den Unternehmen jedoch die Sorgenfalten auf die Stirn. Dies machte die Vertreterin des europäischen Recycling-Dachverbandes EuRIC, Julia Blees auf dem diesjährigen Forum Schrott im Rahmen des bvse-Branchenforums am 17. Juni deutlich.
Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft stehen mit der Forderung nach einem Europäischen Green Deal seit 2019 ganz oben auf der Agenda der EU-Kommission. Als einer seiner wichtigsten Bausteine auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 nimmt der Circular Economy Action Plan (CEAP) derzeit verstärkt wichtige Produktwertschöpfungsketten ins Visier, um deren Übergang in eine Kreislaufwirtschaft in der EU zu forcieren.
Recycling- und Entsorgungsbranche freut sich über Aufmerksamkeit
Mit in den Fokus gerät dabei das Recycling. Ein durchaus erfreulicher Effekt, den die Branche eigentlich begrüßt. Denn gerade die Unternehmen der Recyclingbranche praktizieren Umweltschutz, um die Erde für spätere Generationen zukunftsfähig zu halten und brauchen dringend die Aufmerksamkeit der EU-Politik, um Entwicklungen weiter voranzutreiben und Recyclingbarrieren abzubauen. Dies erklärten auch die Fachverbandsvorsitzenden Sebastian Will und Bernhard Jehle auf dem ersten digitalen bvse-Branchenforum, das am 17. Juni im Zoom-Format aus der bvse-Bundesgeschäftsstelle in Bonn ausgestrahlt wurde.
Vorgaben zu Rezyklatanteilen, Ökodesign, Digitalisierung – EU-Prioritätenhitliste klingt erst mal gut…
Der Prioritätenkatalog innerhalb des neuen CEAP für die Recyclingindustrie verfolgt nach der EuRIC-Bewertung einen im Grundsatz richtigen Ansatz. So sollen Zielvorgaben für Rezyklatanteile, wie sie bereits in der Einwegplastik-Richtlinie der EU (Single-Use Plastics Directive = SUP) verankert wurden, auch auf weitere Abfallkategorien übertragen werden. Verstärkt richtet sich der Blick aus Brüssel auch auf die Produktpolitik der Hersteller. Ökodesign für Reparatur und Recycling wurden als wichtige Eckpfeiler für mehr und besseres Recycling in den CEAP als zukunftsorientierte Agenda für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa aufgenommen.
Im weiteren Fokus steht ein gut funktionierender EU-Markt für hochwertige Sekundärrohstoffe. Voraussetzung hierfür wäre eine gesicherte, aber dennoch praxistaugliche Abfallverbringungsmöglichkeit. Das hat die EU-Kommission erkannt und die Überarbeitung der Abfallverbringungsverordnung in den Vordergrund geschoben.
„Hierin soll beispielsweise eine Vereinfachung der Verschiffung im Binnenmarkt mit der Einführung elektronischer Verfahren in der Notifizierung erfolgen. Dies begrüßen wir im Interesse unserer Unternehmen sehr“, erklärt EuRIC-Senior-Officer Julia Blees.
AVV-Gratwanderung: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht – Der internationale Handel mit Sekundärrohstoffen darf nicht unterbrochen werden
Ebenfalls positiv bewertete Blees die Absicht, verschärft gegen illegale Abfallverbringung vorzugehen und zu sanktionieren. „Jedoch nur, wenn die „illegale Abfallverbringung“ tatsächlich auf das verbotene „Abfalldumping“ ausgelegt wird. Administrative Unzulänglichkeiten wie Tippfehler in Dokumenten sollten nicht dazu führen, dass ansonsten legale Abfallverbringungen als illegal deklariert und verhindert oder bestraft werden,“ schränkte sie ein.
Kritisch zu sehen seien überdies die Bestrebungen der EU-KOM, Abfallexporte in Länder außerhalb der EU einzuschränken. „Egal ob zum direkten Einsatz bestimmter Sekundärrohstoffe, wie Stahlschrotte oder demgegenüber schlecht zu recycelnde Kunststoffgemische – es besteht die Tendenz, alles in einen Topf zu werfen. Hier muss stärker differenziert werden, ob es sich bei dem zu verbringenden Material um Abfall oder eine internationale Handelsware wie Stahlschrott handelt, denn der freie internationale Handel ist und bleibt notwendig, machte die EuRIC-Politikexpertin deutlich.
Mit Sorge sieht Julia Blees in diesem Zusammenhang die Ausgestaltung der „Broadly Equivalent Conditions“. Diese besagen, dass die für eine zukünftige Verbringung erforderliche „umweltgerechte Behandlung“ unter anderem nur dann angenommen werden kann, wenn das Unternehmen im Empfängerland nachweisen kann, dass seine Anlage im Einklang mit den EU-Standards zum Gesundheits- und Umweltschutz betrieben wird. Auch wenn diese Bestimmungen schon heute in der Abfallverbringungsordnung existieren, wird es je nach Ausgestaltung im novellierten Gesetzesrahmen noch einmal deutliche Einschränkungen im grenzüberschreitenden Verkehr bringen, fürchtet die EU-Expertin.
Eine weitere Initiative, die den grenzüberschreitenden Abfalltransport in Zukunft behindern könnte, sei beispielsweise auch der von der Schweiz und Ghana zum Basler Übereinkommen neu eingebrachte Vorschlag zu einer Notifizierungspflicht für E-Schrott-Verschiffungen. Diese Pflicht gilt aktuell nur für Geräte und Fraktionen, die als gefährlicher Abfall einzustufen sind. Andere Materialien können nach dem Verfahren der grünen Liste ohne Vorab-Notifizierung und Genehmigung international verbracht werden. Allerdings sei eine zeitnahe Einigung der Conference of Parties hierzu eher als gering einzustufen, erklärte EuRIC-Vertreterin Julia Blees abschließend.