Mittelstand sichert Altpapier-Kreislauf

Veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen, neue Materialien, fortschreitende Digitalisierung und verschärfte Vorgaben der Papierfabriken zu Inputqualitäten stellen die mittelständischen Altpapierunternehmen vor immer neue Herausforderungen.
Foto: Joujou, pixelio.de

Aussichtsreiche Zukunftsstrategien sind gefragt, um den Altpapier-Kreislauf erfolgreich auf Kurs zu halten, davon ist bvse-Präsidiumsmitglied Henry Forster überzeugt.

Gegenwind für den Altpapiermarkt – vieles wird anders

Die mittelständisch geprägte private Entsorgungswirtschaft hat den Altpapiermarkt über Jahrzehnte hinweg aufgebaut und erfolgreich in einen wachsenden globalen Warenverkehr integriert. Entscheidende Stellschrauben wurden seitdem verändert und können die Windrichtung des Marktes vehement drehen. Sammel- und Recyclingquoten stagnieren oder sind rückläufig. Input-Qualitäten verschlechtern sich.

„Drohende Exporteinschränkungen von Seiten der Politik für normierte, von unseren Betrieben recycelte Produkte, wie z. B. Altpapier, schaffen nationale Abhängigkeiten, behindern den Wettbewerb und sind geeignet, den überquellenden gesamteuropäischen Altpapiermarkt ohne Not in einen Kollaps zu manövrieren. Zudem befindet sich die Altpapierbranche im Klammergriff zwischen Handel, Industrie, Kommunen und dualen Systemen. Insbesondere die kleinen Sammler und Entsorger könnten am Ende als Verlierer dastehen“, davor warnte Henry Forster zuletzt auf dem Internationalen bvse-Altpapiertag am 22. April 2021.

„War der Altpapiersammler in der Vergangenheit noch Besitzer und Händler des Altpapiers und nahm entscheidend Einfluss auf die Qualität der Sammlung, wird heute der Versuch unternommen, seine Funktion über Ausschreibungen mehr und mehr auf die des Logistikers zu reduzieren“, erklärt Forster.

„Große Entsorger bedrohen den Mittelstand. Die Papierindustrie, mit der über Jahre vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen aufgebaut wurden, wendet sich in Teilen immer mehr direkt an Kommunen. Diese bestimmen hoheitlich über ihre Sammelsysteme in einem inhomogenen Markt und nehmen durch ihre Gebührengestaltung durchaus Einfluss darauf, ob hochwertige Fasern im Recyclingkreislauf landen oder in der Hausmülltonne verloren gehen. Inverkehrbringer von Verpackungen optimieren ihre vertikalen Prozessketten. Für die Zukunft bedeutet dies, dass sie ihre Verpackungen gar nicht mehr aus der Hand geben, sondern über zugekaufte Entsorger und Verwertungsanlagen im kompletten Besitz des Altstoffs bleiben“, beschreibt das bvse-Präsidiumsmitglied die sich ändernden Rahmenbedingungen.

Branche erlebt eine Verschlechterung der Qualitäten

Gestützt durch eine Anti-Kunststoff-Symbolpolitik schleichen sich zudem vermehrt neue, schlecht recycelbare Materialien und Verbunde in die Altpapier-Sammelsysteme. Kunststoffbashing führe dazu, dass die Verpackungsindustrie mittlerweile auch da in faserbasierte Verpackungen drängt, wo es wenig sinnvoll ist und später das Recycling behindert, beklagt Henry Forster. „Wir brauchen keine neuen Materialien in alten Systemen. Wir brauchen Verwertungsanlagen und Sammelsysteme inklusive Garantiegeberschaften für problematische Verpackungen“, machte Forster deutlich.

„Es ist nicht sachgerecht, dass die Recyclingfähigkeit von Verpackungen attestiert wird, ohne die Veränderung der Verpackung durch die Nutzung ausreichend zu berücksichtigen. Mangelnde Restentleerungsmöglichkeit, komplizierte Trennungshinweise und das Kombinieren von Verpackungen mit Klebeband, Polsterfolien usw. – z. B. im Versandhandel – erschweren das Recycling enorm.“

Auch ginge der Glaube an die Produktverantwortung der Hersteller immer mehr verloren. Diese würde zunehmend und ungerechtfertigt an den Entsorger und an einen Teilnehmer der Prozesskette delegiert, der sich am wenigsten damit auskennt – den Verbraucher, kritisiert Forster. Der Konsument sei jedoch angesichts der Verpackungs- und Materialvielfalt mit der korrekten Trennung schlichtweg überfordert.

Digitalisierung kontra bilaterale Partnerschaften?

Die Durchmischung des Altpapierstroms mit neuen kombinierten Materialien erschwert es den Altpapierrecyclern, den erreichten hohen Qualitätsstandard des Altpapiers, das sie an die Papierhersteller liefern, aufrecht zu erhalten. Zeitgleich fordern die Papierfabriken immer kompromissloser beste Qualität ein. Dank moderner Qualitätssicherung in Echtzeit werden Altpapieranlieferungen immer schärfer kontrolliert. „Partnerschaften mit abnehmenden Papierfabriken, die über lange Jahre vertrauensvoll aufgebaut wurden, verlieren immer öfter an Wertigkeit. Überdies sehen wir die Gefahr, dass digitale Börsen und Versteigerungsplattformen den Altpapierrecyclern das Geschäft zunehmend aus der Hand nehmen“, stellt bvse-Präsidiumsmitglied Henry Forster abschließend fest.

Wie soll die Recyclingwirtschaft agieren?

„Unsere Unternehmen müssen sich dieser Gegenwart stellen und zum Architekten ihrer Zukunft werden, nicht zu ihrem Opfer“, appelliert Forster. Er betont, dass die Altpapierbranche ein extrem volatiles Geschäft sei. Diejenigen, die die Partnerschaft mit dem erfahrenen Mittelstand pflegen, sind besser für Stürme gewappnet. Corona hat wieder gezeigt, dass ohne die Leistungskraft und Schnelligkeit der mittelständischen Altpapierunternehmen der Altpapier-Kreislauf schweren Schaden genommen hätte.

Die Lösung der privatwirtschaftlichen Entsorger liege für die Zukunft darin, mutig und klug neue Wege zu gehen, zeigt sich Forster überzeugt. Und das nicht nur mit großen Deals auf europäischer Ebene, sondern vor allem kleinteilig, im regionalen Bereich. In enger strategischer Zusammenarbeit und gemeinsamer Verantwortung mit Kommunen, der Papierindustrie, Herstellern und Inverkehrbringern. Neue Wege sind dabei auch über mittelständische Partnerschaften zu gehen, die Synergien nutzen und Raum dafür schaffen, sich mehr auf die Kernkompetenzen zu konzentrieren.

Der nach wie vor beste Kurs sei „der Mittelstand als Sammler und Verwerter – besser kann man Qualität nicht sichern“, stellt Forster abschließend klar.

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