Wo global gesehen wieviel Plastik im Ozean schwimmt, ist bisher wenig bekannt. Auf Ozeanströmungen basierende Modelle haben bisher vermuten lassen, dass das Plastik sich vor allem in großen Meeresstrudeln sammelt. Nun haben Forschende der Universität Bern erstmals in großem Umfang die Verteilung des Plastik-Mülls berechnet und dabei berücksichtigt, das Plastik stranden kann. In ihrer soeben in der Fachzeitschrift „Environmental Research Letters“ publizierten Studie kommen sie zum Schluss, dass der größte Teil des Plastiks nicht aufs offene Meer gelangt. Weit mehr davon als bisher angenommen verbleibe in Küstennähe oder landet auf Stränden: „In all den Szenarien, die wir berechnet haben“, sagt Victor Onink, der Hauptautor der Studie, „treiben rund 80 Prozent des schwimmenden Plastikmülls fünf Jahre, nachdem er ins Meer gelangt ist, nicht weiter als zehn Kilometer von der Küste weg.“
Ein grosser Teil des Plastiks wird auch an Land geschwemmt. Die Autorinnen und Autoren der Studie kommen zum Schluss, dass zwischen einem Drittel bis zu praktisch der gesamten ins Meer gespülten Plastikmenge strandet. Das hat schwerwiegende Folgen für die Umwelt, da küstennahe Ökosysteme besonders sensibel auf Plastikverschmutzung reagieren. Auch für den Tourismus verlieren verschmutze Küsten dramatisch an Wert.
Nil belastet Mittelmeer
Am höchsten ist der Anteil von gestrandetem Plastik in den Weltregionen mit den größten Quellen von Plastikmüll. Dazu zählen Gebiete wie Südostasien und das Mittelmeer. Am tiefsten sind die Konzentrationen im wenig bewohnten Regionen wie den Polargebieten, der Küste Chiles und Teilen der Küste Australiens. Dass sich im Mittelmeer besonders viel Plastikmüll findet, hat für den Physikdoktoranden Victor Onink zwei Gründe: Zum einen gelange insbesondere durch den Nil sehr viel Plastik ins Mittelmeer. Zum anderen sei dieses Meer relativ klein und abgeschlossen. Diese Faktoren trügen zusätzlich zur hohen Plastikkonzentration bei.
Plastikmüll darf gar nicht erst ins Meer gelangen
Die Berner Ozean-Modellierer sind auch der Frage nachgegangen, welcher Anteil des gestrandeten Plastikmülls woher kommt. Ihre Antwort: Wenn lokal viel Plastik ins Meer gelangt, strandet auch viel davon lokal. Zudem spielen Meeresströmungen für die Verteilung des Mülls eine große Rolle. Gebiete mit einem hohen Anteil von lokal dem Meer überlassenen Plastik sind unter anderem die Küsten von China, Indonesien und Brasilien. Umgekehrt wurden auch Gebiete identifiziert, in denen ein überdurchschnittlich grosser Plastikanteil hinaus aufs Meer verfrachtet wird. Dazu zählen der Osten der USA, der Osten von Japan und Indonesien. „An diesen Orten wäre es besonders effektiv, Plastikmüll einzusammeln, bevor er in den offenen Ozean entweichen kann“, betont Victor Onink.
Eher kritisch sieht der Berner Forscher Initiativen zum Einsammeln von Plastik auf dem Ozean selbst, die in den Medien große Beachtung erhalten. „Auf dem offenen Ozean ist die Konzentration von Plastik relativ gering“, gibt Victor Onink zu bedenken. „Da fragt es sich, ob die Ressourcen mit solchen Vorhaben wirklich am effizientesten eingesetzt werden.“ Andere Ansätze, um den Ozean von Plastik zu befreien, seien da vielversprechender: Allem voran verhindern, dass Plastikmüll überhaupt ins Meer gelangt. Oder auch das Herausfischen von Plastik aus großen Flüssen.
Müllmengen rasch reduzieren
Die neuen Forschungsresultate zeigen, wo auf der Welt sich solche Maßnahmen besonders lohnen. „Wir legen mit unseren Modellierungen solide Abschätzungen dazu vor, wo auf der Welt die Probleme mit Plastikmüll in Meer am größten sind“, sagt Victor Onink. Nun gelte es vor allem, dort politische Lösungen für eine schnelle Reduktion des Müllmengen zu sorgen. Zur Erinnerung: Je nach Berechnungen gelangen jährlich 1 bis 13 Millionen Tonnen Plastik in den Ozean.