Das Wunschkonzert hat begonnen

Falls Sie es noch nicht gemerkt haben sollten: Im September ist Bundestagswahl. Und der Wahlkampf hat längst begonnen. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wer nach vier Amtszeiten Angela Merkel im Kanzleramt beerbt. Klima- und Umweltfragen werden in der kommenden Legislaturperiode eine wichtige Rolle spielen. Dafür wird nicht zuletzt auch Brüssel sorgen. Aber auch verschiedene Verbände und NGOs haben schon kundgetan, was sie von einer künftigen Regierung in Sachen Kreislaufwirtschaft erwarten.
Foto: clareich; pixabay.com

Einen Zehn-Punkte-Plan zur Kreislaufwirtschaft hat der BDE gemeinsam mit dem Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) vorgelegt. Die beiden Verbände nennen eine Reihe von Vorteilen, die eine Kreislaufwirtschaft mit sich bringt und legen damit die Grundlage für ihre Forderungen. Da wäre als Erstes, den europäischen Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft mit einem eigenen Aktionsprogramm zu flankieren. „Deutschland hat schon länger keine echte Führungsrolle in der Kreislaufwirtschaft mehr inne“, heißt es in dem Papier. Die Bundesregierung solle daher „nachhaltige Investments in zirkuläres Design und die Entwicklung von zirkulären Produkten und Wertschöpfungsketten mit einem Aktionsprogramm“ unterstützen.

Strategie für Kunststoffe 

Für Kunststoffe wird eine eigene Strategie gefordert, bei der neben den unterschiedlichen Kunststoffarten auch die Anwendungsbereiche berücksichtigt werden müssten. „Ebenso muss in der Plastikstrategie der Umgang mit Kunststoffen aus nachwachsenden Quellen sowie von kompostierbaren Kunststoffen festgelegt werden“, heißt es. Die Verbände empfehlen, auf den Begriff „Bio-Kunststoffe“ zu verzichten. Es müsse sichergestellt werden, dass bei diesen Materialien ein etablierter Sammel- und Verwertungsweg nachgewiesen sei und sie das Recycling anderer Materialien nicht beeinträchtigen. „Wir fordern von der Bundesregierung einen gesetzlichen Rahmen, der eindeutige Vorgaben zum Produktdesign, der Haltbarkeit und der Einrichtung von getrennten Sammelsystemen für bioabbaubare Kunststoffe beinhaltet“, so die Verbände.
Mehr Einsatz der öffentlichen Hand

Nicht neu ist die dritte Forderung: die Stärkung der Kreislaufwirtschaft durch die öffentliche Hand. Produkte für die Kreislaufwirtschaft sollen bei Ausschreibungen explizit bevorzugt werden. Die entsprechende Änderung im Kreislaufwirtschaftsgesetz sei „nicht hinreichend praktikabel“. „Häufig wird die Ausschreibung so schwammig gehalten, dass zum Beispiel innovative Lösungen de facto ausgeschlossen werden“, so die Kritik der beiden Verbände. Vor allem im Baubereich sei die öffentliche Hand von besonderer Bedeutung.

Auch die Forderung nach einem Design für Recycling wird schon seit geraumer Zeit gestellt. „Die Bundesregierung muss umgehend die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, um das Inverkehrbringen von Produkten, die am Ende ihrer Lebensdauer nicht wieder zerlegt und/oder in den Stoffkreislauf gebracht werden können, zu erschweren“, heißt es. Zudem müssten die Anforderungen an Haltbarkeit, Wiederverwertbarkeit, Nachrüstbarkeit und Reparierbarkeit präzisiert werden.

Hochwertiges Recycling stärken

Die fünfte Forderung betrifft Anreize für ein hochwertiges Recycling. So müssten zum einen Anreize zur Schaffung von Märkten für hochwertige Anwendungen von Rezyklaten geschaffen werden. Nur so würden auch Investitionen in besseres Recycling erfolgen. „Derzeit liegen die Preise der Rohwaren oft unter denen für Rezyklate, sodass sich deren Einsatz ökonomisch nicht rechnet.“ Die Verbände fordern in diesem Zusammenhang, kontraproduktive Subventionen wie die Befreiung der Plastikherstellung in Deutschland von der EEG-Umlage und der Mineralölsteuer abzuschaffen. Auch die Forderung nach einer Mindestrezyklatquote wiederholen die Verbände. „Die Förderung des Einsatzes von Rezyklaten in Produkten oder Verpackungen durch Mindestquoten sollte mit weiteren Anreizen verbunden werden, die Quoten zu übersteigen. Das Ziel sollte dabei stets 100 Prozent Rezyklateinsatz sein“, heißt es.

Die Änderungen im Kreislaufwirtschaftsgesetz aus dem vergangenen Jahr bezeichnen BDE und BNW als nicht ambitioniert. Konkret kritisieren sie das fehlende Verbot zur Vernichtung neuwertiger Waren, das fehlende Konzept zur Abfallvermeidung und die nicht ausreichende Verpflichtung öffentlicher Einrichtungen, Recyclingprodukte zu beschaffen. Außerdem fordern die Verbände ein klares und eindeutiges Recyclinglabel. „Um die Verwendung von Rezyklaten zu fördern und einen Anreiz zur Schaffung von Recycling-Kapazitäten zu schaffen, fordern wir die Einführung einer Plastiksteuer, die aber mehr sein muss als die bloße Refinanzierung des erhöhten EU-Finanzbeitrags, sondern echte Lenkungswirkung haben muss“, heißt es weiter.

Getrenntsammlung verbessern

Unter Punkt 6 „Kreisläufe schließen, Verbrennung reduzieren, die Rohstoffunabhängigkeit Europas verbessern“ fordern die Verbände eine Verbesserung der Getrenntsammlung, etwa bei Bioabfällen. Zudem sehen sie die Akzeptanz der Verbraucher zur Getrenntsammlung gefährdet, wenn die Abfälle verbrannt werden. Da nicht jedes Land über die entsprechende Infrastruktur verfüge, müssten zur Förderung der Kreislaufwirtschaft Exporte von Abfällen möglich sein und gefördert werden. „Müll sollte so gut wie möglich behandelt werden, nicht so nah wie möglich an seinem Entstehungsort.“

Mehr Herstellerverantwortung

Unter Punkt 7 wird die Bundesregierung aufgefordert, die Verantwortung der Hersteller für ihre Produkte im Produkt- und Gewährleistungsrecht auszuweiten. „Gefördert werden muss die Möglichkeit, zu nutzen, statt das Eigentum zu erwerben, sodass die Produkte am Ende der Nutzungsdauer dem Hersteller zur Wiederverwendung oder zum Recycling zur Verfügung stehen und so im Stoffkreislauf verbleiben.“ Zudem fordern BDE und BNW eine gesetzliche Verankerung des Rechts auf Reparatur und Nachrüstbarkeit. Außerdem müssten die Inverkehrbringer von Einwegprodukten die Verantwortung für deren Einsammlung und Recycling übernehmen.

Als weitere Punkte nennen die Verbände die Förderung von Datenspeichern zur Erkundung, Verfolgung und Inventarisierung von Ressourcen und Förderprogramme für mechanische Verwertungsverfahren. Und abschließend wird die vom BDE vor einigen Wochen aufgestellte Forderung nach einer Verankerung des Green Deals im Kanzleramt durch einen Staatsminister oder eine Staatsministerin wiederholt.

Kreislaufwirtschaftsstrategie

Auch der Nabu kommt auf zehn Forderungen für „eine klima- und umweltfreundliche“ Klimawirtschaft, auch wenn die Schwerpunkte erwartungsgemäß etwas anders liegen als bei den Branchenverbänden. „Trotz zahlreicher Gesetzesinitiativen der letzten Jahre stagnieren wir bei der Nutzung von Sekundärrohstoffen auf einem niedrigen Niveau“, so der Nabu. „Es ist höchste Zeit, eine Ressourcenwende zu gestalten.“
Als Erstes fordert der Nabu eine Kreislaufwirtschaftsstrategie, unter der Einzelstrategien wie die Rohstoffstrategie und die Programme zur Abfallvermeidung, zum nachhaltigen Konsum und zur Ressourceneffizienz zusammengefasst werden. Es brauche ein umfassendes produktpolitisches Maßnahmenbündel, das die Kreislaufführung für alle Sektoren vorsehe. Deutlich konkreter ist Ziel 2: Die Festschreibung, dass das Aufkommen an Bau-, Siedlungs- und Industrieabfällen bis 2030 jährlich um 5 Prozent reduziert werden muss.

Primärrohstoffsteuern erheben

Des Weiteren sollen nach Auffassung des Nabu Primärrohstoffsteuern erhoben werden. „Die Steuern würden sowohl zu einer Rohstoffvermeidung sowie zum erhöhten Einsatz von umwelt- und klimafreundlicheren Recyclingmaterialien führen.“ Die Umsetzung der EU-Plastiksteuer könne dabei „der Grundstein für eine materialübergreifende Besteuerung des Einsatzes von Primärrohstoffen“ sein.

Wie BDE und BNW fordert auch der Nabu eine Stärkung des Rechts auf Reparatur, aber keine gesetzliche Verankerung. Vielmehr soll es „Vorschriften zum reparaturfreundlichen Produktdesign, den Zugang zu erschwinglichen Ersatzteilen und die finanzielle Förderung von Reparaturen durch niedrigere Mehrwertsteuersätze und Einführung von Reparatur-Bonus-Systemen“ geben.

Herstellerverantwortung ausweiten

Beim Design für Recycling sind sich Nabu, BDE und BNW einig. „Die Hersteller müssen ihrer Produktverantwortung gerecht werden und ihre Waren so entwerfen, dass Schäden für die Umwelt entlang der gesamten Wertschöpfungskette minimiert werden und der späteren stofflichen Verwertung nichts im Wege steht“, so der Nabu. Die erweiterte Herstellerverantwortung soll auf weitere Produktgruppen ausgeweitet werden. Zudem sollen durch verbindliche Mindestanforderungen und Bonus-Malus-Modelle für mehr Recyclingfähigkeit mehr Anreize für das Recycling geschaffen werden. „Wer in Zukunft nicht recyclingfähige Produkte auf den Markt bringt, muss wesentlich höhere Entsorgungskosten zahlen“, fordert der Nabu.

Mindesteinsatzquoten

Wie BDE und BNW fordert auch der Nabu Verordnungen für den produktspezifischen Mindesteinsatz von Recyclingmaterial. „Nur über gesetzliche Vorgaben kann ein hochwertiges Recycling statt Downcycling eta­bliert werden“, heißt es. Die entsprechenden Quoten sollen für Post-Consumer-Abfälle gelten. Und auch beim Thema öffentliche Beschaffung ist man sich einig. „Die Nachfrage nach Secondhand-Produkten, recyclingfähigen Produkten und Erzeugnissen mit hohem Rezyklatanteil muss durch das Einkaufsverhalten der Behörden aller Verwaltungsebenen verbindlich erhöht werden“, so der Nabu. Auch er hält eine Änderung der Regelungen im Kreislaufwirtschaftsgesetz für notwendig und verlangt eine Umkehrung der Beweislast.

Außerdem fordert der Nabu eine materialunabhängige Abgabe auf To-go-Einwegverpackungen, eine verpflichtende und flächendeckende Einführung der Biotonne sowie ein Verbot des Exports von Plastikabfällen in Nicht-EU-Staaten. „Exporte innerhalb der EU müssen einer stärkeren Kon­trolle unterliegen und nachweislich nur für ein Recycling erlaubt sein“, so der Nabu.

Produktschutz nicht gefährden

Die AGVU bringt es sogar auf elf „Vorschläge zur Kreislaufwirtschaft“. Und man sollte meinen, dass die Themen oder zumindest die Positionen ganz andere sind. Das trifft aber nur bedingt zu, etwa beim ersten Punkt, „Abfallvermeidung nicht gegen Produktschutz ausspielen“. Der Produktschutz dürfe durch eine Verpackungsreduktion nicht gefährdet werden, heißt es. „Starre Vorgaben, etwa zu einem maximal zulässigen Verhältnis von Produkt zu Verpackung, sind kontraproduktiv“, so die AGVU. Viele Unternehmen würden ohnehin vermehrt auf geringen Materialeinsatz setzen, zudem würden etwa die ökologische Gestaltung der Lizenzentgelte und steigende Recyclingquoten hier ebenfalls positiv wirken.

Auch die AGVU fordert einen verstärkten Einsatz von Kunststoff-Rezyklaten. Der Einsatz müsse aber aktiv gefördert werden, um ihn unabhängig vom Preis von Neuware zu machen. Auch die AGVU kann sich eine Mindesteinsatzquote oder Produkt- oder Herstellerebene vorstellen. „Neue Regelungen müssen so weit wie möglich auf Marktmechanismen setzen und europäisch abgestimmt sein.“ Und auch die AGVU fordert ein stärkeres Engagement der öffentlichen Beschaffung beim Einsatz von Recyclingmaterial.

Keine Produktverbote

Unter Punkt 4 werden Produktverbote abgelehnt. Vielmehr sollten umweltpolitische Ziele über spezifische Instrumente wie etwa die ökologische Gestaltung der Lizenzentgelte erreicht werden. Auch gegen das Littering will die AGVU vorgehen. So soll das Umweltbewusstsein der Verbraucher weiterentwickelt werden, zudem müsse das bestehende Ordnungsrecht durchgesetzt werden. „Eine Kostenbeteiligungspflicht der Hersteller für das Aufräumen von Parks, Straßen oder Stränden verbessert die Verschmutzungssituation nicht“, heißt es. Zudem sei es rechtlich zweifelhaft, ob die Hersteller für das Fehlverhalten der Verbraucher haftbar gemacht werden könnten.

Weiter fordert die AGVU europaweit einheitliche Verbraucherinformationen zum Recycling. Auch die Recyclingfähigkeit von Verpackungen soll maximiert werden. „Ehrgeizige Ziele für die Recyclingfähigkeit jeder Verpackung – festgeschrieben durch europaweit gültige Regelungen auf Basis von materialspezifischen Designs for Recycling Guidelines – sind sinnvoll“, so die AGVU. Mit einem Stufenplan soll Planungssicherheit für die Wirtschaft erzielt werden, zudem müssten Zielkonflikte, etwa mit dem Rezyklateinsatz oder der Materialminimierung, vermieden werden.

Chemisches Recycling nutzen

Die AGVU spricht sich dafür aus, dass neben der Weiterentwicklung des mechanischen auch das chemische Recycling berücksichtigt werden müsse. „Voraussetzung ist, dass die entsprechenden Verfahren eine CO2-Bilanz aufweisen, die mit werkstofflichem Recycling vergleichbar ist.“ Durchaus bemerkenswert ist auch die Forderung, die deutsche Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft durch „stabile, marktorientierte Rahmenbedingungen“ weiter zu stärken. Weiter fordert die AGVU, den Wettbewerb zwischen den dualen Systemen aufrechtzuerhalten, der sich bewährt habe. „Wettbewerbsstrukturen müssen grundsätzlich Vorrang vor staatlichen oder kommunalen Lösungen haben“, so die AGVU.

Wenig hält die AGVU im Gegensatz zu BDE, BNW und Nabu von einer Plastiksteuer. „Eine solche Maßnahme würde das Material Kunststoff einseitig belasten und die positiven Effekte der Rezyklatnutzung negieren, ohne sicherzustellen, dass die Nutzung anderer Materialien einen tatsächlichen Umweltvorteil darstellt“, so die AGVU. Sie würde zudem bestehenden Instrumenten zuwiderlaufen.

Viele Gemeinsamkeiten

Es ist schon bemerkenswert, dass diese vier doch sehr unterschiedlichen Organisationen in ganz vielen Aspekten übereinstimmen. Das war so nicht unbedingt zu erwarten, ist aber auch ein gutes Zeichen. Es erhöht die Chancen, dass sich in der Kreislaufwirtschaft tatsächlich etwas bewegt. Das Problem ist nur: Jetzt muss die Politik noch irgendwie mitspielen. Viele der genannten Forderungen liegen seit Jahren auf dem Tisch und wurden bisher gar nicht oder nur sehr halbherzig umgesetzt. Ob sich das nach der Bundestagswahl ändern wird, ist unklar. Das dürfte vor allem auch von der Konstellation der neuen Regierung abhängen.

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