Ab Juni 2021 bringen Postboten der Gemeinde Reinach im Schweizer Kanton Basel-Landschaft nicht nur Briefe und Pakete. Werktags holen sie zudem leere Kunststoffflaschen und Getränkekartons ab, die im „Recycling-Sack“ bei den Briefkästen deponiert werden. Der 35-Liter-Sack ist bei der Gemeinde für 1,80 Franken erhältlich. Die Postboten transportieren die eingesammelten Säcke zur Reinacher Poststelle, von wo aus sie in ein spezialisiertes Sortierwerk von Müller Recycling in Frauenfeld gebracht werden. Mit dieser Logistik sollen zusätzliche Lastwagentransporte entfallen: Die Kunststoffe reisen bis ins Sortierwerk in einem Gebinde, welches sowieso ins Logistikzentrum der Post zurückgebracht werden müsste. „Dieses Pilotprojekt zeigt exemplarisch, wie einfach die Kunststoffkreislaufwirtschaft von morgen funktionieren kann“, sagt Corinne Grässle, Projektleiterin des Migros-Pionierfonds. „Dadurch wird die Gesellschaft unabhängiger von immer knapper werdenden Rohstoffen.“
Der Rücklauf von Kunststoffflaschen ins Recycling soll durch das Pilotprojekt erleichtert und derjenige von Getränkekartons überhaupt erst möglich werden. Das Gemisch aus den gesammelten Kunststoffflaschen und Getränkekartons wird in Frauenfeld sortiert und für das Recycling aufbereitet. Die sortierten Kunststoffflaschen werden dann in der Schweiz zerkleinert, gewaschen und zu Regranulat verarbeitet, aus dem wieder neue Kunststoffprodukte gefertigt werden können. Im Reinacher Pilotprojekt werden nur Kunststoffflaschen und Getränkekartons gesammelt, aber keine weiteren Kunststoffverpackungen wie etwa Joghurtbecher oder Folien. „So können wir sicherstellen, dass die gesammelten Kunststoffe auch in der Schweiz rezykliert werden“, sagt Melanie Haupt, Co-Projektleiterin von Realcycle und Dozentin für Kreislaufwirtschaft an der ETH Zürich. Sie beschäftigt sich in der Forschung seit vielen Jahren mit der Analyse der Abfallströme und den Möglichkeiten des Kunststoffrecyclings. Für Getränkekartons fehlt derzeit eine Recyclinganlage in der Schweiz, weshalb sie heute in Deutschland und Frankreich rezykliert werden. Während die Kartonfaser für Wellkarton eingesetzt wird, wird das übrigbleibende Alu-Kunststoff-Gemisch entweder als Brennstoff eingesetzt oder für weitere Produkte genutzt.
Das Angebot in Reinach soll eine relevante Lücke im Kunststoffkreislauf schließen. „Die Sammlung durch die Post vereinfacht es der Bevölkerung, gut verwertbare Kunststoffe separat zu sammeln und vor der Haustüre beim Briefkasten abholen zu lassen. Die Post verfügt über die nötige Logistik und das Know-How um ein solches Sammelsystem nachhaltig zu betreiben“, sagt Patrick Lampert, Leiter Unit Kreislaufwirtschaft bei der Schweizer Post.
Das Pilotprojekt soll sechs Monate laufen. Eine Ausweitung des Sammelgebietes ist seitens Realcycle bereits geplant. In einem weiteren Schritt soll auch getestet werden, ob sich ländliche und abgelegene Gebiete einfacher an Entsorgungsstrukturen anschließen lassen. Die Ambition seitens Realcycle, eine nationale Lösung zu finden, ist groß. „Das Pilotprojekt ist ein erster Schritt in Richtung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, wo bestehende Synergien bestmöglich genutzt werden“, sagt Melanie Haupt.