Wer nicht hören will, soll zahlen

Gerade in Deutschland wird in der Umweltpolitik sehr stark auf Freiwilligkeit gesetzt – nicht immer mit Erfolg.
Foto: Tumisu; pixabay.com

Der Bericht „Optionen für ökonomische Instrumente des Ressourcenschutzes“ von Fraunhofer ISI, dem Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin und Forum ökologische soziale Marktwirtschaft im Auftrag des Umweltbundesamtes hat analysiert, wie der Ressourcenschutz über finanzielle Maßnahmen positiv beeinflusst werden kann.

Die Bedeutung des Ressourcenschutzes nehme stetig zu, heißt es einleitend im Bericht. Und auch Deutschland habe einen deutlich zu hohen Ressourcenverbrauch. Dabei sei ein grundsätzliches Potenzial zur Ressourcenschonung vorhanden, aber bei der Ausschöpfung dieses Potenzials gebe es drei wesentliche Hemmnisse: Es gebe keine Preissignale zur Begünstigung ressourceneffizienter Entscheidungen; es fehlten Informationen, um ressourceneffizientere Alternativen zu erkennen, und die Verbraucher würden weder Ressourceneffizienz noch den Preis zum vernehmlichen Kaufkriterium machen. Daher seien vor allem politische Maßnahmen notwendig die die Nachfrage nach ressourceneffizienten Alternativen in der Breite fördern, auch mit ökonomischen Ins­trumenten. „Dabei setzen ökonomische Instrumente an zwei zentralen Punkten an: Suchprozesse werden initiiert, die Informationsdefizite abbauen helfen, und Preissignale zugunsten ressourceneffizienter Produkte und Praktiken werden gestärkt.“ Umweltbezogene Steuern in Deutschland lägen mit 5 Prozent deutlich unter dem EU-Schnitt und der Wert sei sogar rückläufig. „Das deutsche Steuer- und Abgabensystem setzt damit derzeit kaum Anreize, die Verschmutzung der Umwelt und den Verbrauch der Ressourcen zu reduzieren. Die Lenkungswirkung bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück“, heißt es im Bericht. Ziel der Studie sei es daher, ausgewählte vielversprechende ökonomische Instrumente detaillierter zu untersuchen. Dabei gehe es vor allem um den Abbau relevanter Hemmnisse. Es sollen bei den Akteuren Anreize geschaffen werden, Maßnahmen zur Ressourcenschonung zu ergreifen.

Primärbaustoffsteuer

Etwa 50 Prozent der verwerteten inländischen Rohstoffentnahme in Deutschland entfalle auf Baumineralien. Der Bausektor sei zudem der mit Abstand ressourcenintensivste Wirtschaftsbereich in Deutschland. „Für den Ressourcenschutz bildet dieser Bereich daher einen zentralen Handlungsschwerpunkt.“ Dabei gebe es unterschiedliche Maßnahmen zur Verbesserung. Mehr Ressourceneffizienz als Reaktion auf eine Primärbaustoffsteuer sei denkbar, etwa durch den effizienteren Einsatz von Primärmaterial, die verstärkte Verwendung von Sekundärrohstoffen oder die Förderung von Alternativmaterialien.

Der erste Hebel sei die Senkung der Gesamtnachfrage nach Baustoffen. Eine Senkung um 22 Prozent sei möglich. Dies betreffe vor allem die Vermeidung von Abfällen, die heute im Durchschnitt 15 Prozent der verwendeten Baustoffe ausmachten. Sinnvoll sei auch eine Reduktion von Überspezifierungen. So liege etwa bei Stahl die Auslastung der maximalen Traglast von Trägern unter 50 Prozent. Eine Optimierung unter dem Gesichtspunkt Ressourcenverbrauch könne den Stahlbedarf um bis zu 50 Prozent reduzieren, ohne die Funktionalität und Sicherheit zu gefährden. Auch bei Beton gebe es ein erhebliches Einsparpotenzial.

Jährlich würden etwa 200 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle in Deutschland anfallen. Davon würden zwar nur etwa 10 Prozent deponiert, aber auch nur etwa 70 Millionen Tonnen recycelt. Der Rest des Materials werde auf andere Arten verwertet, überwiegend als Verfüllmaterial. Aber auch vom recycelten Material würden nur etwa 14 Millionen Tonnen zur Herstellung von Asphalt oder Beton verwendet. Dies liege unter anderem daran, dass nur wenige Betriebe RC-Körnungen nach Norm anbieten könnten. Der Anteil an RC-Beton liege in Deutschland unter 1 Prozent. Für den gesamten Baubereich werde von einem Sekundärmaterialanteil von 8 Prozent ausgegangen. Dies schließe allerdings Metalle mit ein. „Aufgrund der (…) dargestellten Situation gilt es in erster Linie, Anreize zur hochwertigen stofflichen Nutzung des Sekundärmaterials zu setzen.“ Problematisch sei dabei die nicht immer eindeutig festlegbare Qualität der Stoffströme. Die Verwendung alternativer Baustoffe sei eine weitere Möglichkeit.

Mit einer Primärbaustoffsteuer werde das Ziel verfolgt, durch einen zusätzlichen Preisaufschlag die Wirtschaftlichkeit von Alternativrohstoffen zu fördern und die Nachfrage nach Primärmaterial zu reduzieren. „Diese Steuer zielt folglich analog zu den meisten Umweltsteuern auf die Allokationswirkung durch Beeinflussung von Einsatz und Verwendung der Ressourcen und weniger auf die fiskalpolitische Einnahmegenerierung.“ Eine Umsetzung als Mengensteuer sei naheliegend, da die Umweltauswirkungen von den Mengen abhängen. Die Erhebung solle entweder bei der Entnahme beziehungsweise Inverkehrbringung (Primärrohstoffsteuer) oder bei der erstmaligen Verwendung in Produkten (Materialeinsatzsteuer) erhoben werden. Der Bericht weist aber darauf hin, dass eine Primärrohstoffsteuer einfacher umsetzbar sei. Insgesamt könnten damit die relevanten Stoffströme sehr zielgerichtet adressiert werden. Ähnliche Steuern hätten sich in Dänemark und Großbritannien bereits bewährt. Die Steuer sollte zunächst auf die primären Gesteinskörnungen Sande, Kiese und Natursteine beschränkt werden. Perspektivisch sollte die Ausweitung auf Kalkgesteine geprüft werden.

Bisher werde eine Steuer in der Größenordnung von 2 Euro pro Tonne diskutiert. Der Bericht schlägt zur Einführung eine Höhe von 2,30 Euro pro Tonne vor mit einer sukzessiven Steigerung auf 3 Euro. Danach soll es eine jährliche Steigerung etwa in Höhe der Inflationsrate geben. Den administrativen Aufwand bezeichnet der Bericht als überschaubar. Steuerpflichtige seien die Hersteller und Inverkehrbringer sowie die Importeure primärer Gesteinskörnungen. Dabei handele es sich um relativ wenige Betriebe, was die Erhebung erleichtere. Die Erhebung sollte aufkommensneutral sein und die Einnahmen in flankierende Maßnahmen investiert werden. Als entsprechende Maßnahmen nennt der Bericht unter anderem die Erhöhung des Angebots an hochwertigem Sekundärmaterial, Investitionszuschüsse zur Förderung von Anlagen für das Baustoffrecycling und Forschungsförderung. Zudem solle es einen verpflichtenden Einsatz von RC-Beton bei Projekten der öffentlichen Hand sowie einen Mindesrezyklateinsatz bei der Betonherstellung geben. „Die Primärbaustoffsteuer erscheint als vergleichsweise einfach umzusetzendes und gleichzeitig vielversprechendes Instrument, da sie einen relativ leicht zu erhebenden und großen Massenstrom adressiert“, lautet zusammenfassend die Einschätzung.

Verfüllsteuer

„Verfolgt man das Ziel, mehr RC-Gesteinskörnungen im Beton und auch im Hochbau zu verwenden, müssen Verschiebungen weg von weniger anspruchsvollen Einsatzgebieten (zum Beispiel im Tiefbau) stattfinden. Gleichzeitig darf dort aber keine Lücke entstehen, die durch andere – gegebenenfalls auch primäre – Materialien geschlossen werden müsste.“ Daher müsse die Rezyklatmenge insgesamt erhöht und dazu mehr Material der Aufbereitung zugeführt werden. Potenzial biete vor allem der Stoffstrom Verfüllung, hier sei der größte Anteil Boden und Steine.

Für die Verfüllung müssten die Entsorger bezahlen. Dies sei aber nur eine Methode, es gebe teils ertragreichere Alternativen. Dass trotzdem die Verwertung gewählt werde, könne unter anderem an der fehlenden Kenntnis zu spezifischen Verwertungseigenschaften oder an baubetrieblichen Zwängen liegen. „Durch ein nachhaltiges Bodenhub-Management, das zum Beispiel eine vorgeschaltete Verwertungsplanung und die sortenreine Gewinnung unterschiedlicher Chargen vorsieht, lassen sich die Rohstoffpotenziale des Bodenaushubs heben.“ Etwa 20 Prozent des Materials sei höhenwertig. „Eine Steuer auf die Verfüllung könnte die Kostenvorteile der Verwertung gegenüber der Verfüllung erhöhen und die Aufmerksamkeit noch mehr auf Alternativen lenken.“

Der Bericht schlägt die Erhebung einer Wertsteuer in Form eines prozentualen Aufschlags auf die Kippgebühren vor. Besteuert werden sollten ungefährliche Bau- und Abbruchabfälle der Fraktionen Boden und Steine, Baggergut, Gleisschotter sowie verschiedene Fraktionen des Bauschutts. Die Steuer sollte mindestens die Kosten für ein nachhaltiges Bodenaushub-Management decken. Der Bericht schlägt eine Höhe von 10 Prozent vor. Beim Bauschutt sollten es aufgrund der Rezyklierfähigkeit hingegen 25 Prozent sein, um eine Lenkungswirkung zu erzielen. Steuerpflichtige seien in diesem Fall der Bauherr oder die Baufirma. Eine Deponierungssteuer nennt der Bericht als flankierende Maßnahme. „Es ist aus Sicht der Ressourceneffizienz erstrebenswert, auf Deponien nur diejenigen Materialien abzulagern, die sich nicht zu Recycling-Baustoffen entwickeln lassen oder deren hohe Schadstoffbelastung eine bodennahe Anwendung ausschließen.“ Notwendig seien zudem die Erweiterung von Aufbereitungskapazitäten sowie Maßnahmen zur Gütesicherung und -überwachung.

Betriebliches Ressourcenmanagement

Eine Verknüpfung steuerlicher Vergünstigungen und betrieblicher Managementsysteme sei im Bereich Energie bereits erfolgreich gewesen. Als mögliche zu senkende Steuer bringt der Bericht die Energie- und Stromsteuer, die Körperschaftssteuer, die Gewerbesteuer, die Umsatzsteuer und die Lohnsteuer ins Gespräch. Keine Steuer erfüllte alle Kriterien, aber die Lohnsteuer habe Vorteile bei der Zielgenauigkeit und der sozialen Wirkung. Der Steueranreiz müsse außerdem ausreichend hoch sein, um die Kosten für ein Umweltmanagementsystem zu rechtfertigen. Die Steuerentlastung könne prozentual zur abgeführten Lohnsteuer erfolgen und sollte durch einen Minimal- und Maximalbeitrag begrenzt werden. Nach Einführung eines Umweltmanagementsystems sollten die steuerlichen Begünstigungen an die Umsetzung von Maßnahmen geknüpft werden.

Umweltmanagementsysteme

Zwar würden Umweltmanagementsysteme heute schon gefördert, allerdings gebe es keine speziell auf das Ressourcenmanagement ausgerichtete Förderung auf Bundesebene. Förderfähig sollten laut Bericht die Erstzertifizierung für ein UMS; externe Beratung zur Einführung oder Aufrechterhaltung; der Erwerb und die Installation von Mess-, Zähler- und Sensoriktechnologie; der Erwerb und die Installation von Software und die Schulung des Personals sowie die Schulung von Mitarbeitern zu Umweltbeauftragten sein. Der Bericht empfiehlt, eine Kombination mit den Förderprogrammen der Länder zu ermöglichen. Im Bericht heißt es weiter, dass für steuerliche Anreize die größere Breitenwirkung spreche. Allerdings lasse sich ein bundesweites Förderprogramm politisch leichter umsetzen. „Um das Ziel der Ressourceneffizienz sicherzustellen, ist eine Kopplung der steuerlichen Förderung an die Umsetzung von Maßnahmen beziehungsweise eine unterstützende Investitionsförderung eine wichtige und sinnvolle Ergänzung.“

Mehrwertsteuersenkung

Bisher gebe aus auf europäischer Ebene nur wenige Tatbestände, die die Befreiung von oder eine Reduzierung der Mehrwertsteuer rechtfertigen würden. Allerdings sei eine Reform geplant, die den Mitgliedstaaten mehr Gestaltungsmöglichkeiten bieten soll. Davon geht der Bericht aus. „Eine reduzierte MwSt. für ressourceneffiziente Produkte würde dazu dienen, durch Veränderung der relativen Kosten für Endverbraucher die Nachfrage nach ressourceneffizienteren Alternativen anzureizen.“ Eine entsprechende Regelung betreffe nur Endverbraucher. Vorgeschlagen wird ein dynamischer Best-in-Class-Ansatz. Die MwSt.-Reduktion sollte sich auf Produkte beschränken, die sich im Verleih zum Branchenstandard durch eine besondere Ressourceneffizienz auszeichnen. Ziel sollte die Reduktion für 10 bis 20 Prozent der Produkte sein. Als Innovationsanreiz sollte die Reduktion nur für drei Jahre vergeben werden. Es sollten vorhandene Prozess genutzt werden, in deren Rahmen bereits ähnliche Kriterien entwickelt wurde, etwa beim Blauen Engel.

Produktressourcensteuer

Eine Steuer auf europäischer Ebene würde Wettbewerbsnachteile innerhalb der EU verhindern, heißt es weiter im Bericht. Allerdings bestehe bei Steuern nur innerhalb der EU die Gefahr der Verlagerung der Produktion in andere Länder. Ein anderer Ansatz wäre die Erhebung einer Produktressourcensteuer auf die aus den Primärrohstoffen hergestellten Produkte. Der Endverbraucher hätte keine Alternative. Besteuert werden sollte dann der Anteil der entsprechenden Materialien im Endprodukt. Dabei sollte der Fokus zunächst auf Produkten liegen, in denen die stark umweltwirksamen Massenmaterialien Kunststoff, Eisen und Aluminium aus Primärrohstoff verwendet werden. „Neben der hohen Umweltrelevanz bei der Herstellung gibt es für diese Massenmaterialien auch bedeutende Mengen an Sekundärmaterialien, für deren hochwertige Nutzung Anreize gesetzt werden könnten, indem Sekundärrohstoffe (aus Rezyklat) von der Steuer ausgenommen werden.“ Um die Übersichtlichkeit zu wahren, sollten nur Produkte über 3 Kilogramm Gewicht und einem entsprechenden Materialanteil von mindestens 10 Prozent besteuert werden. Alternativ sei auch eine Besteuerung von zentralen Produktgruppen denkbar. Zudem sollten unterschiedliche Steuersätze für verschiedene Werkstoffe erhoben werden.

Pfand auf E-Kleingeräte

Angesichts der geringen Sammelmengen hält der Bericht ein Pfandsystem für Elektro- und Elektronikkleingeräte für sinnvoll. Eine Struktur müsse allerdings erst aufgebaut werden. „Das Pfandsystem sollte einen ausreichenden Anreiz schaffen, defekte Geräte ordnungsgemäß zurückzuführen. Die Höhe, bei der es Wirkung entfaltet, hängt von der Perspektive des Eigentümers des defekten EEKG ab.“ Bei einer passenden Flankierung mit anderen Instrumenten könnten schon 10 bis 20 Euro ein ausreichender Ansatz sein. „Insgesamt bleiben derzeit aber zahlreiche rechtliche und organisatorische Fragen hinsichtlich der Ausgestaltung eines Pfandsystems auf Elektrokleingeräte offen.“

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