Der Standort für das BMBF-geförderte Pilotprojekt „Terzinn“ sei bewusst gewählt, heißt es vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (Fraunhofer IKTS). Denn die Bergbautraditionen reichen im Erzgebirge bis ins 13. Jahrhundert zurück und die Folgeschäden sind bis heute spürbar – wie am Beispiel des alten Bergwerks in Ehrenfriedersdorf deutlich wird. Neben Eisen, Fluorid und Sulfat belastet die stillgelegte Zinnerzgrube die Umwelt jährlich mit etwa 1,2 Tonnen Arsen-Verbindungen. In Hamburg sind rund vier Prozent des Arsens im Elbwasser auf das Bergwerk Ehrenfriedersdorf zurückzuführen. Erheblich sind die Auswirkungen auch in der unmittelbaren Nachbarschaft der alten Grube. Seit Jahren verzeichnet die Gemeinde Ehrenfriedersdorf einen hohen Arsen-Gehalt in ihren Klärschlämmen, die daher als Sondermüll entsorgt werden müssen.
Kontaminiertes Grubenwasser zu sauberem Brauchwasser aufbereiten
Das wichtigste Ziel der Pilottests ist es, das kontaminierte Grubenwasser – einige Millionen Kubikmeter pro Jahr – so aufzubereiten, dass es als Brauchwasser genutzt werden kann. Für die Region wäre der Nutzen groß. Silke Franzl, Bürgermeisterin der Gemeinde Ehrenfriedersdorf begrüßt daher das Engagement des Projektkonsortiums ausdrücklich: „Die Menschen in Ehrenfriedersdorf und Umgebung hoffen auf Innovationen, die für sauberes Wasser sorgen. Der Fokus liegt für uns auf dem Wunsch, die Schadstoffe aus den Bergbauwässern und Böden zu entfernen, um die negativen Auswirkungen für Mensch und Umwelt, aber auch die enormen finanziellen Aufwendungen zu minimieren.“
Zusätzliche Wertstoffrückgewinnung hilft, Betriebskosten zu senken
Im Rahmen der Pilottests sollen zudem Wertstoffe aus dem Grubenwasser extrahiert werden. Das könnte helfen, die Betriebskosten einer späteren großtechnischen Anlage zumindest teilweise zu decken. Beispielsweise werden mit dem Wasser pro Jahr auch etwa acht Tonnen Fluoride aus dem alten Bergwerk gespült. Gelingt es, diese Verbindungen abzutrennen, könnten sie zu Flussspat – einem wichtigen Grundstoff für die Metall- oder Glasindustrie – weiterverarbeitet werden. Aus anderen Elementen im Wasser ließen sich einige hundert Tonnen Ammoniumsulfat-Dünger pro Jahr erzeugen. Das Projektkonsortium wird ebenfalls untersuchen, inwieweit sich strategische Rohstoffe wie Lithium, Indium oder Tellur gewinnen lassen.
Bis Ende 2023 wollen die Projektpartner verschiedene Anlagenmodule im Stollensystem installieren und erproben. Große Hoffnungen liegen dabei seitens des Fraunhofer IKTS auf elektrochemischen Verfahren, mit denen sich das besonders giftige dreiwertige Arsen in leichter abtrennbares fünfwertiges Arsen überführen lässt. Zusätzlich können weitere Schadstoffe selektiv abgetrennt werden. „Diese elektrochemischen Technologien standen bisher im Ruf, zu teuer zu sein. Wir wollen den Beweis antreten, dass dem nicht so ist“, erklärt Hans-Jürgen Friedrich, Projektkoordinator und Gruppenleiter am Fraunhofer IKTS. Das Konsortium plant auch, die Arsenkonzentration im behandelten Grubenwasser künftig automatisiert hydrochemisch zu überwachen. Industrie-4.0-Technologien übernehmen die Steuerung der Module. Darüber hinaus werden weitere innovative Ansätze wie die Erprobung von sogenannten „constructed wetlands“ untersucht. Die Ergebnisse sollen später in großtechnische Lösungen einfließen – in Ehrenfriedersdorf, aber auch an anderen Bergbaustandorten in Deutschland wie der Lausitz oder der ganzen Welt. „Bergbau hinterlässt einen großen ökologischen Fußabdruck im Wasserhaushalt der Erde“, betont Hans-Jürgen Friedrich. „Wir hoffen, dass unser Projekt dabei hilft, die Akzeptanz und die Umweltbilanz von Bergbau wieder zu verbessern.“