Das Potenzial stofflicher Kreislaufführung ist in der Theorie erheblich, in der Praxis verhält es sich jedoch noch so, dass aus über sechs Millionen Tonnen Kunststoffabfällen in Deutschland (Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle) weniger als zwei Millionen Tonnen Rezyklat entstehen, berichtet das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit (Fraunhofer LBF): Laut Conversio-Studie liegt bei der Verarbeitung von Kunststoffen der Anteil der Rezyklate derzeit noch unter 15 Prozent der Gesamtmenge.
Da Kunststoffe aus Rohöl raffinert werden und Rohöl nur in begrenzter Menge zur Verfügung steht, sollten Kunststoffe solange wie technisch möglich in einem Kreislauf gehalten werden. Durch Deponieren oder Verbrennen gehen die im Kunststoff enthaltenen monomeren oder molekularen Information verloren. Für die Herstellung von Rezyklaten müssen nach Angaben des Fraunhofer LBF, je nach Anforderung an die Aufbereitung und den Kunststofftyp, zwischen 20 bis 50 Prozent mehr an Energie aufgewendet werden als für Neuware. Gleichzeitig wächst das Interesse und Bewusstsein des Endverbrauchers um Recyclingkunststoffe. Eine Erhöhung des Rezyklatanteils leistet zudem einen Beitrag zu mehreren Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (United Nations‘ Sustainable Development Goals, SDG).
Auf dem Weg zu mehr Zirkularität
Die Kreislaufführung von Kunststoffen, die sich bereits in der Nutzungsphase befinden, geht in ihrer Komplexität jedoch erheblich über das reine Sammeln, Sortieren und Wiederverarbeiten hinaus. Auf dem Weg zu echter stofflicher Zirkularität gebe es in vielen Fällen noch wesentliche Hindernisse und Fragestellungen, die einer höheren Rezyklatquote entgegenstehen. Die Feststellung, um welchen Anteil an Rezyklat es sich handelt, ob es sich überhaupt um ein Rezyklat handelt oder doch Neuware vorliegt, ist für den Anwender von zentraler Bedeutung und bedarf häufig gezielter Fach- und Methodenkenntnisse. Auch die Frage, ob Rezyklate in ihrer Performance der Neuware gegenüber ebenbürtig sind, ist von großer Wichtigkeit: Was wird in Bezug auf Parameter wie Festigkeit, Langzeitstabilität und Verarbeitbarkeit erwartet? Welche Unterschiede in der Lebens- und Gebrauchsdauer bestehen für Rezyklate gegenüber Neuware? Wo im Verarbeitungsprozess können Qualitätsverbesserungen gezielt eingebracht werden, sodass Rezyklate hinter der Neuware nicht zurückstehen?
Praxisbezogener Austausch mit Experten
Wissenschaftler aus dem Fraunhofer LBF forschen seit Langem an diesen Fragestellungen, damit das Potenzial von Recyclingkunststoffen bald wirtschaftlich und umfassend ausgeschöpft werden kann. Das virtuelle Seminar „Rezyklate aus dem gelben Sack: Potenzial für hochwertige Kunststoffanwendungen?“ am 22. April 2021 von 9:30 bis 12:00 Uhr richtet sich an Interessierte aus allen Bereichen der Entwicklung, Berechnung und Prüfung von Kunststoffen. Die Teilnahme ist kostenlos.