Die Wissenschaftler unter Federführung der ETH Zürich und unter Beteiligung der RWTH Aachen erklären in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science, wie die unzureichende Kommunikation zwischen Wissenschaft und Politik in der aktuellen internationalen Chemikalienpolitik zu weit verbreiteten Gesundheits- und Umweltschäden beigetragen hat.
„Wir brauchen ein internationales Aufsichtsgremium, um uns mit grenzüberschreitenden Umweltproblemen mit Chemikalien wie Schwermetallen und persistenten organischen Schadstoffen und mit Abfällen aus beispielsweise Plastik oder Elektronikschrott zu lösungsorientiert zu befassen“, sagte der Hauptautor Dr. Zhanyun Wang, leitender Wissenschaftler an der ETH Zürich in der Schweiz. „Solche Umweltprobleme sind besonders für Länder mit niedrigem Einkommen kritisch, die oft ohne die nötigen Kapazitäten für das Chemikalien- und Abfallmanagement zu Mülldeponien für Abfälle anderer Länder geworden sind.“
Man schätzt, dass der Kontakt mit nur einem Bruchteil der über 100.000 heutzutage verwendeten Chemikalien im Jahr 2017 zu über 1,3 Millionen vorzeitigen Todesfällen geführt hat. Zu den für Mensch und Umwelt schädlichen Chemikalien gehören zum Beispiel solche, die unsere Regenjacken wasserabweisend machen, aber Krebs verursachen können, Pflanzenschutzmittel, die Ackerland von Unkraut und Schädlingen freihalten, aber zum Biodiversitätsverlust beitragen, und Metalle aus unseren elektronischen Altgeräten und Elektroauto-Batterien, die Elektronikmüll-Arbeiter und ihre Familien belasten. Obwohl die Verschmutzung der Umwelt und der Menschen ein globales Problem darstellt, gibt es für politische Entscheidungsträger keinen globalen Mechanismus, um sich regelmäßig mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu informieren, was die Möglichkeit, diese Probleme rechtzeitig zu erkennen und anzugehen, stark einschränkt.
Aufgrund der immer weiter zunehmenden Menge und Vielfalt der verwendeten Chemikalien werden sich solche Schäden vermutlich vervielfachen. Der weltweite Umsatz mit Chemikalien erreichte 2017 über 5,6 Billionen US-Dollar und wird sich bis 2030 schätzungsweise fast verdoppeln. Ähnliches gilt auch für das Abfallaufkommen – die Menge an Plastikmüll, die 2025 ins Meer gelangen wird, wird voraussichtlich zehnmal höher sein als im Jahr 2010.
Die Autoren des Artikels argumentieren, dass ein globales zwischenstaatliches Gremium aus Wissenschaft und Politik helfen würde, Probleme mit dem Management von Chemikalien und Abfällen anzugehen, ähnlich wie es die Wissenschaftsräte „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC) für den Klimawandel und „Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Service“ (IPBES) für den Verlust der Artenvielfalt leisten. Eine solche Organisation im Bereich Chemikalien und Abfälle wird dringend benötigt, um die politischen Entscheidungsträger von übergeordneter Stelle in ähnlicher Weise zu informieren wie IPCC die Verhandlung und Umsetzung des Pariser Klimaabkommens unterstützt. Außerdem kann eine solche Organisation beitragen, falsch oder irreführende Angaben zu korrigieren, die Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt verzögern.
Dr. Wang fügt hinzu: „Die Einrichtung eines neuen wissenschaftlich-politischen Gremiums wird nicht alle Probleme mit Chemikalien und Abfällen lösen. Es wird jedoch die sachkundige politische Entscheidungsfindung im Umgang mit Chemikalien und Abfällen stärken und mit der Einbindung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse auch auf neue Probleme mit Chemikalien und Abfällen frühzeitig hinweisen. Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem einzigen Schritt, und wir hoffen, dass die Regierungen auf der ganzen Welt diesen entscheidenden Schritt zur Verminderung der Chemikalienbelastung der Welt machen werden.“