Die EU-Länder haben sich auf einheitliche Vorschriften für Einwegprodukte geeinigt. Bestimmte Produkte sind ab Sommer 2021 verboten, andere unterliegen strengen Auflagen. Von den Herstellern kommt Kritik an der neuen Verordnung: Die neue Kennzeichnungspflicht sei unvereinbar mit nachhaltigen Recycling-Konzepten. Die Verordnung basiere auf Fehlinformationen und führe zu Kosten, die Produzenten und Konsumenten über Gebühr belasten.
2019 verabschiedete die Europäische Union eine wegweisende Gesetzgebung zu Einwegplastik: Sie verpflichtet alle Mitgliedsländer, bestimmte Einwegkunststoffe zu verbieten und bei anderen einen reduzierten Verbrauch und eine bestmögliche Wiederverwendung anzustreben. So will man schädliche Einflüsse auf die Umwelt und insbesondere die dramatische Verschmutzung der Ozeane stoppen, die das Leben von Meerestieren bedroht. Bundestag und Bundesrat haben der Verordnung zugestimmt; sie soll am 3. Juli 2021 in Deutschland in Kraft treten. Verboten sind von da an die zehn häufigsten Einwegprodukte aus Kunststoff wie Wattestäbchen oder Trinkhalme, für die bereits erschwingliche Alternativen aus umweltfreundlicheren Materialien auf dem Markt sind. Diese Produkte machen in Europa zusammen 70 % des Meeresmülls aus.
Strikte Vorgaben für Piktogramme
Produkte, für die es noch keine guten Alternativen gibt, sollen künftig weniger verbraucht und besser wiederverwertet werden. Wie dies erreicht werden soll, regelt die Bundesregierung in einer Verordnung über die Beschaffenheit und Kennzeichnung bestimmter Einwegprodukte aus Plastik. Sie verpflichtet die Hersteller unter anderem dazu, Einweg-Getränkebecher mit einem EU-weit einheitlichen Hinweis zu versehen. Je nachdem, ob die Becher teilweise oder vollständig aus Kunststoff bestehen, müssen sie mit der Aufschrift „PLASTIK IM PRODUKT“ in weißer Schrift auf schwarzem Grund oder „HERGESTELLT AUS PLASTIK“ in schwarzer Schrift auf weißem Grund gekennzeichnet werden. Der Hinweis muss eingraviert oder aufgedruckt werden und zudem zwei Piktogramme enthalten: Sie sollen dem Betrachter symbolhaft verdeutlichen, dass sie den Becher ordnungsgemäß entsorgen und damit die Verschmutzung der Umwelt vermeiden sollen.
Steigende Wiederverwertung von Einmalprodukten
Ob diese Hinweise auf Einweg-Getränkebechern der Umwelt dienen, scheint jedoch fraglich: Die Hersteller kritisieren die Kennzeichnungspflicht, weil sie bewährte Formen des Recyclings unmöglich macht. Derzeit werden 53 Prozent des in Deutschland anfallenden Kunststoffabfalls energetisch recycelt, sprich: verbrannt. Nur 45 Prozent werden werkstofflich recycelt, also zu Granulat vermahlen; das so entstandene Rezyklat lässt sich zu verschiedenen Kunststoffprodukten verarbeiten. Eine aktuelle Erhebung zeigt, dass die Nutzung von Rezyklat als Rohstoff für neue Kunststoffprodukte steigt: 2019 betrug die Gesamtmenge des in Deutschland eingesetzten Rezyklats mehr als 1,9 Millionen Tonnen; das sind 10,2 Prozent mehr als 2017.
Kennzeichnung unvereinbar mit Closed-Loop-Recycling
Besonders nachhaltig ist die Wiederverwertung von Rezyklat in geschlossenen Produktkreisläufen (englisch: Closed Loops). Anders als in offenen Kreisläufen (Open Loops), wo das Rezyklat meist unvollständig und häufig zu anderen als den Ausgangsprodukten verarbeitet wird, entstehen beim Closed-Loop-Recycling aus ursprünglichen „Einmal“-Bechern mehrmals neue „Einmal“-Becher. Die Hersteller beklagen, dass die neue Kennzeichnungspflicht das Closed-Loop-Recycling von transparenten Getränkebechern vereitelt: Denn die Druckertinte macht das Rezyklat trübe und verhindert seine Verarbeitung zu neuen transparenten Bechern.
Die Kennzeichnungspflicht birgt zudem ein weiteres Problem: Lebensmittel dürfen nicht in direkten Kontakt mit Drucken kommen, damit keine gesundheitsschädlichen Stoffe aus der Druckfarbe in die Nahrungsmittel übergehen. Migration von Druckfarbe muss verhindert werden; dies gilt auch bei Getränkebechern.
Beträchtliche Kosten für Hersteller
Es gibt keine absoluten Zahlen darüber, wie viele Einweg-Plastikbecher pro Jahr in Deutschland produziert werden. Das Statistische Bundesamt geht – basierend auf dem Geschäftsbericht von Plastics Europe und einer vom NABU beauftragten Studie zum Abfallaufkommen – von jährlich rund 620 Millionen Bechern aus. Ein Fünftel davon ist bereits mit diversen Informationen versehen, die im Zuge der Kennzeichnung mit geringem Aufwand ergänzt werden können. Die übrigen vier Fünftel, also knapp 500 Millionen Becher pro Jahr, müssen neuerdings bedruckt werden. Für die 44 in Deutschland produzierenden Unternehmen bedeutet dies einen beträchtlichen Aufwand. Das Statistische Bundesamt setzt für alle 44 Produzenten in Deutschland insgesamt einmalige Kosten für die Anschaffung und Programmierung von Druckmaschinen von zirka 470.000 Euro an. In dieser Kostenkalkulation wird für jeden Hersteller in Deutschland von einer einmaligen Investition in eine neue Druckmaschine zu je 10.000 Euro ausgegangen. Eine Fehleinschätzung, so Branchen-Vertreter. Die Annahme, die sich auf Umweltverbände statt auf Wirtschaftsexperten stütze, halten sie für unrealistisch und rechnen mit deutlich höheren Ausgaben. Allein pro Maschine müsse ein Unternehmen mindestens 300.000 Euro investieren. Hinzu kämen etwa Kosten, um das Design unterschiedlich geformter Becher zu überarbeiten und sie mit Hinweisen in der jeweiligen Landessprache verschiedener EU-Länder zu versehen. Dies bedeutet ein großes Delta zu den der Verordnung zugrunde liegenden Kosten.