Im Europäischen Forschungsnetzwerk für Biokunststoffe haben sich nun Wissenschaftler und Unternehmen aus aller Welt zusammengeschlossen, um mit Unterstützung der Politik alternative Lösungen zu finden. Den Auftakt machte die Online-Konferenz „Past and Current H2020 Projects Joined in Bioplastics Research” am 24. Juni 2020.
Rund 100 internationale Forscher, Unternehmensvertreter und politische Entscheidungsträger aus Europa kamen auf Initiative des EU-geförderten Forschungsprojektes Bio-Plastics Europe virtuell in der Hamburg University of Applied Sciences zusammen. Sie diskutierten, wie der Umgang mit biobasierten und biologisch abbaubaren Kunststoffen vorangetrieben werden kann. „Biokunststoffe werden dazu beitragen, den Kohlenstoffverbrauch zu senken“, betonte Christian Schulz, EU-Projektmanager bei der European Bioplastics e. V., und forderte: „Dafür brauchen wir eine bessere Abstimmung von Forschungsfinanzierung und Gesetzgebung sowie einen konsistenteren Austausch zwischen den bereits abgeschlossenen Projekten und denen, die gerade laufen.“
Auch Dr. Andrew Farmer, Head of Industry, Waste and Water Programme beim Institut für Europäische Umweltpolitik (IEEP), hob die Bedeutung des Einflusses auf die Politik hervor. Sein Institut erreiche die Verantwortlichen in der EU durch Veranstaltungen und gezielte Kommunikationsmaßnahmen. Farmer: „Die Entwicklung von Richtlinien für biobasierte Kunststoffe erfordert klare Bekenntnisse: Welche Probleme werden mit diesen Materialien angegangen? Welche Instrumente werden zur Unterstützung oder Kontrolle der Produktion, der Verwendung und/oder des End-of-Life-Managements benötigt?“
Besonders viel Beachtung gab es daher für die Ergebnisse der gerade beendeten Projekte PolyBioSkin und BIO4SELF: „Für uns war es interessant zu hören, wie viele biobasierte und biologisch abbaubare Produkte innerhalb der beiden Projekte entwickelt wurden“, sagte Dr. Jelena Barbir, Initiatorin der Veranstaltung. Das reichte von faserbasiertem, nicht-textilen Material zum Beispiel für Haushaltselektronik oder für den Automobilbau über Anwendungen im Hygiene-, Kosmetik- oder medizinischen Bereich. Forschungsbedarf gäbe es dagegen noch beim Thema Nachhaltigkeit und Recycling. Nachfolgende Projekte sollen angepasst werden: „Beziehen Sie die gesamte Wertschöpfungskette in Ihre Überlegungen und Planungen mit ein, wenn Sie biobasierte Innovationen einführen wollen“, sagte Dr. Guy Buyle, Manager EU Forschung des belgischen Forschungszentrums Centexbel, das sich unter anderem mit der Verarbeitung von Kunststoffen beschäftigt.
Im Anschluss wurden die laufenden Projekte vorgestellt: Bei Bio-Plastics Europe wird nach nachhaltigen Strategien und Lösungen für biobasierte Materialien gesucht, um dadurch die EU-Kunststoffstrategie samt Kreislaufwirtschaft effektiv zu unterstützen. Dabei soll der Wissensaustausch zwischen Interessenvertretern, Forschern und politischen Entscheidungsträgern gefördert werden. Bei ECOXY forscht man zu biobasierten Epoxidharzen und Faserverstärkungen zur Herstellung nachhaltiger Duroplast-Verbundwerkstoffe und deren Recyclingfähigkeit. Das SEALIVE-Team entwickelt biobasierte Kunststofflösungen als praktikable Alternative zu Einwegkunststoffen, um Kunststoffmüll und Verunreinigungen an Land und in den Meeren zu reduzieren. „Es besteht bei allen Projekten weiterer Forschungsbedarf für die Auswahl von nachhaltigen Rohstoffen”, fasste Dr. Jelena Barbir zusammen. Auch die Entwicklung umweltfreundlicher Zusatzstoffe und die Recyclingmöglichkeiten müssen entwickelt und überprüft werden. „Es bleibt für uns alle genug zu tun!“
Wie wichtig die Vernetzung zwischen den Projekten sei, erklärten auch die EU-Vertreterinnen Nila Petralli und Dr. Silvia Maltagliati: „Die Forschungs- und Entwicklungsarbeit rund um das Thema biobasiertes Plastik soll die sichere Herstellung und die Kreislaufwirtschaft von Materialien und Produkten entlang der gesamten Wertschöpfungskette voranbringen“, sagte Dr. Silvia Maltagliati, Referentin für Politik im Bereich Bioökonomie bei der Europäischen Kommission. Um diesen Prozess zu unterstützen, wird das EU-Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon Europe ab 2021 als Nachfolger von Horizon 2020 etabliert. „Wir werden unter anderem Forschungen zum Thema Bioökonomie fördern“, warb Maltagliati dafür, sich mit neuen Themen zu bewerben: „Die ersten Ausschreibungen für den Zeitraum von 2021 bis 2027 starten Anfang des kommenden Jahres.“
Die nächste internationale Veranstaltung findet online am 4. November 2020 statt. Thema: Rohstoffe für biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe.