Anders als bislang üblich sollten in diese Bilanz entlang der Wertschöpfungskette die Auswirkungen auf die Umwelt mit aufgenommen werden. Ebenso müssten Leistungen zugunsten des ökologischen Gleichgewichts, für Gesundheit und soziale Kosten mit bilanziert sein.
„Viele Preise im Supermarkt spiegeln nicht die ökologischen und sozialen Folgekosten wider“, erklärt Misereor-Geschäftsführer Thomas Antkowiak. „Derzeit bildet der Preis nicht ab, ob Lebensmittel zum Beispiel durch Kinderarbeit hergestellt, unfaire Löhne gezahlt oder unter welchen Umständen die Produkte hergestellt werden.“ Die scheinbar günstigen Preise hätten zur Folge, dass immer mehr Produkte erzeugt werden, die für das Gemeinwohl und die Umwelt schädlich sind. Das Bekanntwerden der Probleme in Schlachthöfen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sei nur ein Beispiel, das zeige, dass dringender Handlungsbedarf besteht. „Umgekehrt haben biologisch und fair produzierte Waren, die viel weniger Folgekosten mit sich bringen, einen höheren Preis. Das ist ein Fall von Marktverzerrung, der uns alle letztlich teuer zu stehen kommt“, so Antkowiak. „Wir alle zahlen die Rechnung für diese Art des Wirtschaftens. Vor allem jedoch Menschen, die unter den Folgen des Klimawandels, wie Dürren oder Überschwemmungen leiden oder Bäuerinnen und Bauern weltweit, deren Trinkwasser mit Pestiziden belastet ist. Und: Die künftigen Generationen!“
Die GLS-Bank habe in einer Studie die Erfolgsrechnung von drei Bio-Höfen mit drei konventionellen Betrieben verglichen. Das Besondere: Hier wurden die sozialen und ökologischen Kosten mit eingerechnet und die Erträge miteinander verglichen. Das Ergebnis: Die konventionelle Produktion verursacht Schäden in Höhe von durchschnittlich über 3.500 Euro pro Hektar und Jahr. Hochgerechnet auf die Zahl der Höfe und genutzten Fläche der derzeit vorherrschenden konventionellen Landwirtschaft in Deutschland entspricht dies Kosten in Höhe von rund 61 Milliarden Euro pro Jahr. Hingegen erzeugt die Bio-Landwirtschaft einen Nettogewinn in Höhe von durchschnittlich 885 Euro pro Hektar und Jahr, weil sie unter anderem die Artenvielfalt sichert, die Bodenfruchtbarkeit erhöht und CO2-Emissionen verringert.
„Es gilt also, Folgekosten aus der Produktion von Lebensmitteln nach dem Verursacherprinzip zu errechnen und auf deren Preis aufzuschlagen“, erläutert Dr. Tobias Gaugler von der Universität Augsburg: Das bedeutet, dass Lebensmittel, die dem Klima, der Biodiversität und der Gesundheit schaden, aktuell zu billig sind. Ökologisch unbedenkliche Produkte hingegen könnten in einer solchen „fairen“ Bilanz sogar günstiger werden, weil ihre Leistungen vergünstigend wirken wie zum Beispiel der Humusaufbau oder der Schutz der Artenvielfalt. Erst wenn Kostenwahrheit herrscht, ist ein fairer Wettbewerb möglich“, so Gaugler.
„Nur wenn vergleichbare Akteure am Markt mit gleichem Maßstab gemessen werden, erreichen wir hinsichtlich der Preisgestaltung eine gerechtere Basis“, erklärt auch der Gesellschafter der HiPP Gruppe, Stefan Hipp: „Derzeit tragen die Gesellschaft und wenige Unternehmen die Kosten für Schäden, die sie nicht verursacht haben. Über den Ansatz der wirklichen Kostenberechnung („True Cost Accounting“) würden nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltige Investitionen gefördert und belohnt.“