Wie bvse-Vizepräsident Martin Wittmann erklärte, hätten sich die tatsächlichen Sammelmengen in den letzten Jahren deutlich erhöht. Von 2013 bis 2018 sei das Sammelaufkommen von Alttextilien um etwa 300.000 Tonnen auf 1,3 Millionen Tonnen gestiegen. Pro Einwohner sei das Sammelaufkommen von 2015 bis 2018 von 14 Kilogramm auf zuletzt über 15 Kilogramm gestiegen. Auch die Inlandsverfügbarkeit habe sich in den vergangen Jahren deutlich erhöht, so Wittmann weiter. Allerdings gehe dies deutlich zu Lasten der Qualität. So würden zunehmend vor allem Billigprodukte von geringer Qualität auf den Markt gebracht. Diese Produkte würden nur kurz genutzt und dann relativ schnell wieder entsorgt. Ein Ende dieses Trends sei auch nicht absehbar. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Einzelhandel die Ware, die sich während Corona angehäuft habe, nun zu besonders niedrigen Preisen verkaufen werde und sich die Konsumspirale so weiterdreht.
Zwar sei auch die Wiederverwendungsquote von 2013 bis 2018 von 54 auf 62 Prozent gestiegen, dies hätte aber aufgrund der insgesamt schlechten Sammelqualität nur durch einen kostenintensiven händischen Sortieraufwand erreicht werden können. Allerdings habe sich in diesem Zeitraum auch die Verbrennungsquote von 8 auf 12 Prozent erhöht. Dies sei unter anderem auch auf die deutlich gestiegenen Schad- und Störstoffanteile zurückzuführen. Nicht zuletzt auch in der Corona-Krise habe die Menge an Beseitigungsmüll an und in den Container noch einmal zugenommen. Dies führt Wittmann unmittelbar auf die vollständige oder teilweise Schließung kommunaler Wertstoffhöfe zurück.
Den dadurch entstehenden höheren Kosten habe andererseits in den vergangenen zwei Jahren eine deutlich schwächere Nachfrage gegenüber. Diese sei durch die Corona-Krise nun vollständig zum Erliegen gekommen. „Den großen Mengen an eingehenden Altkleidern stehen so gut wie keine Absatzmärkte mehr gegenüber, denn der Export in die Top-Abnehmerländer von Sammelware wie Osteuropa und Afrika ist durch die Corona-Restriktionen über Nacht völlig zum Erliegen gekommen“, so Wittmann. Daher säßen die Sammler und Sortierer derzeit auf übervollen Lagern.
Wittmann erklärte weiter, dass das bestehende selbstfinanzierte System vor dem Kollaps stehe. Als kurzfristige Lösung sieht er die Unterstützung durch die kommunalen Vertragspartner. „Gebühren für Mieten und Standplätze müssen auf den Prüfstand gestellt und eine Lösung für die Übernahmen der kosten zur Beseitigung von Fehlwürfen und Störstoffen gefunden werden“, erklärte der bvse-Vizepräsident. Mittelfristig müsse aber auch die Textilindustrie Verantwortung übernehmen und den Fokus auf Qualität statt Quantität und ein Design for Recycling richten. Es müssten neue Prozesse entwickelt werden, bei denen sich auch die Recycler einbringen wollen. „Der vorerst wichtigste Schritt jedoch ist, dass sich die Industrie jetzt ihrer Verantwortung für ihre Produkte als Teil der Wertschöpfung innerhalb der Kreislaufwirtschaft bewusst wird“, so Wittmann weiter. Das hochwertige Textilrecycling habe im Hinblick auf Ressourcenschonung, Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft einen herausragenden Stellenwert. „Dies kann jedoch nur aufrechterhalten werden, wenn dem ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell gegenübersteht. Das fordert die Einsicht nach gemeinsamer Verantwortung von Herstellern, Verbrauchern, Textilrecyclern und Kommunen. Textilrecycling muss und wird sich in den nächsten Jahren verändern“, so Wittmann abschließend.
Einen ausführlichen Bericht zur Textilstudie 2020 des bvse lesen Sie in der Juli-Ausgabe des RECYCLING Magazins.