Deutsche Edelmetallindustrie trotzt weltweiter Marktschwäche

In Ihrem Pressegespräch am 19. Februar 2020 in Pforzheim zeichnet die Fachvereinigung Edelmetalle ein differenziertes Bild der Branchenentwicklung im vergangenen Jahr.
Rainer Sturm, pixelio.de
Rainer Sturm, pixelio.de

Nach einem schleppenden Beginn haben der Anstieg der Edelmetallpreise im zweiten Halbjahr sowie die anhaltenden globalen Unsicherheiten den Verkauf von Investmentprodukten und die Geschäfte in der Aufarbeitung von Edelmetallen beflügelt. Einige Produktbereiche mit industriellen Zielmärkten kämpfen jedoch mit den Auswirkungen reduzierter Nachfrage. Für das Jahr 2020 sind die Erwartungen insgesamt optimistisch, jeweils aber abhängig von der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung sowie geopolitischen Einflussfaktoren.

Franz-Josef Kron, Stellvertretender Vorsitzender Arbeitsausschuss Edelmetallwirtschaft, Vorstandsvorsitzender, beschreibt die Entwicklung der Branche im Jahr 2019 als ungleichmäßig. So stellt der Rückgang der industriellen Produktion gerade im Bereich Automotive durch den Übergang zur Elektromobilität auch die Edelmetallindustrie vor neue Herausforderungen.

Und die anhaltenden Brexit- Verhandlungen führen für die Branche zu einer Eintrübung der Exporte in das Vereinigte Königreich, andere Exportmärkte zeigen sich dagegen stabil. „Die deutlichen Preissteigerungen von Gold sowie Palladium im letzten Jahr haben auf die Abnehmerindustrien für Edelmetalle großen Einfluss. Das spüren Hersteller von Kontakt-werkstoffen, Galvanisier-Betriebe und Zulieferer der Automobilindustrie.“ erläutert Kron.

Die Nachfrage nach Gold in Investmentbarren und Münzen ging zwar weltweit zurück, in Deutschland und Europa gab es aber einen Anstieg, insbesondere im letzten Quartal 2019. Die geringere physische Goldnachfrage bei Schmuck und Industrie führte bei gleichmäßigem Anstieg der Minenproduktion und des Recyclings zu einem deutlichen Anstieg des physischen Goldüberschusses. Dieser Überschuss floss in den angestiegenen Bedarf zur Deckung börsennotierter Investmentprodukte. „Ursächlich für das Interesse der Anleger sind die weiterhin unsichere Welt- und Handelspolitik sowie nicht zuletzt der Einfluss der Niedrigzinspolitik“, so Kron. Der Goldpreis verzeichnete starke Kursanstiege.

Dekorative Anwendungen (Schmuck, Uhren, Lifestyle) machen bei der Verarbeitung von Gold deutlich über 50% aus. Die weltweite Nachfrage ist 2019 um 10% im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen, erläutert Kron. Der deutlichste Rückgang war in Asien, also dem größten Markt, zu verzeichnen. Die Nachfrage in Europa einschließlich Deutschlands sank im Jahr 2019 mit 5,7% zwar weniger stark, aber dennoch deutlich.

Recycling hat mit 25-30% einen großen Anteil an der weltweiten Goldversorgung. Bei Silber sind es 17%. „Aus 40 aussortierten Handys lässt sich ungefähr so viel Gold recyceln wie aus einer Tonne Erz gewonnen werden kann. Eine Tonne alter Computer-Platinen ergibt über 100 Gramm des kostbaren Edelmetalls“ erklärt Kron. Die Rückgewinnung von Gold erfüllt die Voraussetzungen internationaler Initiativen und Compliance-Regeln voll. Kron ergänzt, „dass die Ende 2019 veröffentlichten Ergebnisse einer Untersuchung des INEC – Institut für Industrial Ecology an der Hochschule Pforzheim belegen, dass das Gold-Recycling der klimafreundlichste Weg zur wirtschaftlichen Gewinnung von Gold ist.“

„Ungefähr 60% des Bedarfes an Silber gehen auf industrielle Anwendungen zurück, und das weltweit“, so Kron. Ein Interimsreport des Silberinstitutes vermerkt für Silber in 2019 insgesamt einen stabilen bis leicht steigenden Verbrauch. In der Industrie bleibt der Verbrauch von Silber trotz schwächerer Automobilmärkte stabil. Grund dafür sind steigende Einsatzmengen pro Fahrzeug und eine regionale Ausweitung der Photovoltaik. Investment Münzen und Barren verzeichnen für 2019 weltweit einen Zuwachs von 7%. Haupttreiber ist hier der US-amerikanische Markt.

Kron führt aus, dass die Platingruppenmetalle (Platin, Palladium, Rhodium, Ruthenium, Osmium, Iridium) als Technologiemetalle, weiterhin an Bedeutung gewinnen. „Der Bedarf in 2019 ist weiter gestiegen, vor allem für Autoabgaskatalysatoren, Brennstoffzellen und in der Elektronik. Der Trend weg von Diesel- hin zu Benzinmotoren hat die Nachfrage nach Palladium und Rhodium nochmal deutlich erhöht“, erklärt er. Preissteigerungen von bis zu 250% und sehr hohe, teilweise extrem schwankende Finanzierungsraten sind die Folge. Sie zwingen die Hersteller zum sparsamen Umgang mit der knappen Ressource. Auch der Preis von Platin ist, nach gesunkenen Preisen im vergangenen Jahr, wieder angestiegen.

Mit Blick auf die Schmuckindustrie führt Georg Steiner, Vorsitzender Arbeitsausschuss Edelmetallwirtschaft, für 2019 aus, „durch den Nachfragerückgang im Schmuckbereich gehen auch die gelieferten Mengen an Schmucklegierungen zurück. Dabei hat sich die Nachfrage nach Platingruppenmetallen allerdings erhöht.“

So zog sich der bereits im Vorjahr begonnene Kursanstieg von Palladium kontinuierlich durch das gesamte Jahr 2019. Parallel dazu wurde die physische Knappheit von Palladium zu einer ernstzunehmenden Beschaffungsproblematik für die Edelmetallwirtschaft. „Hinzu kam die hohe Volatilität der Finanzierungsraten und ein Leihzins-Niveau für Palladium, dass kurzzeitig sogar die Marke von 50% pro Jahr überstieg“, erklärt Steiner.

Die Schmuckindustrie reagierte auf diese Entwicklung und stellte die Legierungen von hochhaltigen Palladiumlegierungen auf hochhaltige Platinlegierungen um. Zudem wurden zahlreiche Weißgoldlegierungen, die meist einen Palladiumanteil größer 10% aufweisen, durch Platinlegierungen ersetzt und auch der Trend zu Gelbgoldlegierungen wurde weiter ausgebaut. Laut Steiner stieg die Nachfrage nach Platinlegierungen bedingt durch diese Entwicklungen um nahezu 25%.

Wie in den Vorjahren war der Absatz von Dentallegierungen auch 2019 stark rückläufig. Steiner merkt an, dass dieser Abwärtstrend wurde durch die Edelmetallpreisentwicklung, insbesondere der Preise für Gold und Palladium, nochmals beschleunigt wurde. „Vor allem Palladium-basierte Dentallegierungen wurden deutlich weniger nachgefragt. Insgesamt verdrängen preisgünstigere Alternativen zur Herstellung von Zahnersatz zunehmend die Edelmetalle aus den Laboren“, so Steiner. Eine Stagnation des Abwärtstrends ist auch in 2020 nicht zu erwarten.

Die Erwartungen der Schmuckindustrie für das Jahr 2020 sind laut Steiner optimistisch, jedoch stark beeinflusst von der Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung. „Es wird für die Edelmetallwirtschaft in 2020 und in den darauffolgenden Jahren deshalb mehr denn je wichtig sein, sich noch stärker auf das Recycling von Wertstoffen zu fokussieren und so hochwertigste Edelmetallprodukte für zukunftsorientierte Industrien sowie neue Anwendungsfelder herzustellen. Im Hinblick auf nachhaltige und verantwortungsvolle Prozesse kommt dem Recycling von Edelmetallen eine große, zukunftsorientierte Bedeutung zu“, so Steiner.

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