Um dieses „Circularity gap“ sukzessive zu schließen, fordert die ARA einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern, Design for Recycling auch für Gebäude und langlebige Produkte, den Ausbau von Recycling sowie Forschung und internationale Technologiepartnerschaften mit den „CO2-Importländern“.
„Wir haben mehr erwartet“, brachte ARA-Vorstand Christoph Scharff im Rahmen der Studienpräsentation in Wien das Ergebnis auf den Punkt. Zum Vergleich: Die Weltwirtschaft ist zu 9,1 % zirkular. Dieses Ergebnis wurde 2018 beim Weltwirtschaftsforum in Davos von der holländischen Plattform Circle Economy der Öffentlichkeit präsentiert. Allerdings, so Scharff, gelte es, für Österreich die richtigen Schlüsse zu ziehen: „Eine Volkswirtschaft, die – direkt oder indirekt, das heißt über importierte Waren – stark auf fossile Energieträger setzt, kann nicht zirkular sein. Eine wachsende Volkswirtschaft, die Güter akkumuliert, die erst in Jahren zurück in den Kreislauf kommen, kann ebenfalls nicht zirkular sein. Und eine stark importierende Volkswirtschaft, die den Fußabdruck der Importgüter mittragen muss, kann auch nicht zirkular sein.“
Mit einer Recyclingquote von 58 % des Siedlungsabfalls liegt Österreich im EU Spitzenfeld. Betrachtet man allerdings den gesamten Ressourcenverbrauch aus Metallen, Mineralstoffen, Biomasse und fossilen Energieträgern von 424 Mio. t, sinkt dieser Wert auf 9,7 %. 55 % des Ressourcenverbrauchs Österreichs entstehen durch Importe jenseits der Landesgrenzen. Die größten Verbraucher sind Mobilität einschließlich der Verkehrsinfrastruktur und Konsumgüter mit zusammen rd. 46 %.
„Kreislaufwirtschaft ist eine umwelt- und rohstoffpolitische Priorität der Europäischen Union und ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz. Wir wollen mit dieser Studie die Kreislaufwirtschaft messbar machen. Nur so kommen wir zu den richtigen Prioritäten und können den Fortschritt messen,“ erläutert Scharff die Motivation der ARA. Mit dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern, forciertem Recycling, der Wiederverwendung von Bauten und Baustoffen bei Infrastruktur-Erhaltungsmaß-nahmen sowie einer deutlichen Verbesserung des Recyclings in den Herkunftsländern ließe sich die Zirkularität der heimischen Volkswirtschaft auf über 37 % vervierfachen.
Der „Circularity Gap Report – Austria“ liefert auf wissenschaftlicher Grundlage die erste Quantifizierung der Kreislaufwirtschaft in Österreich nach den wesentlichen Rohstoffkategorien und zeigt eine Abschätzung nach Anwendungsfeldern von Ernährung über Wohnen bis Mobilität. „Die erstmalige Berechnung einer nationalen Ökonomie weist gegenüber der globalen Berechnung erhebliche methodische Herausforderungen auf. Die Erde ist ein geschlossenes System. Für Österreich waren hingegen Importe und Exporte zu berücksichtigen.“, erklärt Marc de Wit, führender Studienautor von Circle Economy, die Berechnungsmethode. „Bei unserem Ansatz haben wir den Verbrauch stärker gewichtet. Bei bloßer Betrachtung der Produktion könnten wir nur berücksichtigen, was in einem System produziert wird oder als fertiges Produkt eingeht. Wir aber haben den ökologischen Fußabdruck eines Produkts entlang der gesamten Wertschöpfungskette betrachtet und demnach auch die bei importierten Gütern aufgebrachten Ressourcen außerhalb der österreichischen Staatsgrenzen miteinbezogen. Nur so kann der gesamte Inlandsverbrauch korrekt und aussagekräftig in die Berechnung integriert werden.“
„Kreislaufwirtschaft ist weit mehr als Recycling und Siedlungsabfall: Ressourceneffizienz, Sicherung der industriellen und agrarischen Rohstoffbasis, Lebenszyklusbetrachtung von Produkten und Prozessen und letztlich auch Beschäftigung und Kollaboration. Österreich war stets führend in der Abfallwirtschaft und im Recycling. Wir haben uns daher gefragt: Wo steht Österreich in der Kreislaufwirtschaft und wir können wir unsere Zirkularität steigern? Dazu war es notwendig, Begriffe und Bezugsrahmen wie Rohstoffe, Biomasse oder Energieträger zu klären und die Bedeutung gesellschaftlicher Bedarfsfelder wie Wohnen, Essen, Mobilität oder Gesundheit für den Ressourcenverbrauch abzuschätzen. Daraus lassen sich Perspektiven entwickeln und Schwerpunkte setzen. Im Kontext des EU Kreislaufwirtschaftpakets schafft dieser Report die Basis für eine evidenzbasierte Kreislaufwirtschaftspolitik in Österreich. Wir haben sie messbar gemacht und erste Fakten präsentiert. Jetzt gilt es zu handeln“, unterstreicht Scharff.
Harald Friedl, Geschäfsführer von Circle Economy, hebt die Notwendigkeit einer gemeinsamen Vorgehensweise hervor: „Was es jetzt braucht, ist eine starke nationale Koalition bestehend aus Politik, Industrie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in Österreich und internationale Kooperation. Der Circularity Gap Report Austria zeigt klar, dass Kreislaufwirtschaft in einer globalisierten Wirtschaft nur durch Fortschritte in den produzierenden und exportierenden Volkswirtschaften möglich ist. Der vorliegende Bericht im Auftrag der ARA lässt nun konkretes Handeln zu und das Ziel ist dabei klar: Die ‚Circularity Gap‘ soll weiter geschlossen werden. Das geht nur, wenn alle Stakeholder an einem Strang ziehen.“