Dabei weist der Verband darauf hin, dass Remondis nicht ein Unternehmen unter vielen ist. Remondis ist der mit riesigem Abstand führende Entsorgungskonzern in Deutschland. Das Unternehmen konnte im Jahr 2018 den Rekordumsatz von 7,3 Milliarden Euro erwirtschaften. Das war gegenüber dem Jahr 2017 ein Zuwachs um satte 1,3 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der zweitumsatzstärkste Konzern in Deutschland, Alba aus Berlin, wies einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro aus. Veolia, als Nr. 3 der Branche, etwa 1 Milliarde Euro.
Auch die DSD GmbH ist im Konzert der dualen Systeme das mit Abstand größte Unternehmen. In den Bereichen Leichtverpackung (LVP), Glas sowie Papier, Pappe, Karton (PPK) bewegen sich die Marktanteile auf die 40-%-Marke zu. Sorge macht dem bvse auch die zunehmende Marktkonzentration im Systemgeschäft. Für den Mittelstandsverband ist klar: Das gesamte Marktgefüge – von kleineren bis zu mittleren privaten und kommunalen Unternehmen – wäre unmittelbar oder mittelbar betroffen, wobei sich teilweise existenzbedrohende Auswirkungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ergeben.
Grund genug für den bvse, Prof. Dr. Justus Haucap, den ehemaligen Chef der Monopolkommission, mit einem Gutachten zu den wettbewerbsökonomischen Auswirkungen der DSD Übernahme durch Remondis zu beauftragen. Mit dem Zusammenschluss von Remondis und DSD entsteht schließlich ein vertikal integriertes Unternehmen. Die Verpackungsabfälle durchlaufen jeweils die Bereiche Erfassung, Sortierung/Aufbereitung und Verwertung. All diese Ebenen, die Beauftragung der Dienstleister, die Steuerung der Prozesse und nicht zuletzt die Vermarktung der gewonnenen Sekundärrohstoffe werden nun in einem Unternehmen gebündelt.
Neu ist das natürlich nicht. Es gibt schon jetzt duale Systeme, die im Eigentum von Entsorgungsunternehmen stehen. Neu ist aber die damit verbundene Marktmacht. „Diese Marktmacht ist im Falle von Remondis einzigartig und erdrückend“, erklärt bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock.
Haucap schreibt in seinem Gutachten, dass vertikale Zusammenschlüsse insbesondere dann Wettbewerbsbedenken aufwerfen, wenn sie zu sogenannten „Abschottungseffekten“ führen und tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbern den Zugang zu Produktionsmitteln oder Märkten behindern oder unmöglich machen und damit deren Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussen. Er untersuchte daher, ob durch den Zusammenschluss Remondis/DSD Anreize entstehen und Möglichkeiten eröffnet oder verstärkt werden, anderen Entsorgungsunternehmen den Zugang zu einem der wichtigsten Nachfrager nach Erfassungsleistungen von LVP und Glas zu erschweren.
Hierbei identifizierte Haucap zwei Möglichkeiten, durch die Remondis nach dem Zusammenschluss die von DSD ausgeschriebenen Erfassungsleistungen für LVP und Glas von anderen Entsorgungsunternehmen abschotten könnte. Erstens erhöht die Fusion auf Seiten Remondis/DSD den Anreiz, Ausschreibungen für LVP und Glas in Gebieten mit DSD Ausschreibungsführerschaft durch Unter-Kosten-Preise zu gewinnen und so andere Entsorger aus diesen Gebieten zu verdrängen. Da die „Kosten“ einer Verdrängungsstrategie aufgrund der Hauptkostenverantwortung des Ausschreibungsführers zumindest zu 50 % über DSD wieder aufgefangen werden könnten.
Eine zweite Möglichkeit, andere Entsorger von den Erfassungsaufträgen von DSD für LVP und Glas abzuschotten, besteht laut dem Haucap Gutachten in den weitreichenden PPP-Beteiligungen von Remondis. Die enge Verzahnung von Remondis mit den Kommunen würde Remondis/DSD die Möglichkeit eröffnen, in Entsorgungsgebieten, in denen DSD die Ausschreibungsführerschaft innehat und Remondis eine PPP-Beteiligung besitzt, den Ausgang der Ausschreibungen über die Abstimmungsvereinbarung mit dem örE zu den eigenen Gunsten zu beeinflussen. Durch die Fusion würde der in der Abstimmungsvereinbarung beabsichtigte Interessensausgleich zwischen Systembetreiber und örE, der für eine wettbewerbskonforme und effiziente Vergabe der Sammelleistungen für LVP und Glas sorgt, massiv gestört.
Professor Dr. Justus Haucap führt in seinem Gutachten weiter an, dass insbesondere auf Märkten, in denen Größenvorteile eine starke Bedeutung zukommt, wie bei der Abfallerfassung, die negativen wettbewerblichen Effekte sich aufgrund derartiger Abschottungsstrategien verstärken und demnach besonders gravierend sind. Haucaps Fazit ist daher eindeutig: „Der Zusammenschluss lässt demnach eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs im Rahmen der Abfallerfassung erwarten.“
Einen ausführlichen Bericht zu diesem Thema lesen Sie in der April-Ausgabe des RECYCLING magazins.