Die am 3. Oktober 2017 in Kraft getretene Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung (AbfKlärV) beinhaltet die Pflicht zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm. Nach einer Übergangsfrist müssen Kläranlagen mit > 50.000 EW Phosphor aus dem Klär-schlamm direkt oder aus der Klärschlammasche zurückgewinnen. Aktuell wird zu dieser Klärschlammverordnung eine Vollzugshilfe im Rahmen einer LAGA ad-hoc Arbeitsgruppe entwickelt, die im Frühjahr 2019 in die Verbändeanhörung gehen wird.
Während der Arbeiten an der Vollzugshilfe seien aber auch grundlegende Unstimmigkeiten der Klärschlammverordnung hinsichtlich der rechtlichen Einordnung der so genannten Nass- oder Fällungsverfahren zur Phosphorrückgewinnung aufgefallen. Folgende Definitionen seien bei der Beurteilung der Unstimmigkeiten zu berücksichtigen:
- Es gilt nach AbfKlärV Artikel 1, §2 (2), dass Klärschlamm ein Abfall aus der abgeschlossenen Behandlung von Abwasser in Abwasserbehandlungsanlagen ist.
- Abfälle sind nach KrWG §3 (1) alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.
- Weiterhin wird in der AbfKlärV §2 (3) erweiternd erläutert, dass Rohschlamm nicht stabilisierter oder teilstabilisierter Schlamm ist, der Abwasserbehandlungsanlagen vor Abschluss der Abwasserbehandlung entnommen wird. Rohschlamm (als juristischer Sammelbegriff für Primär- , Sekundär, Misch- oder Faulschlamm) ist in dem Sinne kein Abfall und auch nicht dem Abfallrecht bzw. der AbfKlärV zugeordnet.
Nach bisherigem Stand gelte nach AbfKlärV Artikel 1 §1 der Anwendungsbereich der AbfKlärV nur für Klärschlamm, Klärschlammgemisch und Klärschlammkompost, d.h. die davorliegenden Produktströme wie z.B. der Rohschlamm unterlägen nicht der Klärschlammverordnung, sondern der Abwasserverordnung.
- Der Rechtsübergang finde dann statt, wenn der Klärschlammerzeuger (d.h. der Betreiber einer Abwasserbehandlungsanlage) sich des Schlammes entledigt, entledigen will oder muss. Sofern Schlamm auf dem Kläranlagengelände in einer Abfallentsorgungsanlage bzw. Abfallverbrennungsanlage (Monoverbrennung) nach KrWG Abschnitt 3 bzw. 17. BImschV §2 (4) zugeführt werde, sei dieser Input der Abfallentsorgungsanlage im juristischen Sinne Abfall und auch Klärschlamm. Schlamm sei dann im juristischen Sinne Klärschlamm, wenn er die Kläranlage bzw. den Betrieb verlässt und als Abfall entsorgt wird:
• d.h. wenn Rohschlamm nass (1-3 % TR) abgefahren wird, ist Rohschlamm Klärschlamm im juristischen Sinne. Dies trifft i.d.R. nur auf sehr kleine Kläranlagen zu, die nicht von der Phosphorrückgewinnungspflicht betroffen sind.
- wird der Schlamm entwässert und anschließend der entwässerte Schlamm abgefahren, ist dieser als Klärschlamm im juristischen Sinne zu verstehen. Bei der Entwässerung entsteht Schlammwasser, welches in der Kläranlage behandelt wird. Somit ist die Abwasserbehandlung vor der Entwässerung nicht abgeschlossen.
- wird der Schlamm entwässert und teil- oder vollgetrocknet und der getrocknete Schlamm ab-gefahren, könnte argumentiert werden das Klärschlamm getrockneter Schlamm ist. Gegebenenfalls entsteht aber bei der Trocknung ein Brüdenkondensat, dass wie das Schlammwasser letztlich in der Kläranlage behandelt wird und somit die Abwasserbehandlung vor der Trocknung nicht abgeschlossen ist. Es besteht allerdings nicht bei allen Trocknungsverfahren die Notwendigkeit die Brüden zu kondensieren, d.h. das bereits der entwässerte Schlamm, der der Trocknung zugeführt wird, schon als Abfall bzw. Klärschlamm im juristischen Sinne verstanden wird. Die Trocknung ist juristisch somit schwer einem Rechtsbereich zuzuordnen.
- bei der Verfahrenskombination von Entwässerung, Vortrocknung und Monoverbrennung (d.h. Abfallentsorgungs- bzw. Abfallverbrennungsanlage) auf dem Standort der Kläranlage, ist Klär-schlamm im juristischen Sinne der dieser Abfallentsorgungsanlage zugeführte Schlamm. Die Vortrocknung ist i.d.R. Teil der Abfallentsorgungsanlage und somit wäre entwässerter Schlamm Klärschlamm im juristischen Sinne, auch wenn in bei der Trocknung ein Brüdenkondensat entsteht, dass letztlich wieder der Abwasserbehandlung zugeführt wird. Auch hier ist die Trennung der Rechtsbereiche im Bereich der Trocknung unklar.
Es könne in der Regel davon ausgegangen werden, dass Klärschlamm entwässerter Schlamm ist. Da AbfKlärV Artikel 5 §3a (1) eine Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm, d.h. entwässertem Schlamm vorsieht, bedeutet dies, dass Verfahren, die vor der Entwässerung bzw. im Zentrat ansetzen, keine Phosphorrückgewinnung nach AbfKlärV Artikel 5 § 3a (1) seien. Sie seien nicht in der AbfKlärV geregelt da sie dem Abwasserrecht unterliegen. Die nach der AbfKlärV geforderten Maßnahmen zur P-Rückgewinnung würden daher nur für Klärschlamm (d.h. i.d.R. entwässertem Schlamm) oder für Asche nach einer Verbrennung gelten.
Eine Phosphorrückgewinnung sei nach AbfKlärV Artikel 5 §3 (4) nicht erforderlich, sofern ein Klär-schlamm zuverlässig einen Phosphorgehalt von weniger als 20 Gramm je Kilogramm TM enthält. Eine Unterschreitung dieses Schwellenwerts könne wiederum durch abwasserrechtliche Verfahren im Rohschlamm (Primär-, Sekundär, Misch- oder Faulschlamm), in Schlammwässern oder im Abwasser selbst u.U. erreicht werden. D.h. für solche Verfahren würde ausschließlich der 20 g P/kg TM Schwellenwert nach AbfKlärV Artikel 5 §3 (4) als Zielmarke gelten. Die 50%-Regelung (als Konzentrationsabreicherung nach AbfKlärV) gelte hier nicht.
Konkret bedeute dies, dass gängige Nassschlamm- bzw. Fällungsverfahren zur Phosphorrückgewinnung wie z.B. das Stuttgarter Verfahren, Pearl, ExtraPhos, Struvia, AirPrex, PhosForce u.a. alle nicht dem Ausführungsziel der AbfKlärV zur Phosphorrückgewinnung unterliegen. Damit seien diese Verfah-ren unabhängig von der Restkonzentration im Klärschlamm oder einer Rückgewinnungsrate keine Phosphorrückgewinnung im Sinne der AbfKlärV. Vielmehr dienten sie dann lediglich zur Erzeugung eines Klärschlammes mit ggf. weniger als 20 g P pro kg Trockenmasse, der dann nicht mehr der Phosphorrückgewinnungspflicht gemäß AbfKlärV unterliege. Diese Verfahren unterlägen dann als Abwasserbehandlungsmaßnahme der Abwasserverordnung.
Zudem müsse die Sinnhaftigkeit des 20 g P/kg TM Kriteriums in diesem Zuge in Frage gestellt werden. Typische Rohschlämme (vor der Faulung) enthielten in etwa 20 g P/kg TM. Faulschlämme enthielten i.d.R. 35 g P/kg TM, da in der Faulung der organische Trockenrückstand und somit auch letztlich die Trockenmasse deutlich reduziert werde. Faktisch werde Phosphor in der Faulung aufkonzentriert. Je besser der Schlamm ausgefault werde (d.h. je höher letztlich die Energierückgewinnung und die Schlammreduktion seien) desto schwerer werde es, den Schwellenwert von 20 g/kg TM zu unterschreiten. Dieses Problem sei u.a. bereits in der DPP- und der KWB-Stellungnahme zur Klärschlammverordnung im Rahmen der Verbändeanhörung im Kalenderjahr 2015 erörtert worden. Es seie auch schon 2015 sinnvolle Alternativen für den 20 g/kg TM Wert vorgeschlagen worden, wie z.B. den P-Gehalt auf den von der Faulung unabhängigen Glührückstand zu beziehen. Leider seien diese Vorschläge nicht aufgegriffen worden.
Somit sei die oft gepriesene Verfahrensoffenheit zur P-Rückgewinnung nicht wirklich existent und es würden voraussichtlich ausschließlich Verfahren zur P-Rückgewinnung aus der Klärschlammasche zum Einsatz kommen, was die vorherige Monoverbrennung der Klärschlämme erfordere. Auch in diesem Zuge sei für AbfKlärV Artikel 5 § 3b zwingend eine Frachtenbetrachtung erforderlich, da die jetzige Formulierung in AbfKlärV Artikel 5 § 3b (1) in Verbindung mit AbfKlärV Artikel 5 Anlage 3 Abschnitt 1 Nr. 5 Verfahren diskriminiere, die wenig Abfall produzierten (unabhängig von der Rückgewinnungsrate).