Einig waren sich alle: Abfälle sind Wertstoffe. Wie diese wertvollen Reste zurück in die Wertschöpfungsketten gelangen, darüber wurde Anfang Februar vielschichtig an der Westfälischen Hochschule diskutiert. Zudem zeigten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Forums auf, dass viele Wege zielführend sein können und letztendlich das Verhalten von Bürgerinnen und Bürgern eine entscheidende Rolle bei der Abfallentsorgung spiele, ebenso wie der Herstellungsprozess von den Produkten selbst.
Hochschulpräsident Prof. Dr. Bernd Kriegesmann begrüßte die Gäste des Diskussionsforums zur „Effizienzsteigerung der bürgernahen Abfallerfassung“, bevor Michael Thews (MdB), stellvertretender Vorsitzender im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages, mit einem Impulsvortrag das Forum startete: „Mülltrennung wird von den Verbrauchern oft in Zweifel gezogen. Die Frage nach dem ‚Warum‘ ist beantwortet, je besser wir trennen. Denn desto besser ist die Wiederverwertung“, fasste Thews seine Sicht der Dinge zusammen. Aber Thews sparte auch die Selbstkritik nicht aus: „Wirkungsvolle Gesetze haben zu lange gebraucht, um auf den Weg gebracht zu werden. Beispielsweise das neue Verpackungsgesetz, das seit Anfang des Jahres gilt. Wir wollen das Recycling verbessern.“ Das neue Verpackungsgesetz betrifft alle Hersteller, (Online-)Händler und Importeure, die Verpackungen in Deutschland in Umlauf bringen und verpflichtet sie Verpackungen so zu gestalten, dass diese in möglichst hohem Umfang gesammelt und recycelt werden können. Aber nicht alles lasse sich durch Gesetze regeln. Wichtig sei, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Der Grundgedanke solle sein: „Macht mit, es lohnt sich!“
Ähnlich sah dies auch Patrick Hasenkamp, Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen und Betriebsleiter der Abfallwirtschaftsbetriebe in Münster. Zumindest was die Aufklärung von Bürgerinnen und Bürger betrifft, denn die gelte es mitzunehmen. „Wird durch das Verpackungsgesetz alles besser?“, stellte er sich selbst die Frage. „Vorsichtig gesagt – Nein!“, so Hasenkamp. Er sehe nicht die Sinnhaftigkeit des derzeitigen Recyclingsystems. Von einem simplen System seien wir meilenwert entfernt. Es gelte, Ressourcen zu sparen. Hasenkamps Formel: Abfallvermeidung, langlebige Konsumgüter, mehr Nutzung von Reparatur-Cafés und ein Umdenken, weg von einer bestehenden Wegwerfmentalität. Man müsse einen Fokus setzen auf die, die nach uns kommen. Aufklärung und Zusammenhänge zu vermitteln sei wichtig, um die derzeit störstoffanfälligen Systeme zu verbessern. Denn Fehlwürfe behinderten die Arbeit der Entsorger und ließen Rohstoffe ungenutzt liegen. Abschließend schockte Hasenkamp mit Bildern von flächenmäßig großen Elektroschrottdeponien in Ghana. Dort lande auch viel Elektronikschrott aus Deutschland. Hasenkamp: „So etwas geht gar nicht!“
Dritter Gastredner war Jochen Ebbing von der Iserlohner Firma Lobbe. Lobbe beschäftigt sich unter anderem mit der Wertstoffrückgewinnung in großen Anlagen. „Die Hersteller interessiert nicht, ob sich ein Produkt gut recyceln lässt“, behauptete Ebbing. „Es muss toll aussehen, sich einfach herstellen lassen, um es dann gut zu verkaufen.“ Hier müsste Ebbings Meinung nach der Gesetzgeber frühzeitig einschreiten und Einfluss auf die Hersteller und deren Produkte nehmen. „Aus umwelttechnischer Sicht hat die ‚Wert‘-stofftonne ihren Namen nicht verdient“, berichtet Jochen Ebbing, der die vielen Fehlwürfe wie etwa Gummistiefel oder Regenmäntel kritisiert. Man müsse es dem Bürger einfacher machen.
Wie weit Bürgerinnen und Bürger von einer Wertstoffrückführung entfernt sind, zeigte ein kleines Experiment von Dr. Alexandra Kibbe. Kibbe stellte Studien von „psychologischen Strategien zur Steigerung der Erfassungsmengen am Beispiel von Elektrokleingeräten“ vor. Zuvor wurde durch eine Frage ins Publikum deutlich, was einige Ergebnisse der Studie zeigten. „Wer hat noch ein oder mehrere alte Mobilfunkgeräte zu Hause in der Schublade?“, so Kibbe. Viele Arme gingen in die Höhe – zu viele, bewertete Alexandra Kibbe, denn darin sind viele wertvolle Stoffe enthalten.
Als Abschluss resümierten Moderator und Hochschulprofessor Dr. Ralf Holzhauer unterstützt von Teammitarbeiter Tobias Althoff sowie dem Vorstand der Bottroper Entsorgung und Stadtreinigung AöR (BEST) über das abgeschlossene gemeinsame Forschungsprojekt „Find it – Use it“. Etwa drei Monate testeten ausgewählte Bottroper Bürgerinnen und Bürger in drei Versuchsgebieten Mülltonnen mit bunten Beuteln zur Mülltrennung und bestellter Abholung bei Bedarf. „Die dreimonatige Pilotphase zeigt, dass durch das Sack-im-Behälter-Sammelsystem eine Steigerung der Sortenreinheit der Abfallströme Restabfall, Grünabfall, Leichtverpackungen und Speisereste erzielt werden kann. Zudem wurde der Bereitstellungsgrad der Behälter und der Füllgrad der Sammelbehälter im Durchschnitt um 30 Prozent gesteigert. Die bedarfsgerechte Abholung führt außerdem – je nach Versuchsgebiet – zu einer Einsparung zwischen 35 und 65 Prozent der Abfall-Behälterleerungen. Insgesamt konnten 80 Prozent der Versuchshaushalte in das digitale Sammelsystem integriert werden. Ein Projekt, das größtenteils sehr gut angenommen wurde, aber auch zeigte, dass erfolgreiche Wertstoffrückführung einfach und unmittelbar sein muss sowie in den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger beginnt“, berichtet Holzhauer. Die anschließenden Diskussionen gingen noch bis spät in den Abend.