Forscherinnen und Forscher am KIT setzen gezielt auf pflanzliche Biomasse wie Holz und Stroh, die nicht als Lebensmittel oder Tierfutter verwendet wird, so ein Beitrag im aktuellen Magazin Neuland des KIT. Erdöl sei zwar rentabel, doch seine Nutzung nachteilig für Klima und Umwelt. Zudem schwinden die Vorräte des fossilen Rohstoffs. Bislang angewandte Verfahren, um Grundchemikalien wie Ethanol aus nachwachsendem Material zu gewinnen, sind kostspielig, heißt es vonseiten des KIT. Darüber hinaus nutzen sie Pflanzen wie Mais, Zuckerrüben oder Raps, die auch als Nahrung für Mensch und Tier dienen. „Für eine nachhaltige und umweltfreundliche Energie- und Rohstoffversorgung müssen wir innovative Technologien entwickeln, welche die Nutzung nachwachsender Biomasse auch aus wirtschaftlicher Sicht attraktiv macht“, sagt Professor Christoph Syldatk, Leiter des Instituts für Bio- und Lebensmitteltechnologie II/Technische Biologie des KIT.
Seine Forschungsgruppe untersucht, wie sich Rohstoffe, die nicht in Konkurrenz zu Lebens- oder Futtermitteln stehen, biotechnologisch verarbeiten lassen – zum Beispiel Stroh, Grünschnitt und Sägespäne. Diese nicht essbaren, biobasierten Rohstoffe der zweiten Generation bestehen zu einem großen Teil aus Lignocellulose, welche die Zellwände verholzter Pflanzen bildet. Um Lignocellulose nutzen zu können, muss sie laut KIT jedoch erst in ihre Komponenten (Fraktionen) aufgetrennt werden. Dieser Vorgang sei bislang zeitintensiv und teuer. Um die Produktionskosten zu senken und Lignocellulose als Rohstoff zu etablieren, untersuchen die Forschenden am KIT unter anderem, wie sich – ausgehend von Lignocellulosefraktionen – neuartige Biotenside durch mikrobielle oder enzymatische Synthese herstellen lassen.
Ziel sei es, die holzige Biomasse zu Grundbausteinen für die Herstellung von Chemikalien und Materialien wie Biokunststoffen umzuwandeln. Bakterien, Hefen und Schimmelpilze gehören zu den Mikroorganismen, deren Stoffwechsel sich die Forscher für solch innovative Produktsynthesen und Stoffumwandlungen im Labor zunutze machen. Teilweise setzen Industriepartner die anwendungsorientierte Forschung des KIT bereits in vergrößertem Maßstab um. Biobasiert lassen sich Produkte herstellen, deren Moleküle und Eigenschaften mit denen aus petrochemischen Bausteinen identisch sind, „darüber hinaus bieten sich mehr Möglichkeiten, den Molekülaufbau zu modifizieren“, erläutert Syldatk.
So ließen sich Kunststoffe beispielsweise mit einem höheren Schmelzpunkt oder einer größeren Gasdurchlässigkeit ausstatten und Tenside mit veränderten Schaumeigenschaften versehen. „Wir versuchen in der Grundlagenforschung mit den Bakterien zu spielen, um herauszufinden, welche Funktionen die jeweiligen Strukturen haben und nach Möglichkeit maßgeschneiderte Verbindungen zu fertigen“, so der Biotechnologe.
Um Verfahrensoptimierung geht es auch beim Einsatz von Mikro- organismen zur Weiterverarbeitung von Synthesegasen, die in der Bioliq-Pilotanlage des KIT durch Pyrolyse aus Stroh oder Restholz erzeugt werden. „Ein großer Vorteil der Verwendung von Synthesegas ist, dass es jeweils die gleichen Startbedingungen bietet, egal welche Biomasse als Ausgangsstoff genommen wurde“, sagt der Forscher. Auch Rauchgas lässt sich mithilfe von Mikroorganismen umwandeln, „denn sie tolerieren Schwefelverbindungen oder nutzen sie sogar für ihren Stoffwechsel. Für die chemische Verarbeitung müsste man die Verbrennungsabgase zunächst von diesen giftigen Verbindungen reinigen“, erklärt Syldatk.
Das Land Baden-Württemberg unterstützt die am KIT vorangetriebene Entwicklung innovativer Verfahren für die mikrobielle Verwertung von Lignocellulose in seinem Forschungsprogramm Bioökonomie, heißt es abschließend.