Obwohl der Begriff Mikroplastik schon länger verwendet wird, sei es ein wichtiger Aspekt der Studie gewesen, die genaue Definition zu kennen. »Das war nicht einfach, denn unterschiedliche Akteure benutzen verschiedene Definitionen«, sagt Co-Autorin Leandra Hamann. Einigkeit herrsche allein darüber, dass zu Mikroplastik alle Kunststoffpartikel zählen, die kleiner als 5 Millimeter sind. »Nichtsdestotrotz sehen wir auch diese Beschränkung als problematisch, da sie sich weder aus bestimmten Stoffeigenschaften noch ökotoxikologisch begründen lässt. Manche Definitionen enthalten zudem noch eine Begrenzung der unteren Größe, der Löslichkeit oder der Abbaubarkeit. Diese unterschiedlichen Definitionen können zu Missverständnissen führen und auch die Debatte um eine sinnvolle Regulierung nachteilig beeinflussen.«
Mikroplastik nur als Partikel, Polymere auch flüssig, gelöst oder gelartig
Ein bekanntes Beispiel für Mikroplastik in Kosmetik seien die sogenannten Microbeads. Diese Partikel könnten aus Kunststoff bestehen und werden vor allem für Peelingeffekte eingesetzt. Sie würden nach der Verwendung auf der Haut direkt abgespült und können so in die Umwelt gelangen.
Neben dem Peeling abgestorbener Hautschüppchen erfüllten Kunststoffe noch andere Funktionen in Kosmetikprodukten: Synthetische Polymere dienten der Haarfixierung, bildeten Filme und Emulsionen oder regulierzen die Viskosität der Kosmetikprodukte. Dafür lägen diese manchmal aber nicht immer als fester Partikel vor, sondern auch wachs- oder gelartig, gelöst oder flüssig. Gelangten die Polymere in die Umwelt, seien sie aber ggf. genauso problematisch wie das Mikroplastik.
Ob ein Polymer in Partikelform, flüssig, gelartig oder gelöst vorliegt, sei aus der heutigen Produktkennzeichnung kaum erkennbar. Jedes einzelne Polymer müsse geprüft werden. Dabei fanden die Autoren mehrere Hundert Polymere in Datenbanken für Kosmetikinhaltsstoffe.
Mengen von Mikroplastik in Kosmetik und WPR-Produkten im Vergleich
Die Einsatzmenge von partikulärem Mikroplastik in Kosmetik belaufe sich auf 922 Tonnen pro Jahr in Deutschland. Dagegen weüden in WPR-Produkten nur 55 Tonnen Mikroplastik pro Jahr eingesetzt. Im Vergleich dazu werde ein Vielfaches an gelösten, gelartigen oder wachsartigen Polymeren eingesetzt. Die Mengen würden auf 23.700 Tonnen pro Jahr geschätzt. Für WPR-Produkte lägen sie ähnlich hoch. Zusammengefasst würden jährlich in Deutschland insgesamt ca. 50.000 Tonnen Kunststoffe in Kosmetik- und WPR-Produkten eingesetzt.
»In Anbetracht der hohen Eintragsmengen und der nicht abzuschätzenden Risiken für die Umwelt müssen sämtliche schwer abbaubaren, wasserlöslichen Polymere über die europäische Chemikaliengesetzgebung reguliert werden. Unser Wissen über die Wirkungen, die Polymere in der Umwelt haben, reicht nicht aus. Kunststoffemissionen sollten deshalb über die EU-Chemikaliengesetzgebung oder andere geeignete Wege reguliert werden«, so Jürgen Bertling, für die Studie verantwortlicher Wissenschaftler bei Fraunhofer UMSICHT. »Dabei sollte die lange Verweildauer in der Umwelt ein viel stärkeres Gewicht bei der Bewertung der Umweltgefährdung bekommen. Derzeit werden Polymere, einschließlich Mikroplastik, aufgrund der geringen Toxizität als kaum umweltgefährdend eingestuft«, so Bertling.
Strengere Regulierung gefordert
Die freiwillige Selbstverpflichtung zur Reduzierung von Mikroplastik in Kosmetik werde bereits umgesetzt und sei ein erster Schritt zur Reduzierung von Kunststoffen in Kosmetik. Allerdings seien Mikroplastik, das keine Peelingfunktion hat, Leave-on-Kosmetikprodukte sowie gelöste, gelartige oder wachsartige Polymere bisher von der Verpflichtung ausgenommen. Deswegen fordert NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller strengere Gesetze: »Wir brauchen ein EU-Verbot von Mikroplastik in Kosmetik und Reinigungsmitteln, da Meere keine nationalstaatlichen Grenzen kennen und die Hersteller für internationale Märkte produzieren. Nur Mikroplastik als Reibkörper in Duschgel und Peeling zu verbieten, wie es manche Staaten verfolgen, greift viel zu kurz. Mikroplastik muss funktions- und produktübergreifend in Kosmetik und Reinigungsmitteln verboten werden. Das muss auch in der EU-Plastikstrategie konkretisiert werden. Die Industrie müsse schnellstmöglich auf besser abbaubare Ersatzstoffe umsteigen.«
Viele Regelungsmaßnahmen erfordertenn wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zum Gefahrenpotential zu Kunststoffen und Polymeren, um den Einsatz stärker einschränken zu können. Diese seien für Mikroplastik bisher aber noch nicht vorhanden. Dennoch lägen bereits genügend Hinweise auf Schadwirkungen vor und es sei aufgrund des weltweiten Wachstums beim Kunststoffverbrauch sehr wahrscheinlich, dass die Problematik weiter an Relevanz zunimmt, so dass es geboten scheine, bereits heute das Vorsorgeprinzip anzuwenden.
Alternativen und verbraucherfreundliche Informationen
Für Verbraucher sei es im Supermarkt oft nicht ersichtlich, welche Produkte Mikroplastik enthalten. Erste Anhaltspunkte biete die Datenbank haut.de, in der nach Inhaltsstoffen gesucht werden könne. Allerdings sei dies aufwändig und die Erklärungen seien teilweise schwer verständlich. Deswegen fordert NABU-Konsumexpertin Katharina Istel mehr Transparenz und umweltfreundliche Alternativen: »Zertifizierte Naturkosmetik und Putzmittel mit Umweltkennzeichnungen wie dem Blauen Engel sind aus Umweltsicht die bessere Wahl, haben aber noch extrem geringe Marktanteile. Für den Massenmarkt brauchen wir transparente und verständliche Informationen zu Inhaltsstoffen und Umweltaspekten, wie zum Beispiel der Abbaubarkeit in Gewässern.«