Beide Verfahren betreffen die seit langem umstrittene Grundsatzfrage, ob der die Rücknahme betreibende Hersteller oder Vertreiber nur Abfälle von Produkten zurücknehmen darf, die er selbst hergestellt hat bzw. die bei ihm selbst erworben wurden, oder ob sich die freiwillige Rücknahme auch auf gattungsgleiche Produkte anderer Hersteller oder Vertreiber erstrecken kann. Die praktische Bedeutung dieser Frage ist gerade bei Alttextilien groß, denn wo ein konkretes Kleidungsstück erworben wurde, lässt sich im Zeitpunkt der Rücknahme häufig nicht mehr feststellen.
Das Urteil des VG Hamburg vom 19.09.2018 (13 K 3752/15) betrifft die Klage einer nordrhein-westfälischen Kommune gegen einen nach § 26 Abs. 6 KrWG erteilten Feststellungsbescheid der Stadt Hamburg, der die Grundlage einer bundesweiten Rücknahmeaktion für Alttextilien bildet. Dieser Bescheid enthält eine ausdrückliche Regelung, wonach das die Rücknahme betreibende Modeunternehmen auch Alttextilien zurücknehmen darf, die der Kunde bei anderen Vertreibern erworben hat. Hierdurch sah sich die klagende Stadt in ihren Rechten als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger und ihrem grundgesetzlich garantierten Selbstverwaltungsrecht verletzt. Dem hat das VG Hamburg nun widersprochen und die Klage erstinstanzlich als unzulässig abgewiesen. Nach Auffassung des VG Hamburg fehlt der Klägerin die erforderliche Klagebefugnis, weil sich weder aus den Regelungen über den Feststellungbescheid noch aus den Vorschriften der §§ 17, 18 KrWG subjektive Rechte des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ergeben. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie sah das VG Hamburg im vorliegenden Fall allenfalls als mittelbar beeinträchtigt an. Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Im Ergebnis gewährt ein Feststellungsbescheid dem Betreiber eines freiwilligen Rücknahmesystems somit eine hohe Rechtssicherheit, weil einerseits die Kommunen an die in dem Bescheid getroffene Feststellung des Vorliegens einer freiwilligen Rücknahme gebunden sind, solange der Bescheid nicht aufgehoben wird; insbesondere dürfen sie das Rücknahmesysteme nicht als gewerbliche Sammlung behandeln und auf der Grundlage der §§ 17, 18 KrWG hiergegen einschreiten. Andererseits können die Kommunen eine Aufhebung des Bescheides mangels Klagebefugnis nicht im Klageweg erzwingen. Ein kleiner Wermutstropfen besteht darin, dass sich das VG Hamburg in der schriftlichen Urteilsbegründung strikt auf Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage beschränkt und zu der Kernfrage einer Rücknahme fremder Produkte nicht auch in der Sache Stellung genommen hat. In der mündlichen Verhandlung im April hatte die Kammer noch deutlich zu erkennen gegeben, dass sie auch insoweit der Rechtsauffassung der Stadt Hamburg und des beigeladenen Modeunternehmens folgt und eine Beschränkung der Rücknahme auf Produkte, die bei der Beigeladenen erworben wurden, nicht für geboten hält.
Diese Auffassung vertritt auch das VG Stuttgart in seiner Entscheidung vom 28.06.2018 (14 K 2931/17). Das VG Stuttgart sieht Produktverantwortung als Gruppenverantwortung aller Hersteller und Vertreiber einer bestimmten Warengattung an. Deshalb ist nach Ansicht des Gerichts die freiwillige Rücknahme bei ungefährlichen Abfällen nicht auf eigene Produkte des Zurücknehmenden beschränkt, sondern erfolgt auch bei der Rücknahme fremder Produkte der gleichen Warengattung in Wahrnehmung von Produktverantwortung, solange die Rücknahme von Abfällen nicht quantitativ unverhältnismäßig zu der Tätigkeit als Hersteller oder Vertreiber ist. Das VG Stuttgart hat daher der auf Erteilung eines die Rücknahme fremder Produkte umfassenden Feststellungsbescheids gerichteten Verpflichtungsklage stattgegeben. Auch in diesem Fall wurde die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Beide Entscheidungen zeigen, dass die auf rein wirtschaftlichen Motiven beruhenden Restriktionsversuche bei der freiwilligen Rücknahme rechtlich nicht überzeugen können. Die Urteile sind daher ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Produktverantwortung und aus ökologischer Sicht uneingeschränkt zu begrüßen.