„Die mit einer solchen Klassifizierung dieses Stoffes verbundenen Rechtsfolgen hätten massive Auswirkungen auf die herstellende Industrie, aber auch auf die Entsorgung und das Recycling,“ erklärte Kurth.
Der zuständige Ausschuss für Risikobewertung (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) hatte für Titandioxid bereits vorgeschlagen, einen „Verdacht auf krebserzeugende Wirkung (Kategorie 2, beim Einatmen)“ festzustellen und eine „Kennzeichnung mit GHS08 und H351“ vorgesehen. Eine Einstufung hätte zur Folge, dass Produkte mit einem Gehalt von mindestens einem Prozent Titandioxid entsprechend gekennzeichnet werden müssten und der Abfall als gefährlich eingestuft würde.
Bei seiner Entscheidung beruft sich der Ausschuss auf eine Studie, deren Ergebnisse aus Sicht der deutschen Industrie überhaupt nicht auf Menschen übertragbar ist. So sind bei den zugrundeliegenden Tests Extremstbelastungen simuliert worden, die im Alltag nicht erreicht werden. Titandioxid findet überwiegend als weißes Pigment oder bei Beschichtungen (UV-Schutz) eine breite Anwendung. Nahezu jeder Industriebereich setzt ihn ein. So ist der Stoff in Lacken, Farben, Papier, Kunststoffen, Baustoffen, Stahl, Glas, Kosmetika, Pharmaprodukten, Textilien, Leder, Klebstoffen oder Importkohle zu finden.
Peter Kurth: „Es kündigt sich ein Problem an, das in seinen Ausmaßen weit über dem liegt, was wir im vergangenen Jahr mit HBCD durchlebt haben. Wenn die zuständigen Behörden nicht sofort handeln, haben wir in Deutschland schon bald das Problem, dass beispielsweise Leichtverpackungen mit einem Gefahrstoffsymbol versehen werden müssten und die gelbe Tonne oder der gelbe Sack voller gefährlicher Abfälle ist. Die Folgen wären gravierend, denn eine haushaltsnahe getrennte Wertstofferfassung, wie sie derzeit über das Duale System in Deutschland erfolgt, wäre dann nicht mehr möglich. Außerdem wären die für Deutschland und Europa festgelegten Recyclingquoten ganz sicher nicht mehr einzuhalten.“
Eine Entscheidung der zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten (CARACAL, Competent Authorities for REACH and CLP) steht noch aus. Kurth: „Den zuständigen Behörden muss klar sein, was sie mit einer Einstufung von Titandioxid auslösen.“ Die bestehende Gesetzgebung im Arbeitsschutz regelt den Schutz vor Staub und stoffspezifischen, partikelbedingten Effekten. Eine Einstufung würde nicht zu einer Verbesserung im Gesundheits- und Umweltschutz beitragen, sondern gravierende und unverhältnismäßig problematische Auswirkungen in fast allen Rechtsbereichen haben.