Doch während Nachbarländer wie Frankreich und die Niederlande den Megatrend und seine Chancen erkannt haben und bereits systematisch an diesen Schnittstellen für eine Optimierung der Kreislaufwirtschaft arbeiten, scheint sich gerade der Recyclingweltmeister und Umwelttechnikführer Deutschland schwer zu tun, sich auf diesen Entwicklungsfortschritt einzustellen. Sollte nicht bald ein Umdenken stattfinden, wird Deutschland seine internationale Vorreiterrolle einbüßen und sich den gesetzten Standards anderer Ideenführer anpassen müssen, anstelle diese selbst mitzugestalten, warnte Wilts.
Die rasante Entwicklung technischer Möglichkeiten, in Echtzeit Daten zu erfassen, zu analysieren, zu verwalten und mit vor- oder nachgeschalteten Prozessen zu vernetzen, werden in der Zukunft industrielle Wertschöpfungsstrukturen radikal verändern und haben in unterschiedlichen Bereichen bereits eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle auf den Plan gerufen. Doch die vorwiegend mittelständisch strukturierte Abfall- und Recyclingwirtschaft in Deutschland hinkt diesem digitalen Wandel derzeit hinterher, erklärte Wilts. Dabei bietet, nach einer Untersuchung der Unternehmensberatung Roland Berger im Auftrag des Bundesumweltministeriums zur Digitalisierung in den sechs Umweltleitmärkten Deutschlands, gerade der Digitalisierungsprozess in der Kreislaufwirtschaft ein besonders hohes Effizienzpotenzial, beispielsweise für die Ressourcenschonung, so der Experte aus dem Wuppertal Institut.
Digitalisierung als Brückenbauer für den verstärkten Einsatz von Sekundärrohstoffen
„Viele hochwertige Sekundärrohstoffe finden, selbst wenn sie, wie beispielsweise im Kunststoffbereich bis zu 20 % günstiger als Primärrohstoffe sind, keine Anwendung in industriellen Prozessen, weil man zu wenig über sie weiß: Wo kommen sie her? Wie wurden sie recycelt? Wann und in welchen Mengen fallen sie wo an? Hier besteht derzeit ein großes Informations- und Datenmanagementproblem, dass sich auf dem Weg in eine Kreislaufwirtschaft und für eine Erhöhung des Einsatzes von Sekundärrohstoffen in Produktionsprozesse als große Hürde herausstellt.“
In einer engeren digitalen Vernetzung könnten abfallbezogene Daten effizienter gemanagt und im Kreislauf mitgeführt werden. „Es geht an vielen Stellen nicht nur darum, wo Stoffe hingehen, sondern auch wie sie zusammengesetzt sind und in welcher Art und Weise sie demontiert und recycelt werden müssen“, so Wilts.
Es müsse darum gehen, all diese digitalen Daten in ein funktionierendes Wertschöpfungsnetz dergestalt einzuspeisen, dass es sich am Ende für alle Marktbeteiligten rechne. Anstelle reiner Regulation würden so effiziente, marktbasierte Lösungen möglich.
Kompetenzzentrum will digitale Kreislaufwirtschaft weiterentwickeln
Das Wuppertal Institut, das sich in den nächsten Jahren weiter intensiv mit der digitalen Transformation als Wegbereiter der Kreislaufwirtschaft beschäftigen will, plant ein Kompetenzzentrum für digitale Kreislaufwirtschaft, dass die Recycling- und Entsorgungswirtschaft mit Herstellern und Logistikern zusammenbringen und Konzepte für die Umsetzung in neue Geschäftsmodelle erarbeitet möchte. Hierin einbezogen werden sollen wichtige praxisbezogene Überlegungen, wie das Sensoring, das sich mit der Datensammlung und -erzeugung in Echtzeit sowie mit automatisierten Markt- und Logistikplattformen beschäftigt; die sogenannten Cyber Physical Systems, die Informationen zu Produkten über den gesamten Produktionsprozess hinweg zur Verfügung stellen; sowie Block Chain-Anwendungen, die Abfall-Datenflüsse darstellen, ohne dem Wettbewerb Informationen an die Hand zu geben, die Rückschlüsse auf Produktionstechnik oder -verfahren zulassen; und, last but not least, das Internet der Dinge, das die Vernetzung der zu recycelnden Produkte so gestalten könnte, dass diese sich beispielsweise selbst vermarkten.
Besonderes Augenmerk in der Arbeit des Kompetenzzentrums soll nach den Worten Wilts auf der Analyse der speziellen Herausforderungen von kleinen und mittelständischen Unternehmen liegen. Ziel sei unter anderem, Orientierung für den richtigen Rahmen zum Transformationsprozess und für das „Big Picture“ zu geben, damit Kreisläufe dort geschlossen werden, wo sie zur Ressourcenschonung beitragen und aus Umweltsicht Sinn machen.
Fehlende Kapazitäten und Unsicherheiten lassen den Digitalisierungsprozess in der Branche langsam anlaufen
Die Ursache dafür, dass sich die vorwiegend klein- und mittelständische strukturierten deutschen Branchenunternehmen noch zu wenig mit der Digitalisierungsthematik beschäftigen, sieht der Kreislauf- und Digitalisierungsexperte vor allem in fehlenden Zeit- und Personalressourcen, und nicht zuletzt auch in Unsicherheiten aufgrund des hohen Investitionsrisikos oder noch ungeklärten rechtlichen Fragestellungen. Bei den vielfältigen praktischen und administrativen Herausforderungen, die alleine das tägliche Kerngeschäft mit sich bringt, hätten vor allem die kleinen Recycler und Entsorger keine Kapazitäten und Reserven dafür, sich in dieser Thematik einen Überblick zu verschaffen und sich zusätzlich mit Fragen wie IT-Sicherheit oder Datenstandards zu befassen, so Dr. Henning Wilts.
Dies bestätigt auch bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock. „Den Branchenunternehmen ist bewusst, dass es bereits 5 vor 12 ist, die Komfortzone hier zu verlassen, um den Anschluss nicht zu verpassen“, so Rehbock. „Auf Verbandsebene wird sich der bvse im Dialog mit seinen Mitgliedern insbesondere mit den praktischen Herausforderungen auseinandersetzen, die die „Informationsrevolution“ 4.0 für die Unternehmen mit sich bringt, erklärte der bvse-Hauptgeschäftsführer. Für 2018 stehe zudem ein Seminar auf der Agenda, das den Mitgliedern wichtige Informationen zum State-of-the-art und Hinweise zu möglichen Hilfestellungen anbieten soll, damit sie die Chancen der Digitalisierung im Wettbewerb nutzen und mögliche Risiken minimieren können.
Nicht zuletzt seien aber auch Impulse seitens der Politik gefragt, damit funktionierende Märkte für Sekundärrohstoffe in der Kreislaufwirtschaft erhalten bleiben und vom internationalen Wettbewerb nicht abgehängt werden“, machte Rehbock deutlich.
Es ist spannend zu sehen wie mehr und mehr Branchen den Handlungsbedarf im Bereich Digitalisierung und Industrie 4.0 erkennen. Was mir im Artikel allerdings zu kurz kommt ist die Frage des Aufbaus von relevantem Wissen. Gerade KMUs stehen vor der Herausforderung, dass Ihre Mitarbeiter nicht die nötigen Fähigkeiten haben um Industrie 4.0 umzusetzen.
Dieser Fragestellung widmen wir uns bei University4Industry. Wir sind ein Online Eduaction Startup und bieten praxisnahe Online Lerninhalte zu Themen wie Industrie 4.0, Digitalisierung, OPC UA oder Machine Learning. Unsere Inhalte kommen von Vordenkern aus der Industrie wie Siemens, dem VDMA, HARTING, Pepperl+Fuchs oder Fraunhofer. Unser Angebot finden Sie auf http://www.u4i.io