Vollständige stoffliche Verwertung von Klärschlamm

Ein neues Verfahren von iGas energy soll alle organischen Abfälle verwerten, die in Kommunen entstehen.
Mit dem HyGas-Verfahren wird Klärschlamm vollständig in den Stoffkreislauf zurückgeführt (Foto: iGas)

Die iGas energy GmbH (Stolberg/NRW) hat eigenen Angaben zufolge ein Verfahren entwickelt, mit dem Klärschlamm vollständig in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden kann. Die Endprodukte sind vermarktbare Wertstoffe, unter anderem pflanzenverfügbarer Phosphor, sowie das Synthesegas „HyGas“, das verstromt werden kann. Das Unternehmen aus Stolberg plant, eine Pilotanlage zu bauen, die Faulschlamm aus Kläranlagen verarbeitet und zusätzlich alle anderen in Kommunen anfallenden organischen Abfälle aufnimmt.

Bei der Aufbereitung organischer Abfälle will iGas energy alle im Schlamm enthaltenen Stoffe restlos verwertbar machen. Laut Unternehmen sollen keinerlei Abfallstoffe entstehen, sondern nur Wertstoffe, die dem Stoffkreislauf zugeführt werden. Das neue HyGas-Verfahren eigne sich nicht nur für Klärschlamm: In derselben Anlage könnten auch andere organische Abfälle verarbeitet werden, so zum Beispiel Bio-Abfall wie Grünschnitt oder Trester, Gärreste aus Biogas-Anlagen und Gülle, aber auch Abfälle aus der Lebensmittelindustrie.

Karl-Heinz Lentz, der Gründer und Geschäftsführer von iGas energy, sieht hohen Bedarf für neue Lösungen: „Die Klärschlammverordnung ist verabschiedet und wird umgesetzt. In Zukunft müssen in Deutschland jährlich rund 1,8 Millionen Tonnen Klärschlamm-Trockensubstanz anders entsorgt werden. Mit der dem HyGas-Verfahren machen wir aus organischem Abfall Wertstoffe und senken gleichzeitig die Entsorgungskosten drastisch. Unser HyGas-Verfahren ist das einzige, mit dem Betreiber von Kläranlagen die neue Klärschlammverordnung erfüllen können.“

Darüber hinaus sieht HyGas ein hohes Potenzial, die Abhängigkeit Deutschlands vom Phosphorimport zu mindern: Würden alle deutschen Kläranlagen nach dem Verfahren arbeiten, könnten jährlich etwa 55.000 Tonnen Phosphor zurückgewonnen werden – das entspreche rund 60 Prozent des Bedarfes an Phosphor.

Alle im Klärschlamm enthaltenen festen Stoffe, Mineralstoffe, Schwermetallsalze und pflanzenverfügbare Nährstoffsalze ließen sich vermarkten. Potenzielle Abnehmer dieser Wertstoffe wären die Baustoff-, Dünger- und die Metallindustrie. Das Synthesegas und der damit erzeugte Strom könnten in den Kläranlagen genutzt werden, was zusätzlich eine Einsparung von CO2 mit sich bringe.

Auch die Kostenseite bewertet das Unternehmen positiv: Klärschlamm müsste in Zukunft weder transportiert, noch verbrannt oder deponiert zu werden. Insgesamt würden sich äußerst geringe, langfristig stabile Entsorgungskosten ergeben, was den Zielen der Kommunen sehr entgegenkommen würde. Berechnungen des Unternehmens zeigen, dass die Entsorgungskosten einschließlich der Rückgewinnung des Phosphors pro Einwohner und Jahr langfristig stabil auf etwa vier Euro gehalten werden könnten. Dabei seien die Erlöse aus dem Verkauf der Wertstoffe noch nicht berücksichtigt.

Die Technik
Die im Klärschlamm enthaltene, nasse organische Masse wird laut iGas in überkritischem Wasser – bei einen Druck von mehr als 250 bar und einer Temperatur über 600 °C – in Synthesegas aufgespalten, das gespeichert und später auch verstromt werden kann. Es besteht aus Kohlendioxid, Methan und Wasserstoff, ferner aus Propan und Ethen. Da das Gas unter hohem Druck steht, kann es leicht gespeichert werden.

Auch alle festen Inhaltsstoffe des Klärschlamms – Mineralstoffe und Salze – werden verwertet: Es entstehen keinerlei Abfallprodukte, die entsorgt werden müssen, heißt es weiter. Die im Prozess anfallenden Nährstoffsalze – unter anderem Phosphor – seien hoch pflanzenverfügbar und eigneten sich deshalb ideal als Rohstoff für die Herstellung von Dünger.

Ein willkommener Nebeneffekt ist auch, dass der Schlamm bei den hohen Temperaturen im Prozess quasi „en passant“ hygienisiert wird. Medikamentenrückstände, die im Klärschlamm enthalten sind, geraten so nicht zurück in die Nahrungskette.
Kläranlagen werden zu Kraftwerken

Auch die Energiebilanz des Prozesses ist positiv, so iGas. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass im Gegensatz zu traditionellen Verfahren keine Vortrocknung des nassen Schlamms erforderlich ist und keine Verdampfungsverluste entstehen.

Lentz will Kläranlagen zu Stromerzeugern machen: „Das Abwasser, das in die Kläranlagen kommt, enthält so viel chemisch gebundene Energie, dass die Anlagen eigentlich mit Energieüberschuss arbeiten müssten. Heute sind sie jedoch fast ausnahmslos Energieverbraucher. Die etwa 10.000 kommunalen und industriellen Kläranlagen in Deutschland benötigen jährlich etwa 4.400 GWh Strom – nur für die Reinigung des Abwassers! Bei der Überkritischen Gaserzeugung dahingegen ist die elektrische Energiebilanz positiv: So können die Betreiber den Strom, den sie in ihrer Kläranlage erzeugen, selbst nutzen oder verkaufen. Und bei der Verstromung entsteht kein Kohlendioxid.“
Die Pilotanlage

iGas energy plant, eine erste marktgerechte Anlage im industriellen Maßstab zu bauen, die entwässerten Faulschlamm verarbeiten soll. Mit einer Kapazität von 200.000 Einwohnerwerten soll sie die weltweit größte Anlage zur vollständigen stofflichen Verwertung von Klärschlamm sein. Die Entscheidung über den Standort der Anlage wird voraussichtlich noch dieses Jahr gefällt und kommuniziert.

Über iGas energy
Die iGas energy GmbH (Stolberg/NRW) wurde im Jahr 2016 von Karl-Heinz Lentz mit der Idee gegründet, Nährstoffe und Energie aus organischen Abfällen zurückzugewinnen. Dabei geht es nicht nur um Klärschlamm, sondern allgemein um alle wässrigen organischen Abfälle.
Heute ist iGas energy in drei Bereichen aktiv:
• Ressourcen schonende Kreislaufwirtschaft: Restlose Rückführung von Wertstoffen und Energie aus wässrigen organischen Abfällen in die Stoffkreisläufe
• Wasserstoff aus erneuerbaren Energien: Power-to-X-Anlagen für die Speicherung von erneuerbarer Energie durch Umwandlung in Wasserstoff mittels Hochdruck-PEM-Elektrolyse
• Innovative Gasetechnik: Anlagentechnik für die Versorgung industrieller Prozesse mit Gasen

Der Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens, Dipl.-Ing. Karl-Heinz Lentz, hat an der Fachhochschule Aachen Chemieingenieurwesen mit dem Schwerpunkt chemische Verfahrenstechnik studiert und verfügt über jahrzehntelange Erfahrung im Anlagenbau. iGas energy ist in die SK Gruppe eingebunden und nutzt in der Zusammenarbeit mit den Konzernschwestern vielfältige Synergien, zum Beispiel in der Automatisierungs-, Gleichrichter- und Hochdrucktechnik.

2 KOMMENTARE

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,

    dem Artikel nach hat das Unternehmen iGas energy GmbH ein neues Verfahren zur Klärschlammproblematik entwickelt. Leider ist weder dem Bericht zu entnehmen, wo die Firma ansässig ist, noch wo das Pilotprojekt für 200.000 Einwohnerwerten umgesetzt werden soll. Neugierig machen aber nicht die erforderlichen Informationen liefern ist keine gute Information.

    KK

    • Sehr geehrter Leser,
      vielen Dank für Ihre Anmerkung. Den Standort der Firma inklusive Link zur Website haben wir noch ergänzt. Die Entscheidung über den genauen Standort wurde tatsächlich noch nicht gegenüber der Presse kommuniziert. Sobald wir die Info erhalten, ergänzen wir die Meldung.
      VG
      Ihre RM-Redaktion

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