RWI-Stahlbericht: Kapazitätsabbau unvermeidlich

Die deutsche Stahlindustrie zeigt sich trotz eines schwierigen internationalen Umfelds stabil, so der aktuelle RWI-Stahlbericht. Ihre Kapazitäten waren im ersten Halbjahr 2016 mit rund 89 Prozent außerordentlich gut ausgelastet. International werde man aber nicht um einen Kapazitätsabbau herumkommen.
Na_Ich -), pixelio.de

Die deutsche Stahlindustrie habe sich gut in einem schwierigen internationalen Umfeld behauptet, so der Bericht. Die Rohstahlerzeugung liege recht stabil bei etwa 3,6 Millionen Tonnen pro Monat. Sie dürfte auch im Prognosezeitraum stabil bleiben. Nach einem leichten Rückgang im Verlauf des vergangenen Jahres verbesserte sich demnach die konjunkturelle Lage der deutschen Stahlindustrie in der ersten Hälfte dieses Jahres etwas. Die Produktion der inländischen Stahlverwender belebte sich, vor allem die Bauproduktion. Zugleich konnten die Ausfuhren von Walzstahlerzeugnissen wieder gesteigert werden. Dies trug dazu bei, dass die Walzstahlerzeugung deutlich zunahm und auch die Rohstahlerzeugung ausgeweitet wurde. „Die Kapazitätsauslastung in der Stahlindustrie hat sich in der ersten Hälfte dieses Jahres auf rund 89 Prozent erhöht, das ist ein im internationalen Vergleich außerordentlich hoher Wert“, so RWI-Konjunkturchef Prof. Dr. Roland Döhrn. Trotzdem bleibe die deutsche Stahlindustrie unter Anpassungsdruck und werde die Zahl ihrer Beschäftigten voraussichtlich weiter leicht reduzieren.

In diesem und im nächsten Jahr werden vom Außenhandel wohl weiterhin per saldo dämpfende Wirkungen ausgehen. Die internationale Konjunktur wird sich voraussichtlich nur wenig beschleunigen. Sie dürfte nicht mehr so stark wie früher von den Investitionen getragen sein, worunter die Nachfrage nach Stahl leidet. Zugleich sind weltweit weiterhin unterausgelastete Kapazitäten zu erwarten, weshalb der Wettbewerb auf Auslandsmärkten intensiv bleiben dürfte. Alles in allem prognostiziert das RWI daher für 2016 und 2017 einen Rückgang der Walzstahlerzeugung von 2,6 bzw. 0,8 Prozent, wobei das recht kräftige Minus in diesem Jahr vorwiegend auf einen statistischen Unterhang zurückzuführen ist. Die Rohstahlerzeugung dürfte nach einem ebenfalls vorwiegend durch einen Unterhang bedingten Rückgang um 1,4 Prozent auf 42,1 Millionen Tonnen im kommenden Jahr um 0,2 Prozent zunehmen und damit in etwa stabil bleiben.

In jüngster Zeit war die Entwicklung zwar wieder etwas günstiger. Eine Wende deutet dies aber wohl nicht an. Die internationale Konjunktur bleibt voraussichtlich nur mäßig aufwärts gerichtet, weshalb eine allenfalls stagnierende, wahrscheinlich sogar eher sinkende Nachfrage nach Stahl zu erwarten ist. Dies auch, weil die weltwirtschaftliche Expansion verstärkt vom Dienstleistungssektor getragen und damit weniger stahlintensiv sein wird. Für den Jahresdurchschnitt 2016 prognostiziert das RWI einen Rückgang der weltweiten Rohstahlerzeugung um 1 Prozent. Im Jahr 2017 dürfte die Produktion dann in etwa auf dem in diesem Jahr erreichten Niveau verharren. Die Kapazitätsauslastung dürfte daher insgesamt gesehen niedrig bleiben, zumal in den Entwicklungs- und Schwellenländern die Kapazitäten weiter ausgebaut werden, wenn auch langsamer als vor der großen Rezession. Die Stahlpreise dürften daher unter Druck bleiben.

Insgesamt steht die Stahlbranche weiterhin vor erheblichen Problemen. Trotz weltweiter Überkapazitäten entwickeln sich derzeit gerade in Asien Kapazitäten und Nachfrage auseinander, was zu weiteren Überkapazitäten führt. Hinzu kommt, dass sich der Strukturwandel in vielen Volkswirtschaften eher zu Lasten stahlintensiver Sektoren vollziehen dürfte. Es besteht also wenig Hoffnung, dass sich das Problem der Überkapazitäten durch ein stärkeres Wachstum der Stahlnachfrage lösen wird.

Als eine der Ursachen für die gegenwärtigen Probleme der europäischen Stahlindustrie werden derzeit die wachsenden Importe aus China gesehen. Diese haben 2015 tatsächlich spürbar zugenommen, um mehr als 50 Prozent auf rund 7,6 Millionen Tonnen. Andererseits führte die EU ihrerseits ein Volumen von 42,7 Millionen Tonnen in Drittländer aus. Zudem machten die chinesischen Importe bei einem sichtbaren Stahlverbrauch von 152 Millionen Tonnen im Jahr 2015 lediglich 5 Prozent der Marktversorgung aus (zum Vergleich: 3,4 Prozent im Jahr 2014). Die Überkapazitäten werden aber auf 30 bis 40 Millionen Tonnen geschätzt. Handelsbeschränkende Maßnahmen können schon angesichts dieser Größenordnungen nicht die Lösung des Problems sein. „Die europäische Stahlindustrie wird Kapazitäten abbauen müssen, auch wenn es dagegen voraussichtlich erhebliche Widerstände geben wird“, sagt Döhrn.

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