Ausschussvorsitzender Alois Gerig (CDU) führte dazu aus, dass Handlungsbedarf bestehe, weil seit dem Jahr 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen Nichteinhaltung der EG-Nitratrichtlinie 91/676/EWG laufe. „Deshalb muss ein tragfähiger Kompromiss her, denn alle wollen den Schutz guten und sauberen Trinkwassers erhalten“, betonte der Ausschussvorsitzende. Über den richtigen Weg gebe es allerdings unterschiedliche Auffassungen.
Die Anhörung erfolgte auf Grundlage der Anträge der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Wasserqualität für die Zukunft sichern – Düngerecht novellieren“ (18/1332) sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Den Umgang mit Nährstoffen an die Umwelt anpassen“ (18/1338). Die Linksfraktion will mit einer Änderung der Düngeverordnung erreichen, dass der Nährstoffeintrag in Grund- und Oberflächengewässer verringert wird. Die Grünen fordern, dass die Düngung landwirtschaftlicher Flächen am Bedarf von Pflanzen und Böden ausgerichtet wird.
Nach Ansicht von Jakob Opperer vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sollten die Beratung der Landwirte, der Vollzug der rechtlichen Vorgaben und die Kontrolle der Betriebe einheitlich betrachtet werden. Franz Jansen-Minßen von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vermutete mehr ein rechtliches Regelungs- und weniger ein Vollzugsdefizit als Teil des Problems, denn „es mangelt an rechtswirksamen Instrumenten“. Die Überwachung müsse sich auf die Einhaltung der bedarfsgerechten Düngung konzentrieren und schmerzhafte Strafen aussprechen können, wenn zu viel oder zum falschen Zeitpunkt gedüngt wird. Er plädierte für die Einführung neuer Überwachungsinstrumente, wenn diese zur Verbesserung der Kontrolle beitragen, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Tierbestands- und Flächendaten.
Eine Forderung, die Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband (DBV) eher kritisch sah, denn der Datenschutz gelte auch für Landwirte. Pingen mahnte Klärungsbedarf hinsichtlich des Zweckentfremdungsverbots von in anderen Zusammenhängen erhobenen Daten an. Der Verbandsvertreter wies bei seiner Begründung auf die Tierseuchenkasse als mögliche Datenquelle hin. Er befürchtete, dass die Auswertung solcher Datenbestände zu Fehlinterpretationen führen könnte, weil diese nicht dem Durchschnitt der landwirtschaftlichen Betriebe entsprechen würden.
Anders als Jansen-Minßen von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen schätzte Karsten Specht vom Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband das Vollzugsdefizit der Behörden größer ein als das Fehlen von Vorgaben. „Viele Regelungen werden von Landwirten nicht ernst genug genommen“, meinte er. Der Grundgedanke einer pflanzenbedarfsgerechten Düngung findet nach seiner Einschätzung in der Praxis nicht ausreichend Anwendung. Eher finde eine Entsorgung von Nährstoffen, weniger eine Düngung auf den Feldern statt. Die Änderung des Düngerechts sei wichtig, um Transparenz in das System zu bekommen. „Wir brauchen einen Überblick, um diejenigen ansprechen zu können, die sich nicht konform verhalten.“ Es müsse die Erkenntnis unter den Landwirten Raum greifen, dass das Düngegesetz dem Wasserschutz dient. Außerdem sollte die Missachtung der Regeln strikter geahndet werden. Ordnungswidrigkeiten sollten finanziell stärker zu Buche schlagen.
Nach Ansicht von Kurt-Jürgen Hülsbergen vom Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der Technischen Universität München geht die Düngeverordnung in die richtige Richtung. Er wies darauf hin, dass es trotz unterschiedlicher Bodenbedingungen notwendig sei, allgemeine Obergrenzen wie die Höchstmenge von 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar für die Ausbringung organischer Dünger festzulegen. Hülsbergen stellte aber auch fest, dass die Tierbestände in Deutschland sehr unterschiedlich verteilt seien und die Bedingungen je nach Region stark variieren würden. „Es sollte geschaut werden, wo neue Anlagen errichtet werden“, hob er als einen von gesetzlichen Obergrenzen unabhängigen Ansatz zur Entlastung gebeutelter Regionen hervor.
Die Notwendigkeit einer wirksamen Änderung des Düngerechts unterstrich Friedhelm Taube vom Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Im Durchschnitt würden derzeit rund 100 Kilogramm Stickstoff Überschuss pro Hektar anfallen. Die Nährstoffe würden das Grundwasser belasten oder durch Oberflächengewässer in die Meere gelangen. Als notwendig zur realitätsnahen Erhebung der Situation betrachtete Taube daher die Einführung der sogenannten Hoftorbilanzierung, um die Stickstoffmengen zu erfassen, die in einen Betrieb durch Dünger oder Tierfutter eingeführt und als landwirtschaftliche Produkte wieder ausgeführt werden. Ein Überschuss kann nach diesem Berechnungsansatz aus der Differenz zwischen Einbringung und Abzug der verwendeten Menge beziffert werden.
Auch Franz Wiesler von der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) in Speyer befürwortete die Anwendung der Hoftorbilanzierung als Berechnungsmethode für alle Betriebe, „weil sie einfacher durchzuführen ist“. Einschränkend plädierte er aber für „großzügige Übergangsregelungen“ und Bagatellgrenzen für kleine Betriebe, die in absehbarer Zeit zum Beispiel aus Altersgründen der Inhaber die Produktion einstellen werden.