In ihrem Schreiben kritisieren die Wirtschaftsverbände die im Kreislaufwirtschaftsgesetz vorgeschriebenen „umfassenden Überlassungspflichten für Abfälle aus privaten Haushalten“ und die restriktiven Regelungen zur gewerblichen Sammlung getrennt erfasster Verwertungsabfälle. Gewerbliche Sammlungen könnten danach zum eigenen Vorteil von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern untersagt werden.
Die Überlassungspflicht schaffe, so die einhellige Bewertung seitens der Verbände, ein Monopol für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Die Regelungen zur Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen versetzten die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in die Lage, ihre marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen und private Unternehmen vom Markt für Verwertungsabfälle und für Entsorgungsdienstleistungen zu verdrängen.
Im Ergebnis führe dies dazu, dass über Jahrzehnte durchgeführte gewerbliche Sammlungen privater Unternehmen nicht mehr möglich seien und bestehende gewerbliche Sammlungen sogar eingestellt werden müssten. Dies werde auch erhebliche negative Auswirkungen auf den Markt für die aus den getrennt erfassten Haushaltsabfällen gewonnen Sekundärrohstoffe haben – so rechneten beispielsweise die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage und die de-inkende Papierindustrie als Abnehmer von Altpapier mit sinkender Qualität und steigenden Preisen infolge des kommunalen Monopols.
Daher sieht auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nach den Worten von Holger Lösch, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, „das öffentlich-rechtliche Monopol für die Entsorgung der Verwertungsabfälle aus privaten Haushalten mit großer Sorge“ und unterstützt die Beschwerden gegen die binnenmarkt- und wettbewerbsrechtlichen Verstöße durch das KrWG.
„Die bisherigen Erfahrungen mit dem neuen Gesetz zeigen uns, dass dies nicht nur eine theoretische Möglichkeit ist, sondern schon vor Ort praktisch umgesetzt wird. Es hat den Anschein, als ob eine bundesweit initierte Strategie gegen gewerbliche Sammlungen umgesetzt wird, um die mehrheitlich mittelständisch strukturierten Recycling-, Sekundärrohstoff- und Entsorgungsunternehmen aus dem Markt zu drängen“, erklärt bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock.
„Das öffentlich-rechtliche Monopol und die große Gefahr des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung durch die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger haben dabei nicht nur zu großer Besorgnis Anlass gebende Auswirkungen auf die Situation der privaten Entsorgungsunternehmen. Es werden auch die Bürger in der Bundesrepublik Deutschland benachteiligt, da sie nicht frei über ihre Verwertungsabfälle verfügen können und damit auch nicht von erweiterten Serviceangeboten, Kostenvorteilen und Erlösen aus dem Verkauf von Abfällen profitieren werden“, kritisiert BDE-Präsident Peter Kurth.
Für die deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, vertreten durch VDZ und BDZV, bedeutet eine Vielzahl privater Anbieter den Garanten für marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Nur unter diesen Voraussetzungen könnten in einem freien Markt objektive Preisbildungen und Qualitätsvergleiche entstehen, welche erhebliche Auswirkungen auf die Preisgestaltung des Endproduktes, in diesem Fall graphische Papiere zur Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften, hätten.
Mangelnder Wettbewerb führt zu sinkender Qualität des Altpapieres
Monopole seien immer gegen die Mechanismen des Wettbewerbes gerichtet und auch in diesem Fall besteht die Gefahr kommunaler Preisdiktate. Es sei darüber hinaus zu befürchten, dass mangelnder Wettbewerb auch eine sinkende Qualität des Altpapieres zur Folge habe. „Wir befürchten, dass die seit Jahrzehnten bewährte Verwertungskette (Sammlung – Verwertung – Vermarktung) ernsthaft gefährdet ist, wenn in diesem Kreislauf durch kommunale Monopole die marktwirtschaftlichen Strukturen durchtrennt werden“, machen VDZ-Hauptgeschäftsführer Stephan Scherzer und BDZV-Geschäftsführer Jörg Laskowski deutlich.
Auch aus Sicht der de-inkenden Papierindustrie wird den Qualitätsansprüchen der Papierindustrie bei der Vermarktung von Altpapier durch Kommunen keine Aufmerksamkeit geschenkt. „Die Kommunen geben keine Qualitätsgarantien für das Altpapier ab. Eine Vermarktung kann aber nur für Waren erfolgen, für die klare Qualitätsdefinitionen vorliegen oder akzeptiert sind“, gibt Ulrich Höke, Vorsitzender der Ingede, zu bedenken. Die Probleme, die bei der Verwertung des Altpapiers zu befürchten seien und die sich zum Teil schon jetzt zeigten, seien in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit auch für andere aus dem Abfall gewonnenen Sekundärrohstoffe zu erwarten.
Die Wirtschaftsverbände ersuchen die Generaldirektion Wettbewerb in ihrem gemeinsamen Schreiben nachdrücklich, der höchst problematischen Wettbewerbsverzerrung entgegenzutreten und die Bundesrepublik Deutschland entweder durch eine Maßnahme nach Art. 106 Abs. 3 AEUV oder durch ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV dazu zu veranlassen, die ungerechtfertigte Monopolstellung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger – jedenfalls für die Entsorgung getrennt erfasster Abfälle zur Verwertung aus privaten Haushalten – aufzuheben.