Sorge bereiten dem Vizepräsidenten des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) die „Überkapazitäten“ der Müllverbrennungsanlagen, zumal sich diese Situation laut jüngsten Prognosen eher weiter verschärfen werde. Sinkende Preise für die Müllverbrennung bedeuteten jedoch, dass der wirtschaftliche Anreiz für die stoffliche Verwertung abnehme. So steige die Gefahr, dass wertvolle Sekundärrohstoffe dem Wirtschaftskreislauf entzogen werden. Deswegen plädierte der bvse-Vizepräsident bei der von der IG KURIS und dem Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden veranstalteten Tagung dafür, nicht mit notwendigen Strukturanpassungen zu warten, sondern jetzt zu handeln.
Problematisch sei zudem, dass im Kreislaufwirtschaftsgesetz der Vorrang der stofflichen Verwertung nur unzureichend umgesetzt worden sei. Das Heizwertkriterium alleine könne kein Maßstab sein, schließlich hätten Kunststoffe einen ebenso hohen Brennwert wie Heizöl. Bei der thermischen Verwertung könne jedoch nur noch deren Energieinhalt genutzt werden. Verloren gehe aber die Energie, die bei der Kunststoffherstellung eingesetzt werde. Das sei weder energieeffizient noch nachhaltig, so der Kunststoffexperte.
Ergänzt werden müsse das Heizwertkriterium deshalb um eine Regelung zur Kaskadennutzung. „Das wurde im Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht umgesetzt“, bedauerte Snell, der aber betonte: „Wir haben aber immerhin erreicht, dass eine entsprechende Verordnungsermächtigung ins Gesetz aufgenommen wurde. Im Rahmen dieser Verordnung könnte nachgeholt werden, was im Gesetz versäumt wurde.“
Dazu müsste ein Vorbehandlungsgebot eingeführt und anspruchsvolle stoffliche Verwertungsquoten für Kunststoffe festgelegt werden. Für Verpackungsabfälle sollte die Quote bei etwa 45 Prozent sowie bei Altfahrzeugen oder Gewerbeabfall bei jeweils 15 Prozent liegen.
End-of-Waste kann das Kunststoffrecycling stärken
Nach Auffassung von Herbert Snell muss zudem stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden, dass Kunststoffrecycler aus Altkunststoffen qualitativ hochwertige und nachgefragte Recyclate beziehungsweise Erzeugnisse herstellen. Das sei der Grund, warum der bvse für den Stoffstrom Kunststoff den von der Europäischen Union initiierten „End of Waste“-Prozess (EoW) begrüßt, der das Ende der Abfalleigenschaft zu definieren soll.
Allerdings müsstn sich die EoW-Kriterien und auch deren Überprüfung auch an dieser Zielsetzung orientieren. Das bedeutet, so der Praktiker, dass die EoW-Kriterien nicht etwa gängigen bilateralen Abmachungen zwischen Kunde und Lieferant hinsichtlich der eingeforderten und vereinbarten Qualität entgegenstehen dürfen.
„Es ist außerdem sinnvoll, das geforderte Qualitätssicherungssystem in bereits bestehende Systeme, wie beispielsweise dem Entsorgungsfachbetrieb oder QM-Systeme, zu implementieren und grundsätzlich den bürokratischen Aufwand, insbesondere die Dokumentations- und Nachweispflichten, gering zu halten“, so der bvse-Vizepräsident. Aus Sicht des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling ist demnach das Abfallende erreicht, wenn die gewonnenen Recyclate direkt bei den Kunststoffverarbeitern als Substitut für Neuware eingesetzt werden können.